Zeitschrift - Nummer 129:

VKZ: H11661
Ort: Meinerzhagen
Nummer: 129
Jahrgang: 2010
Ausgabe: 1
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Komplettes Heft

Text Titelseite

Mit Ausharren laufen den vor uns liegenden Wettlauf
Hebräer 12.1

Vorwort

Ein Mann steht hoch oben auf einer Felsenklippe. Er legt bedächtig alle seine Sachen ab, schaut noch einmal kurz nach oben, nickt und sagt: “Ich tu’s!” – und springt. Ja, er springt tatsächlich!

Sekundenlang stürzt er in regungslosem Fall. Wie ein Pfeil schnellt er ins Wasser. Seine Arme spalten das Meer. Er taucht glatt ein und entschwindet den Blicken. Das Meer hat ihn verschluckt. Bald liegt es wieder still, als wäre nichts geschehen.

Doch mit dem Taucher hält auch der Alte seinen Atem an. Wenn er nur seinen Augen nicht entgleitet! Er sieht, wie der Todesmutige mit kräftigen Zügen in das türkisgrüne Wasser stößt.

Dort unten pocht der Druck und wird unerträglich. Doch dort oben auch. Der Taucher gräbt sich weiter und weiter nach unten. Tiefer und tiefer, bis ins kalte und immer dunklere Gewässer. Seine Lungen drohen zu bersten. Aber er ist noch nicht am Ziel. Er dringt so tief wie noch keiner zuvor – in die lichtlose Todeszone. Er dringt durch bis auf den Grund.

Grund? Es gibt keinen Grund! Er durchtastet den bodenlosen Schlick und Schlamm, den Bodensatz des Abgrunds. Was er nur sucht, mitten in Morast und Verwesung?

Da! Er hat sie, packt zu, reißt sie an sich, hält sie fest umschlossenen in seiner Faust. Doch in grundlosem Schlamm kann er sich nicht abstoßen. Er sinkt, steckt fest. Das brodelnde Loch droht ihn zu verschlingen.

Er kämpft und krampft und krault einsam in entsetzlicher Stille. Die Luft geht ihm aus. In einer aufgewirbelten, trüben Wolke aus Fäulnis und Finsternis verliert er Orientierung und Besinnung.

Die Zeit gefriert. Der Vater hat sich abgewandt. Doch siehe da – eine Gestalt gleitet hinauf, zurück zu Farbe und Licht. Sie durchstößt die Grenze zum Leben. Entgegengereckte Arme reißen den kalkweißen Sohn ans Vaterherz. In seiner Rechten hält er die Kostbarkeit, die zu retten er in Tiefe und Tod versank. Er hat sie – die Perle!

Ich bin versunken in tiefen Schlamm, und kein Grund ist da; in Wassertiefen bin ich gekommen, und die Flut überströmt mich. Ziehe mich heraus aus dem Schlamm, dass ich nicht versinke! Lass mich errettet werden aus den Wassertiefen! Lass die Flut der Wasser mich nicht überströmen, und die Tiefe mich nicht verschlingen; und lass die Grube ihren Mund nicht über mir verschließen! Ps 69,2.14-15

Er hat mich heraufgeführt aus der Grube des Verderbens, aus kotigem Schlamm. Ps 40.3


Gottes Segen für das neue Jahrzehnt – und beim Lesen dieser Ausgabe
Andreas Fett

Inhaltsübersicht

Charles Swindoll - Lauf, Jünger Jesu, lauf! S. 3
Wolfgang Bühne - Hiskia – der Mann, der Gott vertraute (Teil 5) S. 4
Monika Mertens - Wenn der Himmel redet S. 7
Wolfgang Bühne - „Jesus von Nazareth hat mehr Nachfolger in China als die K.P.!“ S. 8
Wolfgang Bühne - Viel Lärm um die Stille ... S. 11
Peter Lüling - Ermutigung durch Entmutigung? S. 14
Alois Wagner - Wie studiere ich die Bibel mit Gewinn? S. 16
Thorsten Brenscheidt - Max Lucado – Der Bestsellerautor und seine Botschaft S. 19
Buchbesprechungen S. 22
Andreas Fett - Zu spät (Gedicht) S. 24

Erfasste Artikel:

Artikel Wolfgang - Viel Lärm um die Stille ...
Artikel Wolfgang - "Jesus von Nazareth hat mehr Nachfolger in China als die Kommunistische Partei!"
Artikel Wolfgang - Hiskia
Artikel Thorsten - Max Lucado - Der Bestsellerautor und seine Botschaft
Artikel Peter - Ermutigung durch Entmutigung?
Artikel Monika - Wenn der Himmel redet
Artikel Charles - Lauf, Jünger Jesu, lauf!
Artikel Alois - Wie studiere ich die Bibel mit Gewinn?
Buchbesprechung Wolfgang - C.H. Spurgeon: Männer und Frauen des Neuen Testaments
Buchbesprechung Wolfgang - Alexander vom Stein: "Was nun, Mr. Darwin?" Leben
Buchbesprechung Wolfgang - James I. Packer: Gott erkennen
Buchbesprechung Ulla - Ronald Dunn: Immer nur auf und ab?
Buchbesprechung William - Wolfgang Bühne (Hrsg.): Das Glück der Verlorenen
Buchbesprechung Daniel - Jean Dye Johnson: Er säte fünf Körner

Text Rückseite

Zu spät ...

1. Jerusalem liegt ohne Wolken,
nicht mal ein laues Lüftchen weht.
Ich fürchtete ihm nachzufolgen.
Ich hoffte, dass der Wind sich dreht.
Ich habe Zeit verschenkt.
„Wird er bereits gehängt?“
Ich lauf. Ich komm. Ich komm zu spät!

2. Die sonst so kahle Hügelkette
ist heute menschenübersät.
Er liegt schon auf der Schädelstätte
und schweigt – der Mann aus Nazareth.
Und jeder Hammerschlag
erschüttert mich ins Mark.
Er zuckt. Ich auch. Ich bin zu spät!

3. Ich höre es nur aus der Ferne –
aus sichrer Anonymität –
“Steig doch herab! Hat Gott dich gerne?”
wird er erbarmungslos geschmäht.
“Bist selber daran schuld!” –
er trägt es mit Geduld.
Man spuckt. Man flucht. Es ist zu spät!

4. Was sagen da die Henkersknaben?
Sein Unterhemd sei nicht genäht?
“Bevor wir ihn darin begraben,
entwenden wir’s der Majestät.”
Schon würfeln sie darum –
der Mann am Kreuz bleibt stumm.
„Zwei fünf!“ – „Vier sechs!“ Es ist zu spät!

5. Die letzte Chance ist vergangen.
War er wahrhaftig der Prophet?
Wär’ ich doch früher mitgegangen –
und mit gehangen ... Doch, zu spät!
Nicht nur der Hohe Rat
beging an ihm Verrat,
denn auch wer sich enthält verrät!

6. Da fallen plötzlich lange Schatten,
als ob die Sonne untergeht.
Die eben noch zu spotten hatten,
packt plötzlich doch Nervosität.
Da! Finsternis setzt ein –
selbst Legionäre schrei’n.
Weiß Gott, was grade vor sich geht ...

7. Es dauert drei endlose Stunden.
Wie eingeschwärzt liegt der Planet.
“Mein Gott, mein Gott!” ruft er geschunden,
wie einer, der in Brand gerät.
Doch selbst der Himmel schweigt;
kein Engel, der sich zeigt,
als er in Schmerz und Schmach vergeht.

8. Mit dem am Kreuz geht es zu Ende.
Sein letztes Wort ist ein Gebet.
“Nimm meinen Geist in Deine Hände”
ist, was man noch davon versteht.
Dann neigt der still sein Haupt,
dem ich zu spät geglaubt.
Er stirbt. Verzeih! Ich bin zu spät!

9. Wer ist der ungeliebte Tote, der
so geschmäht nicht wieder schmäht,
der leidend schwieg, bespuckt nicht drohte.
Der den noch küsst, der ihn verrät?
Es trifft mich wie ein Schock:
Er ist der »Sündenbock«!
Er erntet das, was ich gesät.

10. Mein bisher insgeheimer Meister,
bespuckt – doch voller Majestät!
Wie siegreich übergab den Geist er.
Er ist das Lamm, das auf sich lädt,
die Schuld der ganzen Welt,
Versäumen, das mich quält!
Nun kommt mein letzter Dienst zu spät.

11. “Darf ich ihn ordentlich begraben?” –
Pilatus fehlt’s an Pietät:
“Der ist schon tot? Den kannst du haben,
weil jetzt kein Hahn mehr nach ihm kräht!”
Auch Nikodemus reut’s.
Wir nehmen ihn vom Kreuz.
Zu scheu, zu leise, zu diskret.

12. Er sinkt entstellt in meine Arme,
wie ein erloschener Komet.
Er ist schon kalt! O Gott erbarme
dich über mich! Ich kam zu spät!
Dann tragen wir ihn fort
und wechseln nicht ein Wort.
Verflucht sei die Kalamität!

13. Der Abend kommt und alles hastet
zum Passah, das man heute brät.
Hab den »Verfluchten« angetastet
und bin nun unrein – und zu spät!
“Sieh, Gottes Passah-Lamm!”
Ich komme um vor Scham.
Zahlt er sogar für mein »Zuspät«?

14. “Im Tod sei er bei einem Reichen”,
so sagt Jesaja, der Prophet. Nein,
diese Chance darf nicht verstreichen,
dass dies Wort in Erfüllung geht!
O, legt ihn bitte in mein Grab,
weil er an meiner Stelle starb!
Für Liebe ist es nie zu spät.

Andreas Fett