John Wesley (1703 - 1791) am Tag seines 85. Geburtstages
An diesem Tag werde ich fünfundachtzig Jahre alt, und wieviel Grund habe ich, Gott zu preisen für die tausend geistlichen wie auch körperlichen Segnungen! Und doch, wie wenig habe ich während der Stürme meiner zahlreichen Jahre gelitten! Es stimmt, ich bin nicht mehr so rege wie früher. Ich renne oder gehe nicht mehr so schnell wie damals; ich sehe auch nicht mehr so gut. Mein linkes Auge ist trübe geworden, so daß ich damit kaum noch lesen kann. Täglich schmerzen mich mein rechter Augapfel sowie meine rechte Schläfe (durch einen Schlag, den ich vor Monaten erhalten hatte), meine rechte Schulter und mein rechter Arm, was ich teils einer Verstauchung, teils dem Rheumatismus zuschreibe. Mein Gedächtnis läßt ebenfalls ein wenig nach, was Namen oder Dinge betrifft, die ich erst kürzlich gehört habe, jedoch nicht in bezug auf das, was ich vor zwanzig, vierzig oder sechzig Jahren gehört oder gelesen habe. Auch mein Gehör, Geruchssinn und Geschmack oder Appetit sind dieselben geblieben (obwohl ich jetzt nur den dritten Teil von dem esse, was ich früher aß); auch verspüre ich keinerlei Erschöpfung, weder beim Reisen noch beim Predigen. Es ist mir auch nicht bewußt, daß meine geschriebenen Predigten, die ich noch ebenso gern und, wie ich glaube, korrekt ausarbeite, schlechter geworden sind. Welcher Ursache kann ich es zuschreiben, daß ich so bin, wie ich bin? Zweifellos zuallererst der Kraft Gottes, der mich für das Werk ausrüstet, zu dem ich berufen bin, und zwar so lange wie es Ihm gefällt, daß ich darin fortfahre, zweitens den Gebeten Seiner Kinder. Könnte man es nicht auch zweitrangigen Mitteln zuschreiben, wie zum Beispiel: Erstens der ständigen Bewegung und Luftveränderung? Zweitens, daß ich niemals - gleichgültig, ob krank oder gesund, zu Wasser oder zu Land - eine schlaflose Nacht seit meiner Geburt hatte? Drittens, daß ich auf Anhieb schlafen kann, wenn ich erschöpft bin, und zwar bei Tag oder Nacht? Viertens, daß ich seit etwa sechzig Jahren immer um vier Uhr morgens aufstehe? Fünftens, daß ich seit, über fünfzig Jahren jeden Morgen um fünf Uhr predige? Sechstens, daß ich in meinem Leben nur sehr selten Schmerzen hatte und wenig Sorgen und Kummer? Sogar jetzt, da mich täglich mein Auge, meine Schläfe oder mein Arm schmerzen, sind die Schmerzen niemals sehr groß und halten selten länger als einige Minuten an. Ich weiß nicht, ob das eine Warnung Gottes ist, daß ich bald diese Welt verlassen muß; aber egal, ob es das nun ist, oder nicht, ich kann nur sagen:
Den Rest meiner Tage will ich Dem weihn- zu Seinem Lob, Seiner Ehre allein‑ der starb, um diese Welt zu erlösen. Mögen es viel oder wenige sein, ich schulde sie alle nur Ihm allein, dem höchsten, heiligen Wesen!
(Tagebucheintragung J. Wesleys am 28.6.1788)
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