Zeitschrift-Artikel: Stimmen der Väter: W. Busch: Wir haben's doch nicht in der Tasche???

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Titel: Stimmen der Väter: W. Busch: Wir haben's doch nicht in der Tasche???
Typ: Artikel
Autor: Wilhelm Busch
Autor (Anmerkung):

online gelesen: 1963

Titel

Stimmen der Väter: W. Busch: Wir haben's doch nicht in der Tasche???

Vortext

Text

WILHELM BUSCH (1897 -1966)
Bekannt als kämpferischer und origineller Jugendpfarrer und Evangelist (Leiter des Weigle—Hauses), aber auch als Schriftleiter und Verfasser vieler Bücher, die eine sehr weite Verbreitung gefunden ha­ben.
Wilhelm Busch war ein Mann, dem man die Liebe zu seinem Herrn abspüren konnte, der aber auch mit ganzer Entschiedenheit für den "einmal den Heiligen überlieferten Glauben" kämpfte und sich nicht scheute, unbiblische Strömungen und Tendenzen beim Namen zu nennen.

Immer wieder stößt man auf Segensspuren, die dieser Mann in Deutschland und darüber hinaus hinterlassen hat.

Der folgende Beitrag ist seiner Monatsschrift "Licht und Leben" Jahrgang 1954 entnommen.

„Wir haben's doch nicht in der Tasche!" ???

 

Schon lange liegt es mir auf der Seele. Nun muß es einmal gesagt werden:
Es ist Gefahr, daß wir die köstliche Perle evan­gelischen Glaubens verlieren, nämlich die Gewissheit des Heils.

Auf dem Kirchentag in Leipzig hatte ich ein ergreifendes Erlebnis. Ich hatte in der Bibelar­beit davon gesprochen, daß ein Christ seines Heils gewiß werden darf. Ganz persönlich habe ich es bezeugt, wie unruhig mein Herz war, solange ich nicht wußte, ob ich von Gott angenommen sei. Und dann durfte ich erfahren, was der Psal­mist bekennt:,, Er hat mich angenommen"
(Psalm 49,16). Ich sagte: „ Ich könnte nicht
leben, wenn ich das nicht ganz gewiß wüßte."
Kaum hatte ich geschlossen, da drängte sich eine Schar Menschen an mich heran: „Was haben Sie da gesagt? Gibt's das wirklich?" - „Unser Pfarrer sagt: Wir müssen unser Heil jeden Tag neu ergrei­fen!" - So und ähnlich prasselten die Fragen auf mich herunter. Immer mehr Leute sammel­ten sich um mich. Ich konnte gar nicht mehr jedem einzelnen antworten. Da rief ich nur ein paar Bibelworte in die Menge: „Sein Geist gibt

Zeugnis unserm Geist, daß wir Gottes Kinder sind." „Ich bin gewiß, daß weder Tod
noch Leben mich scheiden kann von der Liebe
Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm Herrn."

„Jesus sagt: Niemand kann meine Schafe aus meiner Hand reißen." Was mir gelegentliche Gespräche gezeigt hatten, - hier wurde es mir ganz deutlich, daß an der Frage der Heilsgewiß­heit eine große Verwirrung und Not angebro­chen ist. Statt daß man von dieser herrlichen Botschaft spricht, hört man überall nur, wie vor „falscher Sicherheit" gewarnt wird. Gewiß mag das auch nötig sein, namentlich allen Selbst­gerechten gegenüber. Aber wenn darüber die herrliche Botschaft von der Gewißheit des Heils verlorengeht, dann haben wir etwas Wichtiges verloren.

Ja. ich habe in meinem Urlaub kürzlich eine Predigt gehört, die ich nur so beschreiben kann: Mit großer Sicherheit sprach der Prediger von seiner Unsicherheit. Er brüstete sich geradezu mit seiner Ungewißheit. Ich mußte bei dieser Predigt denken: Du hast nie richtige Angst vor Gott gehabt. Sonst hieltest du es nicht aus, so zu leben.

0, diese kirchlichen Schlagworte! Die Warnung
vor der „falschen Sicherheit" z.B. ist solch ein
Schlagwort geworden. Ja, wenn man das den

lichtfertigen Sündern und den selbstgerechten Moralchristen sagen wollte! Aber nun bekommen es die hungrigen Seelen und verlangenden Herzen Sonntag für Sonntag auf das Butterbrot geschmiert. Es ist nicht mehr zum Anhören! Da brüstet man sich mit seinem leeren Becher, und der Herr „schenkt uns doch voll ein"!

Sooft ich auch über die Heilsgewißheit sprach - prompt stand irgendeiner auf und sagte be­denklich: „Wir haben das Heil doch nicht in der Tasche wie einen Geldbeutel." Und dann habe ich jedesmal nur erwidern können: „Darum geht es nicht. Es geht darum, daß der Herr Jesus -um im Bild zu bleiben - mich in Seiner Tasche hat und daß ich dieses auch weiß."

Kürzlich hörte ich wieder einmal den Satz: „Meine Heilsgewißheit ist auf Golgatha." Da ist etwas Wichtiges und Richtiges dran. Denn die Gewiß­heit meines Heils bekam ich unter dem Kreuz. Und doch - meine Heilsgewißheit ist in meinem Herzen. Denn „Sein Geist gibt Zeugnis meinem Geist, daß ich Gottes Kind bin." Das heißt doch: Mein Geist darf es wissen, daß ich angenommen und ein Kind Gottes geworden bin.
Der heimgegangene gesegnete Wuppertaler Pfar­rer Buddeberg hat einmal eine kleine Schrift geschrieben mit dem Titel „Heilsgewißheit —die Krone evangelischen Glaubens". So ist es! In der katholischen Kirche gibt es das nicht. Ja, es wird ausdrücklich jeder verdammt, wel­cher lehrt, daß er seines Heils gewiß sei. Da gibt es dann lauter Angst, Unruhe, Werkerei und Abhängigkeit von den Priestern.

Die Bibel aber lehrt es anders. Soll das der Kirche verlorengehen? Das wäre ein guter Schritt auf dem Wege nach Rom.
Da kommt es dann so heraus, daß die „Heiligen"
Leute sind, die einen Überschuß an guten Werken haben. In der Bibel aber sind die „Heiligen" die Kinder Gottes, die durch Jesu Blut versöhnt sind und die sich angenommen wissen von dem Heiland, der gesagt hat: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen."

Auf der Mülheimer Tersteegensruh-Herbst-Konfe?
renz sagte der Direktor des Johanneums, Pfr.
Haarbeck, mit größer Vollmacht: „ Es gibt einen

Stand der Erretteten. Und David, als er gefallen war, war doch immer noch ein Erretteter." Ja, so spricht die Bibel von dieser Sache. Da weiß man es, wenn man vom Tode zum Leben hindurch­gedrungen ist. Da weiß man es, daß man versöhnt. und ein Kind Gottes geworden ist.

Ich muß da von einem Gespräch berichten, das ich kürzlich mit einem jungen Theologen hatte. Der fing auch an mit der „falschen Sicherheit" und erklärte (es kamen alle die Schlagworte, die wir nicht mehr hören können und wollen): „Wir haben das Heil doch nicht in der Tasche" und „Wir müssen es jeden Tag neu ergreifen."
Da erwiderte ich: „In meinem Garten ist ein Apfelbaum eingepflanzt. Der muß nicht jeden Tag neu darum ringen, daß er ein Apfelbaum sei. Der muß nicht jeden Tag sich neu darum sorgen, daß er nicht über Nacht ein Pflaumen­baum werde. Er ist ein Apfelbaum. Aber darum muß er ringen, daß er Früchte bringt."

Darin besteht der tägliche Kampf des Glaubens, daß ich Früchte des Geistes bringe, daß mein Leben „etwas sei zum Lobe Seiner Herrlichkeit". Ja, darum muß ein Christ ernstlich kämpfen. Aber um seinen Heilsstand braucht er nicht mehr zu kämpfen, wenn er sich dem Herrn Jesus ver­schrieben hat, der uns am Kreuze erkaufte und versöhnte.
Gewiß brauche ich täglich Sein Blut zur Vergebung meiner Sünde. Wohl dem, der „den offenen Born wider alle Sünde und Unreinigkeit" kennt, in dem wir uns täglich baden dürfen! Aber um den Heilsstand täglich ringen, wenn man angenommen ist? Nein!
Der verlorene Sohn mußte nicht jeden Tag neu nach Hause kommen. Er mußte nicht jeden Tag neu an die Tür des Vaters klopfen. Er durfte nun leben im Vaterhaus.

Angenommen ist angenommen!
Wir wollen auf keinen Fall das Lied aus unserem Liederschatz streichen:

 

„Ich habe nun den Grund gefunden, der meinen Anker ewig hält ..."

Nachtext

Quellenangaben