Zeitschrift-Artikel: Elihu — Vorbild eines Dieners (2. Teil)

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Titel: Elihu — Vorbild eines Dieners (2. Teil)
Typ: Artikel
Autor: J. Ph. Fijnvandraat
Autor (Anmerkung):

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Titel

Elihu — Vorbild eines Dieners (2. Teil)

Vortext

Text

11. Keine Generationen-Kluft!

Bevor wir uns weiter mit dem Auftreten Elihus beschäftigen, möchte ich gerne noch auf eine wichtige Tatsache hinweisen. Aus dem Umgang dieser fünf Menschen miteinander, wovon min­destens drei bedeutend älter waren als Elihu, geht klar hervor: Es gab zwischen ihnen keine "Generationenkluft".

1. Ein Modewort

Es ist eins der ungesunden Symptome unserer Zeit, daß der Begriff "Generationenkluft" ein Modewort geworden ist. Das Nichtverstehen, der Mangel an Kontakt und die Unmöglichkeit eines wirklichen Gespräches zwischen der älteren und jüngeren Generation ist bedauernswert. Es ist ein Kennzeichen von Lieblosigkeit und Ver­fall. Leider offenbaren eine Anzahl gläubiger Kreise in dieser Hinsicht eine beschämende Welt­gleichförmigkeit. Denn wir dürfen dabei nicht den Fehler machen, daß wir die Ursache davon nur bei einer Seite suchen, jedenfalls sicherlich nicht nur bei den Jüngeren!

2. Die Gefahr für die Älteren

Wenn in einer Gemeinschaft von Gläubigen eine Generationenkluft besteht, liegt die Ursache zu­nächst bei den Älteren. Sie lebten eher, die Jün­geren stammen von ihnen ab, und sie haben sie erzogen.

         Die Älteren sind geformt durch die Kultur

ihrer Zeit, auch als Gläubige. Man kann das natür­lich in Abrede stellen, aber das ist "Versteck­spielen" mit sich selbst! Ein einziger Beweis: In dem vorigen Jahrhundert gingen die Männer in der Welt dazu über, sich ihren Bart abrasieren zu lassen. Anfangs wurde dies durch bibelgläu­bige Christen als "Weltgleichförmigkeit" getadelt und unterlassen.

Die Brüder "aus der Versammlung" haben dies nahezu am längsten festgehalten, so daß man in der Welt sogar anfing, "von den Menschen des Bartglaubens" zu sprechen. Zum Schluß gingen auch sie dazu über, sich dieser Kultur­veränderung zu beugen. Und warum auch nicht?

Christen tun gut daran, nicht durch ihr Äußeres die Aufmerksamkeit auf sich selbst zu richten, sondern vielmehr durch ihr Verhalten die Aufmerksamkeit auf den Herrn zu lenken! Vor einigen Jahrzehnten veränderte sich das Kulturbild wieder.

 

a)  Reaktionäre, anstatt streitbare Haltung

Die genannte Kulturveränderung wurde einge­führt durch die "alternative Bewegung". Diese Bewegung wollte abrechnen mit den bestehenden Gesellschaftsformen. Man suchte dabei nach äußerlichen Merkmalen, die als Kennzeichen für den Protest gegen die Gesellschaft dienen konnten. So entstand die nachlässige, ausgefranzte Jeanshosen-Mode und das tragen von Bärten.

Nach ungefähr 15 Jahren wurden diese Dinge jedoch mehr und mehr von vielen über­nommen, zweifellos sehr zur Unzufriedenheit der ursprünglichen Vertreter dieser Bewegung, die dadurch doch ihre äußere Protestform dahin­schwinden sahen, während die Gesellschaft nicht oder nur kaum in ihrem Sinn verändert wurde.

 

b)  Konservativismus

In dem Maße, wie wir älter werden, droht unser Geist seine Beweglichkeit zu verlieren. Wir sind dann geneigt, alles was "früher" waf, für "besser" zu halten. Kritiklos halten wir daran fest, was uns "eigen" geworden ist, und haben die Ten­denz, allerlei Dinge als Symptome eines guten geistlichen Lebens anzusehen, die ihrer Natur nach nichts damit zu tun haben.

Wir gelangen dann zu einer starren konser­vativen Haltung, die in eine gesetzliche Gesinnung mündet und in eine "Berühre-nicht, Koste-nicht, Betaste-nicht" —Haltung. Diese Haltung gehört nach der Heiligen Schrift ebenso zu den Elementen der Welt (vgl. Kol. 2,20-23).

3. Die Gefahr für die Jüngeren

a) "Neu", ein betrügliches Modewort

In einer Zeit schneller, wissenschaftlicher und technischer Entwicklungen, zusammen mit einem System umfangreicher Wissensvermittlung durch die allgemeine Schulpflicht, gibt es viele Jüngere, die mehr Kenntnisse besitzen als der Durchschnitts­mensch der letzten Generation. In diesem Sinne haben wir es mit vielen Kenntnissen zu tun, die die vorige Generation noch nicht kannte. Die Werbung bedient sich dieser Tatsache, indem alles, was sie anpreisen will, durch das Wort "neu" gekennzeichnet wird. "Neu" und "modern" sind dabei Ausdrücke, die als Um­schreibungen für "besser" gebraucht werden.

Viele junge Menschen lassen sich hierdurch an der Nase herumführen. Sie durchschauen nicht, daß "technisch neu" und wissenschaftlich neu" etwas ganz anderes ist als "wesentlich neu". Was verbessert wurde, ist nur die Bewaffnung unserer Sinne (durch technische Beobachtungs­hilfsmittel) sowie die Schnelligkeit und Kraft unseres Handelns (z.B. durch Datenverarbeitung und Maschinen).

Aber immer noch können wir nichts anderes, als was der Mensch schon immer konnte, nämlich: "hören, riechen, schmecken, tasten und sehen", und aufgrund dessen gehen, stehen und handeln. Im Wesen ist nichts verändert.

b) Gewaltige Möglichkeiten

Daß die Menschheit über ungeahnte Möglichkeiten verfügt, berichtet das erste Buch der Bibel schon seit tausenden von Jahren: "Und Jehova sprach: Dies haben sie angefangen zu tun. Und nun wird ihnen nichts verwehrt werden, was sie zu tun ersinnen" (1. Mose 11,6).
Offensichtlich ist die einzige Vorbedingung dafür ein gut organisiertes Zusammenwirken der Menschheit.

c) Doch "nichts Neues unter der Sonne"

Alle Entwicklungen beweisen die Richtigkeit der Worte Salomos: "Es gibt nichts Neues unter der Sonne!" Junge Menschen dürfen sich darum nicht irreführen lassen durch den Zeitgeist, der darauf gerichtet ist, die Herzen der Väter von den Herzen der Kinder zu entfremden.
Und wenn manchmal die "Väter" in eine reaktionär-konservative Einstellung verfallen zu sein scheinen, dann tun die Jüngeren gut daran, wenn sie nicht ihrerseits in eine reaktionäre Hal­tung verfallen!
Revolution und Aufstand sind dem Wesen nach hundertprozentig reaktionär! Ihre erste Lektion muß lauten: Ich möchte mit Gottes Hilfe darüber wachen, daß ich, wenn ich alt ge­worden bin, nicht in denselben Fehler verfalle. Und die zweite ist diese: Nicht um des irrefüh­renden Rufes "neu" willen, das Kind mit dem Bade ausschütten, d.h. mit dem Konservativismus auch die Weisheit zu verwerfen, sondern sich letztere vielmehr zu eigen machen. Hinter die Kulissen sehen.

Nimm nicht alles widerspruchslos an, was als "neu", "befreiend" und "fortschrittlich" ge­priesen wird. In der Welt müssen die Christen die wohl kritischsten Menschen sein: "Prüfet alles . . . !" (1. Thess. 5,22)
Wer das tut, stellt bald fest, daß es sich bei den "neuen" Dingen in Wirklichkeit um Wieder­holungen aus der menschlichen Geschichte han­delt. Der äußere Eindruck ist wohl unterschied­lich, aber es kommt dasselbe Wesen darin zum Vorschein.
Bei diesem Prüfen haben wir natürlich zu allererst die Heilige Schrift als Prüfstein nötig. Aber in dem Umgang mit dem Prüfstein kann die Erfahrung der Väter ebenso wie ihre Ein­sicht von unschätzbarem Wert sein.

d)  Von der Zeit Abstand nehmen

Eine Generationenkluft entsteht nicht nur, wenn Ältere keinen Abstand nehmen können von der Zeit und der Kultur, worin sie groß geworden sind, sondern auch, wenn Jüngere keine kritische Distanz haben zu der Zeit und der Kultur, worin sie aufgewachsen sind! Hier wird oft auf beiden Seiten derselbe Fehler gemacht!
Gerade die Bibel versetzt uns in die Lage, von der Zeit Abstand zu nehmen, so daß wir die bedingten Sachen von den absoluten Sachen unterscheiden lernen. Im Licht von dem, was die Bibel lehrt, trinke ich mit Freimütigkeit in Holland schon mal ein Glas Wein, während ich das ohne Mühe vollkommen unterlasse, wenn ich unter Christen in England bin.
Sie haben das — zu Unrecht — zu einer abso­
luten Sache gemacht. Ich teile ihnen mit, daß ich es um ihretwillen unterlasse, und mache es so zu einer bedingten Sache, die es einfach nicht wert ist, darüber zu streiten! Eine solche Haltung beugt dem Entstehen einer Kluft vor.

4. Das Vorbild der Freunde Hiobs

 

In dieser Hinsicht ist es das Schöne am Buch Hiob, daß es uns alte und jünge Menschen zeigt, die befreundet sind, die einerseits mit Wertschät­zung und anderseits mit Respekt miteinander umzugehen wissen, die freimütig miteinander sprechen und kein Blatt vor den Mund nehmen, aber dabei nicht aus den Augen verlieren, was sich geziemt.
Hier haben wir vier Menschen vor uns, die keine Generationenkluft kennen und auch einem jungen Mann ausreichend Gelegenheit geben, um das Seine zu sagen. Und das nicht allein, die ihm dann auch noch zuhören! Und warum hört man dem jungen Mann zu? Weil er selbst auch ausgezeichnet zugehört hatte!

Nachtext

Quellenangaben