Zeitschrift-Artikel: Elihu — Vorbild eines Dieners (4. Teil, Schluß)

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Titel: Elihu — Vorbild eines Dieners (4. Teil, Schluß)
Typ: Artikel
Autor: J. Ph. Fijnvandraat
Autor (Anmerkung):

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Titel

Elihu — Vorbild eines Dieners (4. Teil, Schluß)

Vortext

Text

10. Elihu sah nicht die Person an.

Das Ansehen der Person ist eine oft vorkommende Sünde in der Arbeit für den Herrn! Wie oft wird mit zweierlei Maß gemessen. Jemand hört, daß Bruder X in der Gemeinde Y wegen seines Auf­tretens mit Zuchtmaßregeln seitens der Versamm­lung zu tun bekam — und er erkennt das ohne wei­teres an. Aber wenn es einen guten Bekannten oder Freund von ihm betrifft, dann kann er sich die Handlung der Versammlung nicht zu eigen machen, es sei denn, daß er erst über alle Ein­zelheiten genau Bescheid weiß und alles gründlich untersuchen konnte.
Wieviel Schwierigkeiten sind schon allein durch dieses Verhalten entstanden. Mose lobt den Stamm Levi zu Recht, weil dieser Stamm „ von seinem Vater und von seiner Mutter sprach: ,Ich sehe ihn nicht', und der seine Brüder nicht kannte und von seinen Söhnen nichts wußte. Denn sie haben dein Wort beobachtet, und deinen Bund bewahrten sie " (5. Mose 33,9).

Christus hat gesagt: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig" (Matth. 10,37). Wie können doch manche Men­schen schmeicheln und die Person ansehen, nur um die eigene Position zu festigen. Umgekehrt können selbst führende Gläubige der Menge nach dem Munde reden, um ihre Stellung zu befe­stigen. Das ist ein Grundsatz, der in der parlamen­tarischen Demokratie zur gebräuchlichen Poli­tik gehört. Unter Gläubigen ist es Weltgleich­förmigkeit, wenn sie in ihrem Umgang miteinander diese Methoden übernehmen. Elihu konnte bezeu­gen: „Daß ich doch nur ja für niemand Partei nehme! Und keinem Menschen werde ich schmei­cheln, denn ich weiß nicht zu schmeicheln; gar bald würde mein Schöpfer mich hinwegnehmen" (Hiob 32,21 u. 22). Wörtlich lautet diese Stelle nach W. Kelly: „…keinem Menschen werde ich schmeichelnde Titel geben."

Nun - was das anbetrifft, kennt nicht nur die weltliche Gesellschaft, sondern auch die Chr­stenheit davon etwas! Christus sagte: „ Ihr sollt auch nicht jemand auf der Erde euren Vater nennen, denn einer ist euer Vater, der in den Himmeln ist" (Matth. 23,9). Jedoch gibt es Tau­sende von Menschen, die sich Christen nennen, die nicht nur von dem Papst als Vater, sondern sogar von dem „Heiligen Vater" sprechen.
Auch wenn die Protestanten keinen Papst haben, gibt es doch Zehntausende, die auf der Erde in Gottes Gemeinde als „Pastor" oder „Herr" angesprochen werden zur Unterscheidung von anderen Gliedern der Gemeinde Gottes. Innerhalb der Gemeinschaft der Kinder Gottes sollten Titel gar keine Rolle spielen. Ob jemand einen Grad der theologischen Gelehrtheit besitzt, hat da ebenso­wenig von Bedeutung zu sein wie ein Fachdi­plom in Maschinenbau oder ein Schwesternexa­men.

Wer Gott dienen möchte, darf nicht ein Oppor­tunist sein und sich nicht beeinflussen lassen durch Familien- oder Freundschaftsbeziehungen, auch nicht durch Positionen und Titel.

11. Elihu überhob sich nicht über die anderen, sondern machte sich mit ihnen eins.
„Siehe, ich bin Gottes wie du, vom Tone abge­kniffen bin auch ich" (Hiob 33,6). „Siehe, Gott ist zu erhaben für unsere Erkenntnis, die Zahl seiner Jahre, sie ist unerforschlich" (36,26). Diese Aussprüche Elihus bringen seine Haltung deutlich zum Ausdruck. Das große Vorbild haben wir in dem Sohne Gottes selbst. Um uns zu retten, ist Er "Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt."

Ein Fehler westlicher Missionare ist es oft gewesen, daß sie sich nicht eins machten mit den Menschen, in deren Kultur hinein sie das Evangelium brach­ten, sondern im Gegenteil diesen Menschen die westliche Kultur aufdrängten und so unnötige Barrieren für eine weite Verbreitung des Evange­liums geschaffen haben. Aber auch für die Gläu­bigen im Westen ist es wichtig, sich eins zu machen mit den anderen.

Vor Jahren saßen einmal einige Brüder und Schwe­stern - größtenteils gebildete Menschen - tadellos im Sonntagskostüm gekleidet im Haus eines gläu­bigen Fabrikanten zusammen. Es erschien ein Landarbeiter, um diesem Fabrikanten einen brüderlichen Besuch abzustatten. Es war ein Mann mit nur wenig Bildung, und er kam, so wie er war, in Holzpantinen und in seinem blauen Kittel. Der Gastgeber stand selbst auf, um ihn in der Vorhalle willkommen zu heißen. Als er danach mit seinem Gast wieder im Zimmer erschien, stand dieser in seinem Oberhemd da. Da sein Gast keine Jacke trug, sondern in seinem blauen Kittel gekommen war, sorgte unser Fabrikant dafür, daß er sich wohlfühlte, indem er seine eigene Jacke an den Haken hängte. Dieser Mann kannte die Lektion, die auch in dem Auftreten Elihus liegt: Einsmachen mit dem anderen.

Vor allen Dingen ist diese Lektion wichtig, wenn man andere ermahnen muß. Wer das tut in dem Geist: „Du hast das und das getan oder gesagt, und das taugt nichts. Du bist ein Betrüger!", hat noch wenig von dieser Lektion begriffen. Er braucht sich dann nicht zu wundern, wenn seine Ermahnung nichts ausrichtet, selbst wenn er hundert Prozent Recht hat. Wer Zucht ausüben will, ohne sich eins zu machen mit dem Über­treter, wird darin selbst von Gott nicht aner­kannt.
Das mag uns deutlich werden aus der zweifachen Niederlage des Volkes Israel gegen den Stamm Benjamin, wie es in Richter 20 beschrieben wird. Ihr Eifer, das Böse aus Israel hinwegzuschaffen (vgl. Richt. 20,13), war ein fleischlicher Eifer. Gott ließ es zweimal zu, daß sie eine Niederlage erlitten (Richt. 20, 21 u. 25). Sie mußten nicht nur erkennen, daß Benjamin ihr Bruder war (dazu kamen sie erst nach der ersten Niederlage), sondern es mußte noch mehr geschehen. Sie mußten sich demütigen vor dem Herrn und langsam werden zu zürnen. Erst nachdem sie Brandopfer und

Friedensopfer geopfert hatten und gefastet hatten und beteten: „Soll ich wiederum ausziehen zum Streit mit den Kindern meines Bruders Benjamin, oder soll ich aufhören?" (Richt. 20,28), dann erst gibt Gott ihnen Kraft zu dieser Zucht! In ihrem Fasten hatten sie sich nicht nur mit Worten, son­dern in der Tat einsgemacht mit ihren Brüdern.
Das Auftreten Elihus machte Hiob reif, um später Gott selbst zuzuhören. - Das Geheimnis lag darin, daß Elihu sich mit Hiob einszumachen wußte.

12. Elihu wollte sowohl die Ehre Gottes aufrecht erhalten als auch das Heil Hiobs suchen.
Viele Gläubige eifern für die Ehre Gottes. Als sich unter Gläubigen in England im vorigen Jahr­hundert Trennungen ereigneten, konnte man den Ruf hören: „Für die Ehre des Herrn" („For the honour of the Lord"). Und wir wollen klar fest­stellen: Als Gläubige sind wir sowohl persönlich als auch gemeinschaftlich verpflichtet, den Herrn zu ehren. Aber wie können wir das tun?
Wenn Böses unter Gläubigen offenbar wird, dann ist das zur Unehre des Herrn. Daß Böse aus der Mitte hinweggetan werden müssen, lehrt uns eindeutig 1. Kor. 5,13. Aber damit ist die Unehre nicht hinweggenommen. - Im Gegen­teil, es ist und bleibt eine unehrenvolle Sache, daß das Böse sich gezeigt hat. Und nicht der Böse allein, sondern wir alle haben dann daran Schuld. Man kann die Schuld bekennen, aber die traurigen Folgen bleiben. Wenn sich unter uns die Notwen­digkeit zur äußersten Zuchthandlung ergibt, dann geschieht das nur, um einer noch weiteren Ent­ehrung des Namens des Herrn vorzubeugen.

Trennungen sind manchmal nicht zu vermeiden. Aber deshalb sind sie noch nicht zur Ehre des Herrn. Jeder Evangelist kann uns davon berichten, wie sie zur Schande des Evangeliums gereichen und wie der Name Gottes deshalb gelästert wird. Natürlich müssen wir Gott ehren, indem wir das Böse auch böse nennen und nach seinem Wort handeln. Aber jedes triumphale Gefühl von: „Wir streiten für die Ehre des Herrn" und: „Wir haben noch keine so schönen Zusammenkünfte gehabt, wie jetzt…" ist dabei von dem Bösen!

Wenn sich unter uns Böses ereignet, ist das gerade eine Niederlage und ein Grund zur Demütigung. Das Hinwegtun des Bösen nimmt nicht die Nieder­lage weg, sondern es beugt nur einer noch größeren Niederlage vor. Wenn wir das mehr bedenken, würden wir auch bewahrt bleiben vor Einseitig­keit. Die Ehre des Herrn muß immer bei uns an der ersten Stelle stehen - aber die Heiligung und Wiederherstellung eines Gläubigen, der in die Irre gegangen ist, ist damit unverbrüchlich verbunden. Wer die Ehre Gottes sucht, ohne dabei die Wieder­herstellung von Menschen im Auge zu haben, erreicht oft das Entgegengesetzte seiner Bemü­hungen und leistet dem Teufel Handlangerdienste. Gnadenlosigkeit ist immer zur Unehre Gottes.

Elihu blieb bewahrt vor einer solchen Haltung. Er suchte die Ehre Gottes: „Siehe, darin hast du nicht recht, antworte ich dir, denn Gott ist erha­bener als ein Mensch" (Hiob 33,12, siehe auch 34,17 u. 36, 5, u, 23 - 25). Aber er versuchte auch, Herz und Gewissen von Hiob zu erreichen: „ . . . warum hast du wider ihn gehadert?"(33,13 vgl. auch Verse 31-33 u. 34, 16 u. 35, 2-8 ).

13. Elihu wußte etwas von Gericht und Gnade.

Er spricht nicht nur von Gottes Gerechtigkeit, Heiligkeit und Majestät, sondern auch von Gottes Erlösung und Befreiung. Er richtet Hiobs Herz auf Gottes Gnade. (Siehe auch 35,15 - 16 u. 22 - 32.)

14. Elihu sprach von dem Mittler.

Natürlich konnte Elihu nicht über Christus als Mittler sprechen so wie wir. Aber er wußte von der Notwendigkeit eines Mittlers, wie aus den Worten von Kapitel 33, 23 - 24 hervorgeht: „Wenn es nun für ihn einen Gesandten gibt, einen Aus­leger, einen aus tausend, um den Menschen seine Geradheit kundzutun (nämlich sich selbst in Auf­richtigkeit zu verurteilen), so wird er sich seiner erbarmen und sprechen: Erlöse ihn, daß er nicht in die Grube hinabfahre; ich habe eine Sühnung gefunden."
Welch ein Vorrecht haben wir, daß wir bezeugen dürfen: „Und er ist die Sühnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die ganze Welt" (1. Joh. 2,2).

 

Unser Dienst für Gott sollte vor allen Dingen darauf gerichtet sein, die Aufmerksamkeit auf unseren Herrn Jesus Christus zu richten!

Nachtext

Quellenangaben