...zu Recht: "Hat die evangelische Theologie ihr Erstgeburtsrecht für eine psychologische Wassersuppe verkauft?" (Mowrer, The Crisis in Psychiatry and Religion, Princeton, S. 60)
Bei aller Sympathie für diese Sichtweise möchte ich im Folgenden auf einige grundlegende Punkte hinweisen, die nach meinem Bibelverständnis nicht mit dem Wort Gottes übereinstimmen.
Einige kritische Anmerkungen zu dem Buch von
Wolfhard Margies: Heilung durch sein Wort
- Der Verzicht auf Psychotherapie (Bd.l)
- Die geistliche Behandlung seelischer und körperlicher Krankheiten (Bd.2) (Urbach, 1980)
Die beiden Bände von Margies stellen einen Versuch dar, biblische Seelsorge systematisch zu beschreiben. In einer Zeit, in der seelische "Krankheiten" und Probleme auch unter Christen überhand nehmen, in der zudem manche die Lösung ihrer psychischen Probleme von psychotherapeutischen Behandlungen erhoffen, ist diese Absicht anerkennenswert. Der amerikanische Psychologie-Professor Kenneth Gergen hat das Verhältnis zwischen Religion und Psychologie mit folgenden Worten beschrieben: "Heute . . . wird die Religion von vielen als Lieferant für die Regeln des menschlichen Verhaltens abgelehnt, die Psychologen haben in vielem die Rolle als säkulare Priester eingenommen." (in: Psychologie heute, Okt. 1981, S. 62) Die Christen, an die Petrus schrieb, hatten ihre Seelen gereinigt durch den Gehorsam gegen die Wahrheit (1. Petr. 1,22). Heute wird die Seelenreinigung (Kartharsis) vielfach erwartet von der Psycho (= Seelen) -Therapie, so daß also Gottes Wort und psychotherapeutische Theorien sich wie These und Antithese gegenüberstehen und letztere zu einer Art Ersatzreligion geworden sind. Es ist einer von mehreren positiven Aspekten der beiden Bände, daß die Unvereinbarkeit der gängigen Psychotherapien, wie die tiefenpsychologischen Verfahren von Freud und Jung und die non-direktive Gesprächstherapie von Rogers mit den in der Bibel beschriebenen Lösungen für unsere seelischen Probleme klar herausgestellt wird. Margies, der selber eine Zeit lang als Arzt in der Psychotherapie tätig gewesen ist, sucht die Hilfe für alle seelischen "Krankheiten" in Gottes Wort und verneint die Existenzberechtigung der ungöttlichen Psychotherapien für einen Christen. Diese Psychotherapien beruhen auf unbiblischen Vorstellungen vom Menschen. Die Notwendigkeit der göttlichen Vergebung wird geleugnet. Die Probleme, die aus der Trennung von Gott und aus dem Ungehorsam gegen sein Wort resultieren, werden uminterpretiert. Angesichts der Tatsache, daß auch manche Christen Heilung von solchen Methoden erwarten, fragt der ungläubige Psychologe Mowrer 1. Das Menschenbild Margies versucht in Anlehnung an Watchman Nee (den ich ansonsten sehr schätze) ein Menschenbild zu entfalten, das von einem "dreiteiligen Aufbau der menschlichen Person" (Bd. 1, S. 27) durch Geist, Seele und Leib ausgeht, wobei dann den einzelnen Bestandteilen bestimmte Funktionen zugeordnet werden. Die Seele hat nach Watchman Nee und in seinem Gefolge auch nach Margies die Funktionen des Verstandes, des Gefühls und des Willens. Margies geht davon aus, daß diese Bezeichnungen in der Bibel "exakt definierte Begriffe" darstellen und einheitlich verwendet werden. Die Dreiteilung des Menschen in Geist, Seele und Leib wird mit 1. Thess. 5,23 begründet ("Euer ganzer Geist und Seele und Leib werde tadellos bewahrt ..."). Mit derselben Logik könnte man jedoch beispielsweise nach Mark. 12,30 behaupten, daß der Mensch mindestens aus vier Teilen besteht (Herz, Seele, Verstand, Kraft). Weiterhin müßte man fragen, warum Seele und Verstand dort getrennt aufgezählt werden, wenn doch der Verstand nur Bestandteil der Seele ist. Auf ähnliche Weise könnte man viele Bibelstellen anführen, die die Ausführungen von Watchman Nee und Margies in Frage stellen. Auf die zahlreichen Einzelfragen im Zusammenhang mit dem Menschenbild kann ich hier nicht eingehen. (Solchen, die sich näher mit dem biblischen Menschenbild und den Bedeutungen der Begriffe wie Geist und Seele beschäftigen möchten und der holländischen Sprache mächtig sind, sei die scharfsinnige Analyse von Ouweneel in 'Bijbel und Wetenschap', Nr. 39, S. 34-38 empfohlen.) Vielmehr möchte ich den methodischen Ausgangspunkt problematisieren. Wenn wir die Bedeutung der Begriffe wie Geist, Seele und Leib in der Bibel herausfinden wollen, müssen wir wohl bedenken, daß in der Bibel keine wissenschaftliche Sprache verwendet wird, in der die Begriffe genau definiert und einheitlich gebraucht werden. Die Sprache der Bibel ist in dieser Hinsicht mehr zu vergleichen mit der Alltagssprache, in der Begriffe eine größere Formbarkeit und eine durch den Sprachzusammenhang bestimmte Bedeutung haben. So hat beispielsweise der Begriff "Fleisch" eine Reihe von unterschiedlichen Bedeutungsnuancen. Wenn Paulus sagt: "Ich weiß, daß in mir, das ist in meinem Fleische, nichts Gutes wohnt" (Röm. 7,18), ist damit etwas wesentlich anderes gemeint als in Joh. 1,14: "Und das Wort ward Fleisch ...". So könnte man fortfahren: In den Schriften von Petrus wird der Begriff Seele als Ausdruck für die ganze Persönlichkeit einschließlich der "geistlichen" Aspekte verwandt (1. Petr. 1,9 u. 22; 2,11; 4,19; 2. Petr. 2,8 u. 14), während Paulus Geist und Seele schärfer trennt und in dem Begriff "Geist" mehr das auf Gott Bezogene unseres Wesens sieht. (Siehe Röm. 8,16) Deswegen schreibt Paulus in Gal. 5,17, daß das Fleisch wider den Geist gelüstet (dort ist sicherlich in erster Linie der Heilige Geist gemeint, der mit unserem Geiste zeugt); während im Sprachgebrauch von Petrus die fleischlichen Lüste gegen die Seele streiten (1. Petr. 2,11). Wenn man jedoch wie Margies davon ausgeht, daß diese Begriffe überall dasselbe bedeuten, kommt man zu den merkwürdigsten Schlußfolgerungen: "... der Körper als die Quelle der energiereichen Dränge und Antriebe" übt nach Margies "nur einen negativen Einfluß auf die Seele" aus (Bd. 1, S. 63). Kol. 2,23 hingegen macht deutlich, daß dem Leib "eine gewisse Ehre" zukommt. Weiterhin meint Margies: "Es ist ausdrücklich neutestamentliche Aussage, daß Seele und Körper durch die Bekehrung selbst nicht verändert werden" (Bd. 1, S. 63). Demgegenüber weisen Bibelstellen wie 1. Petr. 1,22; Hebr. 10,39 und Apg. 2,41 - was die Seele angeht - in eine andere Richtung. Noch problematischer und gefährlicher wird es, wenn Margies Schlußfolgerungen aus seinem Modell zieht für die Geistesgaben. Da die Geistesgaben sich eben auf den Geist beziehen, sollen seelische Komponenten, wozu nach Margies auch der Verstand gehört, weitgehend unbeteiligt bleiben: "Die Charismen lassen jedoch die Verstandeskomponente im Handlungsablauf aus. Die Weissagung, ..., ist ebenso irrational wie die Gabe der Weisheit, der Zungen und ihrer Auslegung, der Wunder, der Heilung und der Geisterunterscheidung. Jede Gabe kann, wenn sie keusch angewendet wird, großen Nutzen bringen, und doch ist sie dabei frei von einer psychischen Leistung" (Bd. 1, S. 71). Diese Aussage ist grob unbiblisch. In 1. Kor. 14,20, wo es um die Ausübung von Geistesgaben geht, ermahnt Paulus: "Brüder, werdet nicht Kinder am Verstand, sondern an der Bosheit werdet Unmündige, am Verstand aber werdet Erwachsene." Aus diesen und vielen anderen Stellen wird deutlich, daß durch das klare Schema, das Margies zu entwerfen versucht, eine Reihe von Verwirrungen entstehen.
2. Dämonenaustreibung In Bezug auf die Dämonologie gibt es viele unterschiedliche Auffassungen und viel Verwirrung innerhalb der Christenheit. Ich möchte ganz bestimmt nicht den Anspruch erheben, darin der Weisheit letzten Schluß gefunden zu haben. Gerade bei diesem Thema ist es sehr wichtig, die Bibel genau zu untersuchen. Die Berufung auf irgendwelche noch so eindrücklichen Erfahrungen kann uns keine Sicherheit über die tatsächlichen Sachverhalte geben. Der Teufel ist ein Lügner und der Vater derselben (Joh. 8,44). Er kann uns tausend und eine schöne Erfahrung vorgaukeln, um uns letztlich von der zuverlässigen Grundlage des Wortes Gottes wegzuführen. Margies räumt den dämonischen Mächten bei der Entstehung von seelischen und einigen körperlichen Störungen ein große Rolle ein. Obwohl es auch zu diesen Ausführungen manche Anmerkung zu machen gäbe, ist dieser Grundsatz zweifellos richtig. Ich finde es jedoch wichtig, hinter jeder Sünde den Teufel zu sehen. "Jeder, der sündigt, ist aus dem Teufel." (1. Joh. 3,8) Jede Sünde hat eine zerstörerische Wirkung auf unsere Persönlichkeit und manifestiert den Einfluß des Teufels auf uns. "Jeder, der gegen mich sündigt, tut seiner Seele Gewalt an" wird von der Weisheit Gottes gesagt (Spr. 8,36). Die prinzipielle Trennung in sogenannte Okkultsünden und andere Sünden habe ich in der Bibel nicht nachvollziehen können. Sie kann leicht zu Vereinseitigungen führen. Damit will ich okkulte Praktiken nicht verharmlosen: Die direkte Inanspruchnahme dämonischer Kräfte - ob bewußt oder unbewußt - hat sicherlich schwerwiegende Folgen für den ganzen Menschen..
In der Frage, wie man frei wird von dämonischen Einflüssen, betont Margies die Bedeutung der Buße. Dieser Tatbestand ist deutlich wiederzufinden in der Bibel (z.B. 2. Tim. 2,25- 26). Andererseits spielen in seinen Vorstellungen von Seelsorge Dämonenaustreibungen eine wichtige Rolle. Dabei stellt sich die Frage: Welche Bibelstelle legitimiert uns dazu, Dämonenaustreibungen zu praktizieren? Ich habe bislang weder in der Bibel noch in den verschiedenen Büchern über Seelsorge eine überzeugende Begründung dafür gefunden. Margies spricht in dem Zusammenhang von "Binden" und "Lösen" in Anlehnung an Matth. 18,18: "Was irgend ihr auf der Erde binden werdet, wird im Himmel gebunden sein, und was irgend ihr auf der Erde lösen werdet, wird im Himmel gelöst sein." Jedoch bezieht sich weder diese Bibelstelle noch die in Matth. 16,19 auf Dämonenaustreibungen. In Matth. 18,18 geht es um die Autorität der Versammlung des lebendigen Gottes in der Gemeindezucht. Daraus eine Lehre über Dämonenaustreibung zu konstruieren, ist eine krasse Verbiegung des Textes. Weiterhin nehmen Margies und mit ihm viele andere die Dämonenaustreibungen des Herrn Jesus und der Jünger, die in den Evangelien und in der Apostelgeschichte berichtet werden, als Legitimation für die eigene Praxis. Auch das scheint mir sehr problematisch zu sein: In Mark. 16,17 nennt der Herr die Austreibung der Dämonen in seinem Namen unter den Zeichen. Jedes Mal, wenn in der Apostelgeschichte von Dämonenaustreibungen berichtet wird, werden sie ausdrücklich als Zeichen
und Wunder charakterisiert (Siehe Apg. 5,12 u. 16,8, 6 u. 7, 19,11 u. 12). Eine Ausnahme bildet Apg. 16,16ff., wo Paulus den Pythons-Geist von der Magd austreibt. Auch dort hat die Handlung jedoch ganz deutlich den Charakter eines Zeichens. Wenn nun das Wirken göttlicher Zeichen und Wunder durch Menschen ein Kennzeichen des Beginns einer neuen Heilsperiode ist, wofür es in der Bibel eine Reihe von Hinweisen gibt (siehe dazu die Artikelserie von Benedikt Peters über 'Die Bedeutung der Zeichen und Wunder in der Bibel' in 'FeSt und treu'), dann müssen wir - gelinde gesagt - sehr vorsichtig sein, der Dämonenaustreibung in unserer Zeit, die ja das Ende einer Heilsperiode ist, eine Rolle beizumessen. Wie wird man auf eine biblische Weise frei von dämonischen Bindungen und okkulten Sünden? Einige Grundsätze, die ich dazu in der Bibel gefunden habe:
- Paulus wurde von dem Herrn zu dem Volk Israel und zu den Nationen gesandt, "ihre Augen aufzutun, daß sie sich bekehren von der Finsternis zum Licht und der Gewalt des Satans zu Gott . .
" (Apg. 26,18).
- Timotheus sollte solche, die von dem Teufel gefangen waren, mit Sanftmut zurechtweisen, "ob Gott ihnen nicht etwa Buße gebe zur Erkenntnis der Wahrheit, daß sie wieder nüchtern werden aus den Fallstricken des Teufels, die von ihm gefangen sind für seinen Willen" (2. Tim. 2,25 u. 26).
- "Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von jeder Ungerechtigkeit" (2. Joh. 7,9).
3. Krankenheilungen Margies meint: "Gott haßt Krankheit und will Heilung. Krankheit ist kein primäres Erziehungsmittel Gottes. Es ist mit der Liebe Gottes nicht vereinbar; Krankheit wird von Gott nicht bejaht" (Bd. 2, S. 75). Er schlußfolgert, daß wir demnach "körperliche Gesundheit beanspruchen können" (Bd. 2, S. 77). Wohl ist es richtig, daß der Herr Jesus das Lamm geworden ist, "welches die Sünde der Welt wegnimmt" (Joh. 1,29). Am Kreuz hat er die Grundlage dafür geschaffen, daß einmal der gesamte Kosmos von der Sünde und ihren Folgen (z.B. Krankheit, Tod) frei wird. Diese Zeit ist allerdings noch zukünftig. Noch ist die Schöpfung der Nichtigkeit (Hinfälligkeit) und der Knechtschaft der Vergänglichkeit unterworfen (Röm. 8,20 u. 21). "... auch wir selbst, die wir die Erstlinge des Geistes haben, auch wir selbst seufzen in uns selbst, erwartend die Sohnschaft: die Erlösung des Leibes" (Röm. 8,23). Unser Leib ist also Bestandteil dieser Schöpfung und damit noch der Nichtigkeit einschließlich Krankheit und Tod unterworfen. Die Erlösung unseres Leibes ist zukünftig. (Ausführlicher dazu siehe Heijkoop; Gebetsheilungen, Zungenreden und Wunder im Lichte der Schrift, S. 38-44.) An manchen anderen fragwürdigen Punkten ließen sich ebenfalls ungesunde Tendenzen der Lehren Margies aufzeigen: Das "nicht lauthafte Sprachen-gebet" (?) als Therapeutikum (Bd. 2, S. 26), die
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