Zeitschrift-Artikel: Donald Carson - Ach, Herr, wie lange noch Gedanken über das Leiden und andere Nöte

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Titel: Donald Carson - Ach, Herr, wie lange noch Gedanken über das Leiden und andere Nöte
Typ: Buchbesprechung
Autor: Christoph Grunwald
Autor (Anmerkung):

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Titel

Donald Carson - Ach, Herr, wie lange noch Gedanken über das Leiden und andere Nöte

Vortext

Text

„Ach, Herr, wie lange noch“ – der verzweifelte Ruf des leidenden Psalmisten (Ps 6,4) – ist nicht die einzige Frage, die im Kontext von Leiden und anderen Nöten an Gott gestellt wird. Wenige Dinge wühlen uns so sehr auf und nagen mehr an unserem Glauben und Gottesbild wie Schicksalsschläge, Kriege und Katastrophen. Wie begegnen wir dieser Herausforderung als Christ? Wie denken wir darüber? Darum geht es Prof. Carson in diesem schon fast dreißig Jahre alten Buch.

Wer seelsorgerliche Ermutigung für akutes Leid oder Hilfestellungen im Umgang mit Leidenden sucht, greift besser zu einer der zahlreichen Alternativen auf dem Buchmarkt. Wer aber über das „Leid in seiner Vielschichtigkeit nachdenken“ will und Lösungsansätze zu schwierigen Fragen sucht, der wird wohl kaum ein besseres Buch finden.

Beunruhigt von der Beobachtung, dass der Glaube vieler Christen durch falsche Denkannahmen im Leiden zu wanken beginnt, versucht Carson „vorbeugend“ aktiv zu werden und will zu „Denkgewohnheiten verhelfen … die sich als so stark erweisen, dass [der Christ] durch quälende Fragen weniger ins Wanken gerät und mehr Glauben, Freude und Hoffnung verspürt.“ Auch wenn der Autor zurückhaltend und demütig nur Lösungsansätze verspricht, sind diese „Ansätze“, die er zu verschiedenen Fragen weitergibt, deutlich ausgereifter und durchdachter als Vieles, was uns sonst an „Antworten“ vermittelt wird.

Wenn Carson sich z.B. über das Thema „Armut“ äußert, differenziert er zunächst einmal zwischen sechs verschiedenen Arten von Armut, die zu unterschiedlichen Reaktionen führen müssen! Wenn er über Krieg schreibt, dann hält er erst einmal emotionslos fest, dass „nirgendwo im Alten Testament theoretische Überlegungen darüber angestellt werden, warum es in dieser Welt Kriege gibt. Es wird davon ausgegangen, dass Kriege unter bestimmten Umständen ein geeignetes Mittel sind, Streitigkeiten auszutragen.“ Wie denken wir also als Christen biblisch fundiert z.B. über die Befehle Gottes an Israel, ganze Völker auszurotten?

Es mag makaber klingen – aber dieses Buch ist ein Genuss! Nur selten findet man so klar vermitteltes, tiefschürfendes Denken, differenzierte Einsichten und eine profunde Gesamtschau auf das Wort Gottes. Dabei macht Carson in einem warmen und verständnisvoll gehaltenen Schreibstil auch immer wieder deutlich, wie weit unser Wissen gehen kann und wo Fragen einfach offen bleiben müssen: „Ein Glaube, der aus lauter Gewissheiten besteht, macht überheblich, starr und unbeugsam … Umgekehrt gilt aber auch: Besteht unser Glaube nur noch aus Geheimnissen, dann haben wir keine feste, verbindliche Botschaft mehr.“

Neben den schon angesprochenen Themen Armut und Krieg behandelt Carson weitere „Puzzleteile“ des Leides wie Naturkatastrophen, Krankheit und Tod, den Zusammenhang zwischen Mysterium und Glaube (bei Hiob – genial!) und versucht im letzten Teil des Buches einen Blick auf das Gesamtbild zu werfen, indem er über den leidenden Gott auf die Vorsehung zu sprechen kommt. Selten habe ich eine so klare und wohltuend ausgewogene Darstellung der Souveränität Gottes und der Verantwortung des Menschen gelesen! Ein nicht mehr ganz aktueller Anhang mit Gedanken über Aids rundet das Buch ab.

 

Schade ist, dass Carson keine klarere Haltung zu charismatischen „Heilungsdiensten“ einnimmt und – aus meiner Sicht – zu wohlwollend damit umgeht. Der an dieser Thematik interessierte Leser sollte besser auf „Fremdes Feuer“ von John  MacArthur zurückgreifen. Ansonsten sei allen, die sich mit Fragen rund um das Thema Leid beschäftigen ohne aktuell betroffen zu sein, dieses Buch herzlich empfohlen. Leider mutet Carson schon im ersten Kapitel dem normalen Leser etwas zu viel formelle Logik zu, aber das ist die einzige Klippe dieses sonst sehr gut lesbaren und gewinnbringenden Buches. 

Nachtext

Quellenangaben

ESRAS.net, Pb., 265 S., € 5,90