Zeitschrift-Artikel: Traurig aber wahr

Zeitschrift: 41 (zur Zeitschrift)
Titel: Traurig aber wahr
Typ: Artikel
Autor: Alois Wagner
Autor (Anmerkung):

online gelesen: 1823

Titel

Traurig aber wahr

Vortext

Text

 

Daß der Mensch a Kretzn is
hinterlistig, feig und mies

daß der beste Freund di linkt
daß es, wo man hinriacht, stinkt

daß a Frau nur frei sein kann
wann's ned abhängt von an Man
daß a Kind betrogn wird
dadurch daß's erzogn wird
daß da Starke n'Schwachn schluckt
und die Faust die Hand zerdruckt
traurig aber wahr.

Daß die Ungerechtigkeit
täglich mehr zum Himmel schreit
daß a so ned weitergeht
aber wie, des wissma ned
daß si d'an in Magn verderbn
und die andern Hungers sterben
daß die Grausamkeit regiert
und daß's immer schlimmer wird
daß die Wöd im Dreck darstickt
und daß des nur an uns liegt
traurig aber wahr.

Daß der Mensch gern guat sei möcht
hilfreich, edel und gerecht
daß in ihm a Engel steckt
und er nur den Teufel weckt
daß er a Gewissen hat
des ihm nie des Falsche rat
daß er aber drüber lacht
und erst recht des Falsche macht
und daß i tiaf in mir drin
söwa so ein . . . . . . bin
traurig aber wahr.

Traurig, aber wahr - und jeder von uns könnte sofort ei­ne lange Liste mit ähnlichen Klagen anfügen: Einsam­keit in Betonsilos und Altersheimen, Isolation des Einzel­nen, 'skrupellose Folterungen, Drogenprobleme und stei­gende Selbstmordraten - aber wem ist damit geholfen?

Schließlich ist es ja Mode geworden, alle möglichen Druckerzeugnisse von Parteiprogrammen bis hin zu reli­giösen Flugschriften mit solch düsteren Sätzen einzulei­ten, um dann die Katze aus dem Sack zu lassen: "Wählt Genossen X", "Kommt zur Kirche Y", "Glaubt an Messias Z" . . . Und wenn kein solch überraschendes Allheil­mittel angeboten wird, endet das Ganze meist mit ei­nem nichtssagenden verbalen Schulterzucken.

Doch wir wissen ja, wie wir zu reagieren haben: Erste­rem mißtrauen wir vernünftigerweise ohnehin, und Letz­teres findet bei uns ein eher wohlig-wehmütiges Echo, denn schließlich lieben wir es, unsere Ängste und unser Leid gelegentlich ein wenig zu kultivieren. Das Ganze nennen wir dann den Blues. Und es ist für uns eine nicht ganz unwillkommene Beschäftigung, an unserer In­nenwelt herumzupsychologisieren und an unserer Außen­welt herumzupolitisieren - Hauptsache, wir können uns in dem Glauben wiegen, mit dem Gerede von der Angst die Angst selbst ein wenig vertrieben zu haben.

Bei der Formulierung unserer Ängste helfen uns Leute wie Georg Danzer, von dem sein Freund und Produzent Gerhard Kämpfe sagt:

"Er tritt den Leuten als ein Mensch gegenüber, der nicht weiß, sondern sucht. Er predigt nicht, erklärt nichts definitiv, sondern er führt emotional vor, daß es für ihn wichtig ist, jeden Tag aufs neue zu suchen. Er formuliert ein Unwohlsein, das andere auch empfinden, nur bis dahin noch nicht für sich ausgesprochen haben".

"Er formuliert ein Unwohlsein" - nun, jetzt wissen wir also auf Papier, Platte und Tonband um unsere Leiden, haben sie quasi "veröffentlicht" und brauchen sie nicht Mehr zu verbergen - aber hat es uns auch nur einen Schritt weitergebracht, die nebelhaften Formulierungen anderer (nicht nur Georg Danzers) über den "Krebs unse­rer Seele" anhören zu dürfen? Sicher, wir sind von fal­schen Gurus genügend getäuscht worden, und definitive Aussagen kommen uns deshalb von vornherein verdäch­tig vor. Und es wäre wohl auch ein wenig kurzsichtig, von einem Musiker, oder wem auch immer, ein Instant­rezept für unsere Miseren zu erwarten.

"Und alle erwarten von dir, daß du erstens einmal das Rezept hast für i h r Leben, und zweitens, daß du Leben so lebst, wie sie sich das vorstellen", sagt Georg Danzer.

Aber das bloße "emotionelle Vorführen" der Notwendig­keit ständiger Suche muß selbst den anspruchlosesten Traumtänzer eines Tages unbefriedigt lassen. Klar, es geht Danzer um mehr als nur das Spinnen von wehmü­tig-süßlichen Alptäumen über Schmerz und Unrecht:

"Habts ihr a jetzt grad den Schra ghört oder merkt's, daß i des bin
aber niemand kann mi schrein hörn weu der Schrei steckt in mir drin.
Irgendwas in mir hat damals gschrian irgendwas in mir war am Krepiern irgendwas hat gschrian.
Irgendwas in mir wird immer schrein irgendwas wird nie zufrieden sein irgendwas muaß schrein".

Die Not, die solch eine Energie freisetzt, ist tatsächlich und existentiell. Dieser Schrei ist weit mehr als melan­cholisches Selbstmitleid, aber andererseits "steckt der Schrei in mir drin": die unsagbaren, undefinierbaren Äng­ste können keine konkreten Formen annehmen. Dement­sprechend undefiniert sind auch die Lösungsvorstellun­gen, wie z.B. in "Morgenrot", wo Stück für Stück ein neues Paradies aufgebaut werden soll:

"Kinder, das sind ja schon ganz schön viele,

die da warten auf das Morgenrot ?

jeden Tag ein paar mehr und die Plastiksonne ist tot.

Du träumst vom verlornen Paradies ?

doch es führt kein Weg dorthin zurück,

drum verlaß dich drauf,

wir bau'n ein neues auf - Stück für Stück".

Georg Danzer hat es in seinem Lied sehr pointiert aus­gedrückt: "Daß der Mensch gern guat sei möcht, hilf­reich, edel und gerecht, daß in ihm a Engel steckt" -das haben wir gesehen in den großartigen Idealen der Religionen - aber leider "er nur den Teufel weckt". Einerseits: "Daß er a Gewissen hat, des ihm nie des Fal­sche rat" - aber andererseits: "Daß er aber drüber lacht, und erst recht des Falsche macht". Und die nie­derschmetterndste Entdeckung ist dann die, "daß i tiaf in mir drin" genau der Gleiche bin, der das Gute zwar genau kennt und schön darüber zu reden versteht, der aber doch unfähig ist, seine Ideale auch nur ein klein wenig in die Praxis umzusetzen, denn, wie schon gesagt, "leben heißt t u n". Traurig, aber wahr .. .

Auch dem Neuen Testament ist dieser Realismus nicht fremd: dort quält sich der Apostel mit der Erkenntnis: "Denn nicht was ich will, das tue ich, sondern was ich hasse, das übe ich aus. Denn ich weiß, daß in mir, das ist in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt; denn das Wol­len ist bei mir vorhanden, aber das Vollbringen dessen, was recht ist, finde ich nicht. Denn das Gute, das ich will, übe ich nicht aus, sondern das Böse, das ich nicht will, dieses tue ich". Seine Überlegungen gipfeln in dem verzweifelten Ausruf: "Ich elender Mensch! Wer wird mich retten von diesem Leib des Todes?"

Vielen von uns ist das sicher aus dem Herzen gespro­chen, einfach, weil es weit entfernt ist von religiöser Augenwischerei, weil es den traurigen, aber wahren .Tat­sachen ehrlich ins Gesicht sieht. Denn nur so kann eine Lösung - falls es überhaupt eine gibt - gefunden wer­den. Eine Lösung aber, das merken wir deutlich, die dem Problem unseres eigenen Herzens mit seinem Hang zum Bösen, dem Problem unseres Ich mit seiner scham­losen Selbstsucht Rechnung tragen muß.

Und hier, glauben wir, geht das Neue Testament weit über die Vorstellungen aller Religionen und Philosophien hinaus. Sicher, wir haben auch Gemeinsamkeiten gese­hen, nämlich, daß der Mensch gut und gerecht leben sollte. Aber wo andere Vorstellungen sich mit Vorschrif­ten und' (an sich richtigen) Lebensregeln begnügen, da geht das Neue Testament viel tiefer und versucht, die Ursache und Wurzel für diese tragische Unfähigkeit freizulegen.

Wir haben das am Beispiel des Paulus und seinem scho­nungslos konsequenten Nachdenken über sich selbst gese­hen. Und seine Ehrlichkeit bleibt nicht ohne Resultat. Auf seine verzweifelte Frage: "Ich elender Mensch! Wer wird mich retten von diesem Leib des Todes?" findet er nämlich die befreiende Antwort: "Ich danke Gott, durch Jesus Christus, unseren Herrn!" Ist das nun eine Einbil­dung, eine Utopie? Nein, so einfach macht es sich der Realist Paulus nicht.

Er spricht nicht von einem Buch-Christus, einem Sonn­tagmorgen-Christus zwischen Kerzenschimmer und Weih­rauchduft, einem theoretischen Christus der Theologen und Kirchen, der aus der harten Wirklichkeit des Alltags herausgehalten werden muß.

Solche Worte sind eben nicht viel mehr als eine Leerfor­mel, poetischer vielleicht als ein Parteiprogramm, aber eben doch nur Worte. Danzer selbst sagt:

"Es ist nicht wichtig, was die Menschen reden. Wichtig ist nur, was sie tun. Du kannst dich kaum auf das ver­lassen, was so versprochen und gequatscht wird. Die Ta­ten sehen meist anders aus. Die Taten, beziehungsweise die Untaten bestimmen unser Leben. Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, leben heißt tun".

Und, ganz knapp formuliert, genau darum geht es:

Das Traurige, aber Wahre, an den wissenschaftlichen und religiösen Weltverbesserungstheorien, die heute an­geboten und propagiert werden, ist eben dies, daß sie in der Theorie, im Labor und im Hörsaal und in der ge­schützten Klosterzelle wunderbar funktionieren, aber den harten Tests der Praxis leider nicht standhalten.

Alle Religionen haben Konzepte entworfen, die der Welt zu Gerechtigkeit und dem Einzelnen zu Glück verhelfen sollen.

Da ist Buddha, der lehrte, das Leiden des Lebens höre auf nach der Vernichtung aller Begierden, wenn dann an deren Stelle der "Pfad" rechten Wollens, Redens, Lebens und Sich-Versenkens trete.

Da ist Mohammed, der meinte, das Glück des Menschen bestehe in der "Ergebung" (= "Islam") in den von vorn­herein festgesetzten unwandelbaren Willen Allahs.

Da ist Lao-dse, der Begründer des Taoismus, der in sei­nem Dao-de-djing die Utopie von der Rückkehr zum na­türlichen Urzustand der Menschheit entworfen hat.

Da ist Kung-fu-dse, der Stifter des Konfuzianismus, der in seiner hauptsächlich, ethisch-philosophischen Lehre den Weg zum Glück des Einzelnen und der Allgemein­heit dahingehend beschrieb, daß jeder seinen festen Platz in der Gesellschaft und ihren Teilbereichen mit al­len sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten einzu­nehmen hat.

Und da ist schließlich in unserem Kulturbereich das Christentum, das im Alten wie im Neuen Testament klarmacht: "Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben, aus deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft und mit deinem ganzen Verstand, und deinen Nächsten wie dich selbst".

Fast alle diese Konzepte und Lebensentwürfe sind an sich nicht schlecht, und kaum jemand zweifelt an ihrer prinzipiellen Richtigkeit - doch das Traurige, aber Wah­re dabei ist, daß es den Menschen noch nicht gibt, der diese Prinzipien erfüllen könnte.

Der Christus, den Paulus kennt, ist vielmehr in sein Le­ben mit der Wucht völliger Wirklichkeit, mit dem strah­lenden Licht absoluter Wahrheit eingedrungen, als Er ihn vor Damaskus zu Boden, warf. Paulus wußte, von wem er ‚sprach. Dieser Christus hat keine Vorlesungen gehalten, hat keine Seminare über Gruppentherapie und Persönlichkeitsveränderung veranstaltet. Nein, Er .hat nicht nur g e l e h r t. Das haben Buddha und Moham­med, Lao-dse und Kung-fu-dse auch getan - aber "leben heißt t u n". Und das Entscheidende am Neuen Testa­ment sind nicht die L ehre n, so gut und richtig sie auch sind, nein, das Entscheidende ist eine T a t, ein­malig und unwiederholbar in der Geschichte des Univer­sums, nämlich der Tod und die Auferstehung Jesu Chri­sti.

Damit war nämlich eine Grundlage gelegt, uns von dem Bösen i n uns zu befreien. Dort finden sich die Ant­worten auf die verzweifelten Fragen des Paulus: in dem Tod und dem Auferstehungsleben des Herrn Jesus Chri­stus. Darum kann Paulus nach "Ich elender Mensch! Wer wird mich retten von diesem Leib des Todes?" wenig später ausrufen: "Das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus hat mich freigemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes", freigemacht nämlich von dem Gesetz der Sünde, ständig das Böse tun zu müssen, und freigemacht von dem Gesetz des Todes, das Gute nicht tun zu können.

Christus selber hat gesagt: "Kommet her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen, und i c h werde euch Ruhe geben". Nur bei Ihm finden wir wirkliche Ruhe und Frieden. Keine "Ruhe" des Grabes, keinen "Frie­den", wo sich Furcht und Haß gerade noch die Waage halten. Einen Frieden vielmehr, der aus der Befreiung von unserem krankhaften Hang zu Bosheit und Gemein­heit und unserer fast unausrottbaren Selbstsucht, der aus der Vergebung aller unserer Schuldenlasten hervor­kommt.

Wir hoffen, Du hast gemerkt, daß wir hier keine neue religiöse Theorie aufstellen wollen, sondern einfach von dem schreiben möchten, was wir selbst erfahren haben. Auf unsere verzweifelten Fragen konnte uns niemand ei­ne befriedigende Antwort geben, bis wir mit unserer Schuld zu Dem gegangen sind, Der am Kreuz für unsere Sünden gestorben ist. Zu Dem, Der nicht nur von Liebe

 

erzählt hat wie so viele andere, sondern, Der sie auch handfest bewiesen hat, indem Er für uns in den Tod ge­gegangen ist.

Bitte glaub uns, wir möchten Dich nicht für irgendeine religiöse Gruppe , vereinnahmen, darum geht es uns in keiner Weise. Wir wollen.Dir nur kurz erklären, wie wir eine Antwort auf das drückende und schwere "Traurig, aber wahr" unseres Lebens gefunden haben - nicht in ei­ner Organisation, einem Lehrsystem oder einer Philo­sophie, sondern in der persönlichen Beziehung zu einer lebendigen Person, dem Herrn Jesus Christus.

Und eine persönliche Bitte noch zum Schluß: geh bitte nicht leichtfertig über diese Fragen hinweg. Eines Tages mußt Du Dich für Dein Leben verantworten und die Schuld, die Du Dir aufgeladen hast. Und sag dann bitte nicht, Du hättest keine Antwort auf die Frage gewußt: "Wo ist denn hier der Notausgang?"

"Die Nacht kommt auf roten Flügeln

und nur ein Flugzeug blinkt

und ich denke mir: na wenn das hier das Leben ist dann hat man uns ganz schön gelinkt

aber niemand ist zuständig, niemand hat Schuld wir sind halt alle nur ein wenig krank

sei so gut, zeig mir den Weg, wenn Du kannst! Wo ist denn hier der Notausgang?

Wo ist denn hier der Notausgang?"

Georg Danzer

"ICH BIN DER WEG, DIE WAHRHEIT UND DAS LEBEN. NIEMAND KOMMT ZUM VATER ALS NUR DURCH MICH."

JESUS CHRISTUS

 

 

P.S.: Die Aussagen von Georg Danzer sind aus seinem Buch "Die gnädige Frau und das rote Reptil", Mün­chen 1982.

Nachtext

Quellenangaben