Zeitschrift-Artikel: Ein Wort über Menschenlob

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Titel: Ein Wort über Menschenlob
Typ: Artikel
Autor: J.N. Darby
Autor (Anmerkung):

online gelesen: 1475

Titel

Ein Wort über Menschenlob

Vortext

Text

(Ein Bruder hatte die Übersetzung einer Schrift herausgegeben und im Vorwort J. N. Darby gelobt als »einen, der in der christlichen Laufbahn am weitesten vorgerückt und ein hervorragender Knecht Gottes ist«.

Als Darby diese Zeilen zu lesen bekam, schrieb er dem Herausgeber die folgenden Gedanken, die für uns alle sehr wichtig und beherzigenswert sind.)

Mein lieber Freund und Bruder in Christo!

Es hat mich sehr gefreut, Ihre Übersetzung von . .. zu sehen, und ich behalte mir das Vergnügen, sie zu lesen oder vielmehr sie mir vorlesen zu lassen, für Augen­blicke vor, wo der Herr zu uns sagt, wie einst zu Seinen Jüngern: "Kommet her besonders und ruhet ein wenig aus".

Ich kann aber nicht umhin, Ihnen zu sagen, lieber Bru­der, daß meine Freude an dem Erscheinen Ihrer Arbeit einigermaßen herabgestimmt worden ist durch die viel zu günstige Meinung, welche Sie in Ihrem Vorwort be­treffs meiner äußern. Bevor ich ein Wort von Ihrer Übersetzung gelesen hatte, schenkte ich ein Exemplar derselben einem sehr lieben und aufrichtigen Freunde von mir, der mir dann berichtete, daß Sie in Ihrem Vor­wort viel Aufhebens von meiner Frömmigkeit gemacht hätten. Als ich die Stelle daraufhin las, machte sie den gleichen Eindruck auf mich wie auf meinen Freund. Ich hoffe daher, daß Sie das, was ich Ihnen über diesen Ge­genstand sagen möchte und was das Ergebnis einer lan­gen Erfahrung ist, nicht übelnehmen werden.

Hochmut ist das größte all der Übel, welche beständig auf uns lauern. Von allen unseren Feinden ist er der zäh­ste, der, welcher am langsamsten stirbt. Selbst die Kinder der Welt sind fähig, das zu unterscheiden. Frau von Stael sagte auf ihrem Sterbebett: "Wißt Ihr, was Menschen am letzten stirbt? Es ist die Selbstliebe."

 

Denn er allein ist würdig, gepriesen, verehrt und angebetet zu werden. Seine Güte können wir nie genug erheben. Der Lobgesang der Erlösten (Off b. 5) preist nie­mand als Ihn, Der sie mit Seinem Blute erkauft hat. Er enthält auch nicht ein Wort des Lobes für einen einzi­gen aus ihrer Zahl, auch nicht ein Wort, welches sie als hervorragend oder nicht hervorragend bezeichnete. Alle Unterschiede verschwinden in ihrem gemeinsamen Na­men: "E r löste ", welcher das Glück und die Herr­lichkeit der ganzen großen Menge ausmacht.

 

Gott haßt den Hochmut vor allem anderen, weil er dem Menschen den Platz gibt, welcher Ihm gehört, Ihm, der allein erhaben ist über alles. Hochmut verhindert die Gemeinschaft mit Gott und zieht Sein Gericht nach sich; denn Gott widersteht dem Hochmütigen. Er wird den Namen des Hochmütigen ausrotten, und es wird uns gesagt, daß Er einen Tag bestimmt hat, an welchem "der Hochmut des Menschen gebeugt und die Hoffart  des Mannes erniedrigt werden wird" (ges. 2,17).

Sie werden daher sicher fühlen, lieber Freund, daß ein Mensch dem anderen keinen größeren Schaden zufügen kann, als wenn er ihn lobt und seinen Hochmut nährt.

"Ein Mann, der seinem Nächsten schmeichelt, breitet  ein Netz aus vor seine Tritte" (Spr. 29,5) und "ein glat­ter Mund bereitet Sturz" (Spr. 26,28).

Überdies sind wir auch viel zu kurzsichtig, um den Grad der Frömmigkeit unseres Bruders beurteilen zu können; wir sind nicht imstande, richtig zu urteilen ohne die Waage des Heiligtums, und diese befindet sich in der Hand Dessen, Der die Herzen erforscht.

"So urteilet nicht etwas vor der Zeit, bis der Herr  kommt, welcher auch das Verborgene der Finsternis ans  Licht bringen und die Ratschläge der Herzen offenbaren  wird; und dann wird einem jeden sein Lob

werden von

Gott" (1. Kor. 4,5).

Lassen Sie uns denn bis dahin nicht anders als mit gebührender Mäßigung über unsere Brüder urteilen, sei es in Bezug auf Gutes oder Böses, und denken wir daran, daß das sicherste und beste Urteil dasjenige ist, welches wir über uns selbst abgeben, wenn wir andere höher achten als uns selbst.

Wenn ich Sie fragen würde, wie Sie dazu kommen, von mir zu sagen, ich sei "einer der in der christlichen Lauf­bahn am weitesten Vorgerückten und ein hervorragender Knecht Gottes", so würden Sie sicher um die Antwort sehr verlegen sein. Sie würden vielleicht meine veröf­fentlichten Werke anführen. Aber wissen Sie denn nicht, mein lieber Freund und Bruder, der Sie ebenso gut wie ich einen erbaulichen Vortrag halten können, daß das Auge weiter sieht, als die Füße gehen, und daß wir lei­der nicht immer, noch in allen Dingen, das sind, was un­sere Vorträge ausdrücken, daß wir "diesen Schatz in ir­denen Gefäßen haben, auf daß die Uberschwenglichkeit  der Kraft sei Gottes und nicht aus uns"? (2. Kor. 4,7).

Ich will Ihnen nicht die Meinung mitteilen, die ich von mir selbst habe; denn ich würde dabei wahrscheinlich die ganze Zeit meine eigene Ehre suchen, und während ich meine Ehre suche, demütig erscheinen, was ich nicht bin. Ich möchte Ihnen lieber sagen, was unser Herr von mir denkt, Er, Der das Herz erforscht und die Wahrheit spricht, welcher ist der Amen, der treue Zeu­ge, und Der oft im Innersten meiner Seele zu mir gere­det hat, wofür ich Ihm danke.

Glauben Sie mir, Er hat mir nie gesagt, ich sei "ein her­vorragender Christ und vorgerückt in den Wegen der Gottseligkeit". Im Gegenteil, Er sagt mir sehr deutlich, daß ich, wenn ich meinen Platz verstünde, finden wür­de, daß es der des vornehmsten Sünders und des gering­sten aller Heiligen ist. Und, nicht wahr, mein lieber Freund? Sein Urteil sollte ich doch sicher eher anneh­men als das Ihrige.

Der hervorragenste Christ ist vielleicht einer, von dem man nie hat sprechen hören, irgend ein armer Arbeiter oder Knecht, dessen Ein und Alles Christus ist, und der alles für Sein Auge und nur für Sein Auge tut.

Trachten wir danach, unsere Herzen in Einklang zu bringen mit diesem Lobgesang, in welchen wir alle einst einzustimmen hoffen. Das wird unsere Glückseligkeit sein schon hier auf Erden, und es wird zu Gottes Ver­herrlichung beitragen, welcher Eintrag geschieht durch das Lob, das Christen nur zu oft einander zollen. Wir können nicht einen zwiefachen Mund haben, einen zur Verherrlichung Gottes und einen anderen zur Verherrli­chung des Menschen. Mögen wir uns denn das Tun der Seraphim droben zum Muster nehmen, welche mit zwei Flügeln ihre Angesichter verhüllen, als Zeichen einer ge­wissen Bestürzung in der heiligen Gegenwart des Herrn, mit zweien ihre Füße bedecken, als wollten sie ihre Schritte vor sich selbst verbergen, und mit zweien flie­gen, um den Willen des Herrn auszuführen während sie beständig rufen: "Heilig, heilig, heilig ist Jehova der  Herrscharen, die ganze Erde ist voll Seiner Herrlich­keit!" (Vergl. Jes. 6).

Verzeihen Sie diese wenigen Worte christlicher Ermah­nung. Ich bin überzeugt, daß sie Ihnen früher oder spä­ter von Nutzen sein werden, indem Sie selbst die Erfah­rung der Wahrheit derselben machen werden.

Gedenken Sie meiner in Ihren Gebeten, wie auch ich be­te, daß der Segen des Herrn auf Ihnen und Ihrer Arbeit ruhen möge. Wenn Sie je eine neue Auflage der fragli­chen Schrift herausgeben sollten, was, wie ich hoffe, der Fall sein wird, so lassen sie, bitte, die zwei Stellen aus, auf welche ich Sie aufmerksam gemacht habe, und nennen Sie mich einfach "einen Bruder und Diener im Herrn". Das ist Ehre genug und bedarf keiner weiteren Beifügung…

 

 

 

Nachtext

Quellenangaben