Zeitschrift-Artikel: Bücher durch die ich gesegnet wurde (Fortsetzung)

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Titel: Bücher durch die ich gesegnet wurde (Fortsetzung)
Typ: Artikel
Autor: Alois Wagner
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Titel

Bücher durch die ich gesegnet wurde (Fortsetzung)

Vortext

Text

Nachdem ich mich in Mexiko bekehrt hatte, brachte ich neun Bücher von Watchman Nee mit. Zwei davon haben mein Denken über die Bibel von Anfang an geprägt: „Der persönliche Auftrag des Christen“, eine Vortragssammlung über die unterschiedlichen Dienste von Petrus, Paulus und Johannes, mit tiefen Einsichten in die jeweiligen theologischen, christologischen und soteriologischen Schwerpunkte der neutestamentlichen Schreiber war für mich ein wichtiger Schlüssel für das Verständnis des NT. „Der Spiegel Gottes“, Vorträge über Abraham, Isaak und Jakob, bildete in meinem Fall das entsprechende Gegenstück zum AT und führte mich darüber hinaus in den reichen Schatz der Vorbilder und Gegenbilder der Schrift ein. Dieses kleine Buch (in meiner spanischen Ausgabe gerade mal 126 Seiten) war für mich das, was für viele Christen die Kommentare zu den 5 Büchern Moses von C.H.Mackintosh sind (die ich überaus schätze, aber erst später kennenlernte). Auch wenn man Watchman Nees Schriften gelegentlich einen Hang zum Spekulativen abspürt, so ist sein segensreicher Einfl uss auf die Christen in China und in der ganzen Welt auch nicht annähernd zu ermessen. Gott benutzte ihn vor allem zur Rückbesinnung auf die Prinzipien des NT in allen Glaubens- und Lebensfragen. So schreibt ein Lexikon: „Nee hat sich – zusammen mit anderen – um die Unabhängigkeit der chinesischen Gemeinden von westlichen Missionen verdient gemacht. Ein wichtiges Kennzeichen ist die Ausrichtung auf das Neue Testament: Er fragte nach dem Ursprünglichen des Glaubens. Die Entdeckung der Hauskirche und der einen Gemeinde an einem Ort sowie die lebendige geistliche Atmosphäre der Bewegung faszinierte viele Chinesen. Das Geheimnis von Nees großer Wirkung liegt sicher auch in der einfachen und doch tiefgegründeten Vermittlung des Evangeliums, in der hohen Übereinstimmung von Wort und Verhalten, seinem Humor sowie in seiner absoluten Demut. Sich ganz von Gott abhängig zu machen, war sein Ziel. Dadurch konnte er – neben vielen anderen chinesischen Christen – schließlich auch das Martyrium annehmen.“ Nees Leidenschaft für die Ortsgemeinde zeitigte keine provinzielle Enge. Er betonte: „Wir brauchen ein weites Herz, das alle Kinder Gottes einschließt, sonst werden wir dieses Brot (beim Mahl des Herrn) unwürdig essen.“ Seine erstaunliche Weite wurde bei einer Konferenz in Keswick im Jahr 1938 während des chinesisch-japanischen Krieges deutlich, als Watchman Nee zusammen mit einem japanischen (!) Christen auf der Bühne stand: „Der Herr regiert. Das bekennen wir kühn. Darum beten wir nicht für China, und wir beten nicht für Japan, sondern wir beten für die Interessen deines Sohnes in China und Japan.“

Die Lehre der Bibel

Ein ganz wichtiger Begleiter zum motivierten Lesen und Verstehen bei meinen ersten Durchgängen durch die Bibel war für mich „Bibellesen leicht gemacht“ von H.C.Mears (heute noch erhältlich). Ohne diesen einfachen Kommentar zu jedem Bibelabschnitt hätte ich wohl noch lange Zeit um schwierigere Teile wie Chronologien, Zeremonien und Opfergesetze einen Bogen gemacht. Aber H.C.Mears half mir durch die leichtverständlichen und hilfreichen Erklärungen, die Bibel von Anfang an regelmäßig und fortlaufend zu lesen. Ein fast in jeder Beziehung völlig andersartiger „Bibelkommentar“ war und ist für mich J.N.Darbys „Synopsis“. Auf Darby, einen der größten Theologen des 19. Jahrhunderts und Mitbegründer der sogenannten „Brüderbewegung“, wurde ich zuerst durch Anmerkungen in den Büchern von Watchman Nee aufmerksam, der ihn öfter zitiert. Die „Synopsis of the Books of the Bible“ in (je nach Sprache) 5–8 Bänden ist eine Kategorie für sich und ohne Frage einer der besten und hilfreichsten Bibelkommentare, die je verfasst wurden. Allerdings sperrt sie sich nach einhelliger Erfahrung einer oberfl ächlichen Lektüre. Deshalb haben viele sie im Bücherschrank stehen, unterziehen sich aber nicht der Mühe, sie gründlich und (in wörtlichem Sinn!) „be-dächtig“ unter ständigem Rückbezug auf die Heilige Schrift zu studieren. Darby schreibt sogar selbst im Vorwort, dass er hoffe, dass sie als „selbständiges“ Werk – ohne ständig die Bibel zur Hand zu nehmen – gar nicht gelesen und begriffen werden könne. Dem ist tatsächlich so, aber wer die Heilige Schrift mit der „Synopsis“ – und nicht umgekehrt! – gründlich untersucht, dem leuchten in nicht für möglich gehaltener Weise unendlich mannigfaltige Schönheiten und innere Zusammenhänge der Schrift auf, vor allem aber die unsagbaren Herrlichkeiten des Sohnes Gottes, des Mittel- und Zielpunktes aller Offenbarungen der Schrift! Darby selbst sagte (und bezeugte durch sein Leben): „Der Mensch mit nur einem einzigen Lebensziel und –inhalt ist ein Mensch voller Tatkraft. Lebensziel und –inhalt des Christen ist Christus.“ Was Darby im 19. Jahrhundert war (auch wenn sein Einfl uss zurecht andauert), das ist für unsere Zeit vielleicht David W. Gooding, dem m.E. an Originalität, Frische und Tiefgründigkeit der Bibelauslegung kaum ein zeitgenössischer Autor gleichkommt. Als Beispiel für seine zahlreichen Vorträge, Schriften und Bücher greife ich seinen meisterhaften Kommentar zur Apostelgeschichte „Acts – True to the Faith“ heraus (der hoffentlich bald auch in deutscher Sprache erscheint). Wie viele andere Vorträge und Schriften des Autors entfl ammt er mir immer wieder das Herz und öffnet mir die Augen dafür, dass auf jeder Seite der Schrift im besten Sinne des Wortes „Evangelium“ – frohe, beglückende und befreiende Botschaft – enthalten ist und damit Christus, der Sohn der Liebe Gottes, hervorstrahlt.

Heiligung – Nachfolge – Gebet

Zum Thema Heiligung war es zunächst Nee: „Das normale Christenleben“ (obwohl ich es aus heutiger Sicht wegen der m.E. an manchen Stellen hervortretenden „Übergeistlichkeit“ einem jungen Gläubigen nur sehr bedingt empfehlen würde), dann aber vor allem „Training im Christentum 3“ von O. Jean Gibson, das mir den für das praktische Christenleben so wichtigen Unterschied zwischen Röm 3,21–5,11 (Rechtfertigung) und Röm 5,12–8,39 (Heiligung) deutlich machte. Gibson behandelt in seinem Trainingskurs sehr verständlich und praktikabel schwierige Themen wie Macht der Sünde, das Kreuz im Leben des Gläubigen, Prüfung und Leiden, Verletzung und Bitterkeit und vor allem das große Ziel der Heiligung und Nachfolge: Umgestaltung in das Bild Christi. Eine große Hilfe und gleichzeitig enorme Herausforderung angesichts der Tatsache, dass mein Leben immer wieder in Lauheit, Gleichgültigkeit und Mittelmaß abzugleiten droht, waren und sind dabei bis heute viele Schriften und Bücher von William MacDonald. Ganz besonders sind es gewesen: „Als Jesus in mein Haus kam“, „Denk an deine Zukunft“ (später auch „Wahre Jüngerschaft“), „Heiligung – der vergessene Befehl“ und das von allen Andachtsbüchern in meiner Familie beliebteste „Licht für den Weg“. Auch A.W.Tozers Bücher forderten und fordern mich zu ständiger Korrektur und erneuerter und vermehrter Hingabe heraus, besonders „The Pursuit of God“. Für mein Gebetsleben durfte ich neben diesen Büchern vor allem aus dem Klassiker „Die Kraft des Gebets“ von E.M.Bounds vielmals neue Kraft und Ermutigung schöpfen.

Gemeinde und Prophetie

In der Frage der Gemeinde war es ein unscheinbares kleines Buch von Watchman Nee („12 Körbe voll“, Bd. 3), das mir kurz nach meiner Bekehrung die Augen öffnete für die wichtige Wahrheit der neutestamentlichen Gemeinde und des „Allgemeinen Priestertums“. Was mich damals mit ungeheurer Wucht getroffen hat, spornt mich auch heute noch an: „Gott bekommt in der Gemeinde, was Er vom Volk Israel nicht bekommen konnte. Was bedeutet es, dass die Gemeinde das Königreich von Priestern geworden ist? Es bedeutet, dass alle, die durch die Gnade Gottes gerettet sind, nur einen Beruf haben, und das ist Gott zu dienen. Ehe jemand an Gott gläubig wird, ist er vielleicht Arzt oder Krankenschwester oder Lehrer oder Kaufmann. Nachdem jemand gerettet ist, hat er nur eine hauptsächliche Berufung – nämlich Gott zu dienen … Früher wollte man sich in seiner Berufslaufbahn auszeichnen, wollte eine hervorragende Stellung in seinem Beruf erreichen. Jetzt sind solche Ambitionen zerschmettert, und die einzige Berufung, die man für sich anerkennt, ist es, Gott zu dienen, und alle anderen Aktivitäten müssen sich diesem Ziel unterordnen … Jedes Kind Gottes ist ein Priester und bringt Gott geistliche Opfergaben und Lobpreis dar. Wenn wir heute eine Mittler-Klasse in einer Gemeinde sehen, dann handelt es sich um die Sekte der Nikolaiten … Wenn alle Kinder Gottes Ihm als Priester dienten, dann gäbe es nur Gott und Seine Kinder, die auch Seine Priester sind. Der Gedanke einer Mittler-Klasse kommt vom Fleisch, vom Götzendienst und von der Liebe zu dieser Welt. Wenn wir, jeder einzelne von uns, Gott direkt als Seine Priester dienten, gäbe es keine Mittler-Klasse mehr … Von der Zeit der Konstantinischen Wende an degenerierte die Gemeinde. Zur Zeit der Verfolgung unter den römischen Kaisern waren Tausende von Märtyrern gestorben. Da war es noch sehr schwierig, das Christsein nur vorzuspielen. Aber später wurde das Christsein populär, und Tausende kamen in die Gemeinden. Die Zahl des Volkes Gottes nahm zu, aber die Zahl derer, die Gott dienten, nahm nicht zu. Es ist vielleicht möglich, sich als Christ einfach unter die Menge zu mischen, aber es ist nicht möglich, sich als Priester unter die Menge zu mischen. So gab es also im 4. Jahrhundert eine große Veränderung. In die Gemeinde kamen Leute, die halbgläubig waren, aber weltliche Macht hatten. Sie dachten gar nicht daran, Gott zu dienen. So kam die Klasse auf, die sich um den geistlichen Dienst kümmerte. Viele in der Gemeinde sagten etwa: ‚Wir arbeiten im säkularen (weltlichen) Bereich. Ihr kümmert euch bitte um den geistlichen Dienst’. So nahmen viele nicht am Dienst für Gott teil. Im ersten Jahrhundert, zur Zeit der Apostel, diente jeder Gläubige Gott. Jetzt, im 4. Jahrhundert, sagten einige, ‚Wir gehören zum Volk Gottes, aber wir werden weiterhin in der Welt sein. Wir werden nur ein bisschen Geld beisteuern. Andere, die geistlich sind, sollen sich um den geistlichen Dienst kümmern’. Da wurde die Gemeinde wieder wie Israel nach der Anbetung des Goldenen Kalbs; ein Großteil des Volkes diente nicht mehr als Priester. Ich wünschte, alle Brüder und Schwestern könnten dies sehen … Ihr gehört zu Seinem Volk, deswegen seid ihr Seine Priester. Ich möchte, dass wirklich alle Brüder und Schwestern dankbar begreifen, dass Christen allesamt Priester sind. Erwarte nicht von anderen, dass sie dein Priester sind. Es gibt keine Mittlerklasse in unserer Mitte; du musst Gott direkt dienen … Wenn eines Tages in allen örtlichen Gemeinden alle Brüder und Schwestern Gott dienen, dann haben wir das Königreich Gottes, das Königreich von Priestern. Das ist wahrlich eine überaus herrliche Sache! Möge uns dieser Gedanke dazu bewegen, alles zu opfern und Gott treu zu sein!“ Zum Thema Gemeindeleitung und –leben war in den letzten Jahren „Biblische Ältestenschaft“ von Alexander Strauch – von W. MacDonald ca. 1995 als das „Buch des Jahrzehnts“ bezeichnet – ein äußerst wichtiger und segensreicher Beitrag. Zusammen mit umfangreichem Arbeitsmaterial und ergänzenden Schriften Strauchs (z.B. über den Dienst der Diakone, über Gastfreundschaft, wichtige Aspekte neutestamentlicher Leiterschaft, etc.) hat es sich in vielen Ländern zu einem wichtigen Werkzeug für die Wiederentdeckung und Entfaltung neutestamentlicher Gemeindeprinzipien und Leiterschafts-Strukturen entwickelt. Oft sind es kurze und knappe Predigten und Schriften, durch die Gott zu Herz und Gewissen redet, Überzeugungen formt und einen Menschen für sein ganzes Leben prägt. Natürlich kommen dann im Laufe der Zeit ausführliche systematische Werke hinzu, um unsere Prinzipien und Überzeugungen auszuformen und abzurunden. So war es auch im Fall der Heilsgeschichte und Prophetie: H.L.Heijkoops Buch „Die Zukunft“ und das im CV-Verlag erschienene „Bibelpanorama“ öffneten mir den Blick für heilsgeschichtliche Zusammenhänge, was mir beim Lesen schwierigerer Teile der Bibel eine immense Hilfe war, während breiter angelegte Literatur wie z.B. W.J.Ouweneels „Die Zukunft der Stadt des großen Königs“ die Sicht erweiterten und vertieften.

Apologetik – Philosophie – Christliches Weltbild

In diesem weiten und kontroversen Feld waren mir auf dem Gebiet „Schöpfung oder Evolution“ vor allem A.E.Wilder Smiths „Herkunft und Zukunft des Menschen“ und „Die Sintflut“ von Whitcomb und Morris eine große Hilfe, während in den Fragen der Philosophie-, Geistes-, Literaturund Kulturgeschichte die Bücher von C.S.Lewis (besonders „Pardon, ich bin Christ“ und „Die Abschaffung des Menschen“) und von Francis Schaeffer (vor allem „Gott ist keine Illusion“) sehr erhellend und prägend waren. Der große Segen, den mir Gott durch die hier erwähnten Bücher zuteil werden ließ, bedeutet nicht, dass ich alle die einzelnen expliziten und impliziten Auffassungen der Verfasser teile. Mir ist wohl bewusst, dass in der Bibliothek meines Herzens und Geistes – und das gilt sicher für jeden von uns – viele Autoren einträchtig beieinander stehen, die sich in der einen oder anderen Frage wahrscheinlich heftige Diskussionen geliefert hätten, wenn sie sich denn als Zeitgenossen tatsächlich begegnet wären. Aber ich bin sehr dankbar, dass Gott sie in Seiner souveränen Liebe zusammen mit zahllosen anderen Lebenden und schon Heimgegangenen verwendet hat und verwendet im Sinn von Eph 4,11–13 und Hebr 13,7.

Nachtext

Quellenangaben