Zeitschrift-Artikel: Dr. Eckhard J. Schnabel: Sind Evangelikale Fundamentalisten?

Zeitschrift: 70 (zur Zeitschrift)
Titel: Dr. Eckhard J. Schnabel: Sind Evangelikale Fundamentalisten?
Typ: Buchbesprechung
Autor: Ralf Müller
Autor (Anmerkung):

online gelesen: 1436

Titel

Dr. Eckhard J. Schnabel: Sind Evangelikale Fundamentalisten?

Vortext

Text

Der Begriff "Fundamentalismus" ist mit Sicherheit jedem Leser von "Fest und Treu" in der einen oder anderen Form schon einmal begegnet. Meistens wird er für eine Haltung des starren Festhaltens an überlieferten Wertvorstellungen vergangener Zeiten gebraucht. Dabei ist es vielfach gleichgültig, welche Weltanschauung derjenige hat, der "Fundamentalist" genannt wird.

Schnabel versucht im ersten Teil des Buches aufzuzeigen, daß eine inhaltliche Bestimmung dessen, was dieser Begriff beinhaltet, gar nicht so einfach ist. Dazu gibt er reichhaltig Erklärungsversuche unterschiedlichster Richtungen an und kommt schließlich zu dem Ergebnis, daß es angesichts der Unbestimmbarkeit dieses Begriffs leichtfertig ist, ihn ohne weiteres anzuwenden.

Im zweiten Teil zeigt er einige Bereiche auf, bei denen es zerstörerisch ist, wenn Christen sie aufgeben und ohne die christlicher Glaube nicht mehr christlicher Glaube ist. Zweifellos sind das grundlegende Minimalbereiche, aber das ist ja auch das Wesen von Fundamenten. Schnabel nennt dabei den Glauben an den einen Gott, an die Wahrheit des Evangeliums (wobei hier auch die biblische Lehre über den Herrn Jesus Christus gemeint ist), das Bekenntnis zur Autorität der Heiligen Schrift und das Aufgeben von Mission und Evangelisation. Diese Fundamente sind für Schnabel unabdingbar, ein Verzicht darauf wäre für ihn "Leben ohne Wahrheit".

Der dritte Teil zeigt Bereiche auf, in denen man sich im evangelikalen Lager schon vielfach "fundamentalistische" Debatten geliefert hat. Da es sich aber bei den angesprochenen Themenkreisen in der Regel um wissenschaftliche oder sonstige Ableitungen biblischer Aussagen handelt, wären sie naturgemäß nicht dem Fundament, sondern einem darauf von Menschen gebauten Haus vergleichbar. Viel Schaden nach innen und außen ist gerade dadurch entstanden, daß manche Dinge in der Bibel nicht den zentralen Platz haben, den wir ihnen gerne geben würden. Gerade dieser Teil ist sehr nachdenkenswert und hilft hoffentlich dabei, wirklich biblische Verhältnismäßigkeit zu bewahren. Einem Bereich eine Bedeutung zuzumessen, den die Bibel ihm nicht gibt, wäre "Wahrheit ohne Liebe."

Als Ergebnis dieses Buches wurde für mich also erkennbar, daß man sorgfältig mit dem Begriff "Fundamentalist" umgehen muß, daß es unaufgebbare biblische Fundamente gibt und daß nicht alles, was wir Menschen zu Fundamenten machen, automatisch auch dazu wird. Ein engagiertes Buch, das hoffentlich dazu dient, die vielfach sehr emotional geführte Debatte zu versachlichen und etwas Hitze aus dem Feuer herauszunehmen. In dem Versuch, zur Ausge-wogenheit beizutragen, war das Buch mir eine Hilfe. Bleibt nur zu hoffen, daß der recht hohe Preis nicht verhindert, daß das auch bei anderen der Fall wird. 

Nachtext

Quellenangaben

TVG Brockhaus, Pb., 90 5., DM 19,80