Zeitschrift-Artikel: Elisa – einer von Gottes Segensträgern Teil 15

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Titel: Elisa – einer von Gottes Segensträgern Teil 15
Typ: Artikel
Autor: Wolfgang Bühne
Autor (Anmerkung):

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Titel

Elisa – einer von Gottes Segensträgern Teil 15

Vortext

Da sprach Gehasi, der Knabe Elisas, des Mannes Gottes: Siehe, mein Herr hat Naaman, diesen Syrer, verschont, dass er nicht aus seiner Hand genommen hat, was er gebracht hat; so wahr der HERR lebt, wenn ich ihm nicht nachlaufe und etwas von ihm nehme! Und Gehasi eilte Naaman nach. Und als Naaman sah, dass er ihm nachlief, sprang er vom Wagen herab, ihm entgegen, und sprach: Steht es gut? Und er sprach: Es steht gut. Mein Herr sendet mich und lässt dir sagen: Siehe, eben jetzt sind vom Gebirge Ephraim zwei Knaben von den Söhnen der Propheten zu mir gekommen; gib ihnen doch ein Talent Silber und zwei Wechselkleider. Und Naaman sprach: Lass es dir gefallen, nimm zwei Talente. Und er drang in ihn und band zwei Talente Silber in zwei Beutel, und zwei Wechselkleider, und gab es zweien seiner Knaben; und sie trugen es vor ihm her. Als er aber an den Hügel kam, nahm er es aus ihrer Hand und brachte es im Haus unter; dann entließ er die Männer, und sie gingen weg. Er aber ging hinein und trat vor seinen Herrn. Da sprach Elisa zu ihm: Woher, Gehasi? Und er sprach: Dein Knecht ist weder dahin noch dorthin gegangen. Und er sprach zu ihm: Ging mein Herz nicht mit, als der Mann sich von seinem Wagen herab dir entgegenwandte? Ist es Zeit, Silber zu nehmen und Kleider zu nehmen und Olivenbäume und Weinberge und Kleinvieh und Rinder und Knechte und Mägde? So wird der Aussatz Naamans an dir haften und an deinen Nachkommen auf ewig. Und er ging von ihm hinaus, aussätzig wie Schnee. (2Kö 5,20–27)

Text

Heuchelei – die Sünde der Frommen Naaman war als ein reich beschenkter Mann mit seiner Karawane auf dem Rückweg. Seine materiellen Reichtümer war er in Israel bei dem Mann Gottes nicht los geworden. Aber das bekümmerte ihn wenig. Er war von seiner tödlichen Krankheit geheilt und konnte nun mit einem neuen Leben, neuen Lebenszielen und unter dem Segen Gottes als ein völlig veränderter Mensch in seine alte heidnische Umgebung zurückkehren. Wie voll wird sein Herz gewesen sein, wenn er an die vergangenen Tage und Stunden dachte. Welche Wechselbäder von Gefühlen und Eindrücken lagen hinter ihm! Wie gut, dass er keine Ahnung davon hatte, mit welch finsteren Gedanken und Plänen zur gleichen Zeit Gehasi erfüllt war, der restlos frustrierte und verbitterte Diener des Mannes Gottes. Fromm – aber gottlos Wahrscheinlich hatte Gehasi mit Groll und innerer Wut zur Kenntnis genommen, dass Elisa keine „klebrigen Hände“ hatte und auch in Zeiten materieller Armut und Hungersnot nicht durch Geld und Güter zu beeinflussen war. Viele Jahrhunderte später bekannte ein anderer Mann Gottes: „Geld bleibt nie lange bei mir. Es würde verbrennen, falls es bei mir bliebe. Ich gebe es so schnell wie möglich weiter, damit es keinen Weg in mein Herz findet.“1 (John Wesley). Wie wohltuend ist es auch in unserer Zeit, wenn man Brüder und Schwestern trifft, die wie Elisa den Betrug des Reichtums durchschaut haben und frei von Habsucht sind! Doch Gehasi konnte sich darüber nicht freuen. Im Gegenteil: Die verschwenderische Güte und Selbstlosigkeit des Elisa forderte ihn dermaßen heraus, dass er in dieser Situation seinen wahren Zustand nicht mehr länger unter einer frommen Maske verbergen konnte: „Da sprach Gehasi …“ Sein Verhalten erinnert stark an Judas, der als „einer von den Zwölfen“ jahrelang in der Nachfolge Jesu mitgelaufen und Zeuge vieler Wunder des Herrn war. Wahrscheinlich hatte auch er – wie seine Mitjünger – viele Wunder getan. Aber er war nur ein Mitläufer, der sich etwa drei Jahre bedeckt halten konnte und von dem keiner ahnte, welche abscheulichen Pläne er im Herzen trug. Aber auch in seinem Leben kam die Stunde, in der deutlich wurde, wofür sein Herz schlug: Die selbstlose Hingabe der Maria, die eine „sehr kostbare Salbe“ – im Wert eines Jahresverdienstes – über das Haupt und die Füße unseres Herrn vergoss, provozierte ihn derart, dass er sich nicht mehr länger beherrschen konnte. Er platze heraus: „Wozu diese Verschwendung!“ (Mt 26,9). Da, wo Menschen ihre restlose Liebe und Hingabe an den Herrn unter Beweis stellen, geschieht es nicht selten, dass Heuchler sich nicht länger bedeckt halten können und ihrem inneren Protest Luft machen. „Hingabe an Christus ist das stärkste Band zwischen menschlichen Herzen!“, sagte einmal J.N. Darby. Umgekehrt könnte man auch postulieren: Hingabe an Christus und geheuchelte Liebe entsprechen sich wie Feuer und Wasser. Seine Sprache verrät ihn „Siehe, mein Herr hat Naaman, diesen Syrer, verschont!“ Welch eine Verachtung liegt in den Worten „diesen Syrer“. Keine Mitfreude über dessen wunderbare Heilung. Absolut kein Verständnis für die verschwenderische Gnade Gottes, die sich im Verhalten Elisas widerspiegelt. „Verschont!“ Gehasi hätte diesen Mann wie eine Weihnachtsgans ausgenommen oder wie eine Kuh gemolken. Endlich hatte man mal einen „reichen Fisch“ an der Angel, der das kärgliche, unsichere Leben im Dienst Gottes ändern könnte – und Elisa winkt dankend ab! Wie ganz anders hatte sich das Dienstmädchen Naamans verhalten und ihr herzliches Mitgefühl wegen der tödlichen Krankheit ihres Herrn ausgedrückt! Aber auch in dieser Situation beherrschte der Diener Elisas immer noch die Sprache Kanaans: „So wahr der Herr lebt …“ Genau diese Worte hatte Elisa benutzt, um das Geld Naamans abzulehnen. Und diese frommen Worte, die Gehasi eigentlich abhalten müssten, zu lügen und zu betrügen, benutzte dieser Heuchler, um damit seinen finsteren Plan einzuleiten. Immerhin verschwieg oder verschluckte er die zweite Hälfte des Satzes „… vor dessen Angesicht ich stehe!“ Ob hier noch ein kümmerlicher Rest von einem schlechten Gewissen erkannt werden kann? „Die Sprache Kanaans kann auch ein Papagei lernen. Nur keine biblischen Schwätzer werden“2 – schrieb Hans Dannenbaum. Das erinnert mich persönlich schmerzlich an manche schäbige Sünde, die ich als junger Mensch begangen habe. Obwohl im gläubigen Elternhaus aufgewachsen und von klein auf mit der Bibel vertraut, war ich dennoch so abgebrüht, dass ich diese Sünden oft mit einem Gebet eingeleitet habe! Es scheint wohl kaum eine Sünde in unseren Gemeinden zu geben, die nicht mit einer frommen Phrase eingeleitet wurde! „Wenn ich nicht etwas von ihm nehme!“ Wie ähnelt sein Denken und Reden dem älteren Sohn in Lukas 15, der die Gemeinschaft mit seinem Vater wie eine „Spaßbremse“ empfand. So auch Gehasi. Die Gemeinschaft mit Elisa hatte sein Herz nicht ausgefüllt, sondern der „Betrug des Reichtums“ und die „Begierde nach den übrigen Dingen“ (Mk 4,19) hatten seine Wünsche vergiftet. Zwei Männer in Bewegung Gehasi „eilte“ Naaman nach. Und der General, als er den nachrennenden Gehasi wahrnahm, „sprang“ von seinem Wagen herab. Im Neuen Testament finden wir einige Sünden aufgelistet, vor denen wir „fliehen“ sollten: „Geldliebe“ (1Tim 6,10); „jungendliche Lüste“ (2Tim 2,22); „Hurerei“ (1Kor 6,18) und „Götzendienst“ (1Kor 10,14). Diese Sünden sind offensichtlich so gefährlich und hartnäckig, dass vor ihnen nur Rettung durch Flucht geboten wird.Gehasi tut das Gegenteil. Er wird von Habsucht und Geldliebe angetrieben. Auf der anderen Seite sehen wir, wie der Heeroberste – offensichtlich nicht um seine Würde bemüht – vom Wagen herabspringt. Sein neuer Glaube treibt ihn, sich um das Wohlergehen seiner neuen israelischen Freunde zu kümmern: „Steht es gut?“ Es ist beachtenswert, welche Intelligenz und Phantasie Gehasi an den Tag legte, um „diesem Syrer“ eine glaubhafte Geschichte zu erzählen, die sich mit Elisas Verhalten einigermaßen vertragen konnte und deren Hinterlist der General in seiner Arglosigkeit nicht durchschaute. Mit anderen Worten: „Elisa möchte ja nichts für sich erbitten – das sei ferne! Aber, wie das manchmal so kommt, unangemeldet und unerwartet hätten sie Besuch von zwei Propheten-Söhnen bekommen, die wegen der anhaltenden Hungersnot fast aufgerieben seien und weder Nahrung noch Kleidung hätten. Mit einem Talent Silber und zwei Wechselkleidern könnte man aller Not ein Ende bereiten. Sei doch so gut!“ (Mit welch peinlichen Bettelbriefen ähnlichen Inhaltes im Namen Gottes wir heute überschüttet werden, dürfte vielen Lesern bekannt sein.) Und genau das war die weitere Steigerung von Gehasis Skrupellosigkeit, dass er sich nicht scheute, sein herzerweichendes Märchen mit den Worten einzuleiten: „Mein Herr sendet mich und lässt dir sagen …“ Die Einfalt des Glaubens Naaman hinterfragte mit keinem Satz den Wahrheitsgehalt dieser Geschichte. Er freute sich, endlich seine Dankbarkeit Elisa gegenüber nicht nur in Worten ausdrücken zu können. Spontan bot er ihm die doppelte Menge Silber an und „drang in ihn“. Offensichtlich hatte Gehasi zuerst dieses zu große Geschenk abgewiesen – vielleicht sogar mit frommen, scheinheiligen Worten und Gesten. Allerdings tauchte jetzt ein Problem auf, das Gehasi anscheinend in seinen Überlegungen nicht einkalkuliert hatte: Zwei Talente Silber – das machte etwa ein Gewicht von 70kg aus! Dazu zwei Wechselkleider – das alles konnte er unmöglich alleine und heimlich in seinem Zimmer unterbringen. Und dann noch eine weitere unangenehme Peinlichkeit: Naaman bestand darauf, dass zwei seiner Knechte diesen Reichtum „vor ihm her“ zu Elisa transportieren sollten! Als sie schließlich auf dem Hügel ankamen, von wo aus man Elisas Unterkunft sehen konnte, beredete Gehasi die Träger so lange, bis sie tatsächlich ihre Last abstellten. Wer weiß, welche weiteren Lügen sich Gehasi einfallen lassen musste, um die sicher ziemlich verwirrten Diener zu veranlassen, den Befehl ihres Herrn nicht vollständig auszuführen. Immerhin haben sie anscheinend so lange auf dem Hügel gewartet, bis Gehasi – wie auch immer – alles untergebracht hatte und das Geschenk Naamans an Ort und Stelle eingetroffen war. „Lügen haben kurze Beine“ Inzwischen hatte Gehasi einige weitere nicht einkalkulierte Probleme bekommen. Wie und wo sollte er diese Menge Silber unbeobachtet unterbringen? Zwischen­lagern und scheibchenweise in sein Zimmer transportieren? Was, wenn Elisa ihn und die beiden Träger beobachtet hatte? Welche Geschichte könnte er dann glaubhaft erzählen? Als die syrischen Helfer endlich den Rückweg angetreten hatten, wagte sich Gehasi – sicher mit Herzklopfen – unter die Augen seines Herrn! Der empfing ihn mit der kurzen, unmissverständlichen Frage: „Woher, Gehasi?“ Nun hatte er die Möglichkeit, mit einer ehrlichen Antwort seine Sünde zu bekennen. Und Elisa öffnete ihm bewusst mit dieser rhetorischen Frage die Tür zu diesem Bekenntnis. Ähnlich, wie später der Herr Jesus dem Judas eine letzte Möglichkeit zur Umkehr anbot, nachdem dieser ihn mit einem Kuss verraten hatte: „Freund, wozu bist du gekommen?“ (Mt 26,50) Gehasi verpasste diese letzte Gelegenheit, um sein verkorkstes Leben wieder auf eine gerade Bahn zu bringen. Er versuchte, seinen Herrn mit einer weiteren ausweichenden Lüge abzuwimmeln. Etwa so, wie wir als Kinder, wenn die Mutter Lunte gerochen hatte und wir auf die Frage „Wo habt ihr euch rumgetrieben?“ geantwortet haben: „Nirgends!“ – „Was habt ihr denn gemacht?“ – „Nix!“ Das Herz eines Hirten Elisas Antwort erlaubt uns einen Blick in sein sorgendes und mitfühlendes Herz zu werfen: „Ging mein Herz nicht mit, als der Mann sich von seinem Wagen herab dir entgegenwandte?“ Wie wird Elisa, dem Gott das schamlose Lügengewebe seines Dieners geoffenbart hatte, für Naaman zu Gott gefleht haben, dass dieser „Jungbekehrte“ nicht durch die Heuchelei und Habsucht Gehasis an dem Gott Israels irre wurde! Und es muss wie ein Stich in Elisas Herz geschmerzt haben, als Elisa die niedrigen, selbstsüchtigen und törichten Motive und Lebensträume ­Gehasis durchschaute, der bisher sein bescheidenes Leben mit ihm geteilt hatte! Leider müssen auch wir immer wieder die schmerzliche Erfahrung machen, dass selbst die günstigsten äußeren Umstände das Herz eines Menschen nicht verändern können. Man kann unter günstigsten Umständen zum Dieb und Verräter werden, wenn Gott das Herz nicht verändert. Und man kann sich in der denkbar schwierig­sten Umgebung befinden und doch – wie das gläubige Dienstmädchen im Haus des damals ungläubigen Naaman – Licht und Salz in einer gottlosen Umgebung sein. Die fatale Fehlkalkulation „Ist es Zeit, Silber zu nehmen und Kleider zu nehmen …?“ Mit welchem Entsetzen muss Gehasi festgestellt haben, dass Elisa nicht nur seine Lügen kannte, sondern auch seine Gedanken, Wünsche und Zukunftspläne: Das Silber Naamans in Olivenplantagen und Weinberge zu investieren, um endlich etwas vom Leben und Freude zu haben … Die Wechselkleider, um nicht länger Bescheidenheit und Armut, sondern Ehre und Reichtum zu repräsentieren … Kleinvieh, Rinder, Knechte und Mägde zu erwerben, um nicht mehr selbstlos dienen zu müssen, sondern um endlich auch mal Herr zu sein und bedient zu ­werden. Wahrscheinlich hat Gehasi ähnlich gedacht und falsch kalkuliert wie Heinrich Heine in seinem bekannten Gedicht „Deutschland. Ein Wintermärchen“, wenn er über das „Harfenmädchen“ u.a. reimt und über die Ewigkeitsperspektive spottet: „Sie sang vom irdischen Jammertal, Von Freuden, die bald zerronnen, Vom Jenseits, wo die Seele schwelgt Verklärt in ew‘gen Wonnen. Ein neues Lied, ein besseres Lied, O Freunde, will ich euch dichten! Wir wollen hier auf Erden schon Das Himmelreich errichten.“3 Gehasi hat sich – wie später Heinrich Heine – schrecklich geirrt. Elisa dagegen wusste, was damals die Zeit oder Stunde geschlagen hatte: Nur noch wenige Jahrzehnte, dann würde Israel nach Assyrien weggeführt und alle Investitionen wertlos sein. Ewigkeitswert hat nur das, was Gottes Gnade in und durch uns zu Gottes Ehre bewirken kann. Die Analogie zu unserer Zeit liegt auf der Hand: Tragisch, wenn wir unser kurzes Leben und das, was Gott uns anvertraut hat sinnlos vergeuden, weil wir „unsere kurze Zeit auf Erden nicht für die Ewigkeit genutzt“ und wie Heine „das Himmelreich Gott und den Spatzen“3 über­lassen haben. „Und er ging von ihm hinaus, aussätzig wie Schnee.“ Der Aussatz Naamans haftete nun an Gehasi und seinen Nachkommen. Wie wird er seine falschen Entscheidungen bereut und verflucht haben, während er das Haus Elisas verließ und die Tür hinter ihm zuschlug. „Er hat nach dem Reichtum Naamans gegriffen, erbte dadurch die Krankheit Naamans und verlor seinen Platz als Diener des Propheten.“4 „Der Betrug des Reichtums und die Begierde nach den übrigen Dingen“ (Mk 4,19) hatte ein weiteres Opfer gefunden und verschlungen.

Nachtext

Quellenangaben

John Wesley, Über allem die Liebe, Stuttgart: Edition Anker, 2000, S. 26 Hans Dannenbaum, Alte Brunnen, Schriftenmissions Verlag, Gladbeck: 1956, S. 86 So H. Heine in dem angeführten Gedicht „Deutschland. Ein Wintermärchen“. Hamilton Smith, Elia und Elisa, Neustadt: Ernst Paulus Verlag, 1984, S. 172