Zeitschrift-Artikel: "Lieber verbrennen als verrosten"

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Titel: "Lieber verbrennen als verrosten"
Typ: Artikel
Autor: Wolfgang Bühne
Autor (Anmerkung): Zum 300. Geburtstag von George Whitefield (1714 –1770)

online gelesen: 1829

Titel

"Lieber verbrennen als verrosten"

Vortext

Text

Vor einigen Wochen überraschte uns die kurze Nachricht eines Freundes, dass mit 2014 ein „Whi- tefield-Jahr“ zu Ende geht – „der gute George wurde 1714 geboren“. Tatsächlich: Am 16.12.1714 – vor genau 300 Jahren – kam White eld in Gloucester, England, zur Welt! Nun sind wir nicht unbedingt Freunde von Jubiläen, zumal wahrscheinlich in der Ewigkeit auch Jahreszahlen keine besondere Bedeutung haben und dort eine „andere Zeitrechnung“ gilt. Dazu kommt, dass dieser überaus begnadete Erweckungsprediger absolut keinen Wert auf menschliche Ehrungen legte. Hatte er doch zu Lebzeiten seinen Freunden und Mitarbeitern zugerufen: „Der Name Whitefield soll erlöschen, wenn nur der Name Christi genannt und gerühmt wird! Mein Name möge allenthalben sterben, meine Freunde mögen mich vergessen, wenn Jesus dadurch verherrlicht wird!“1 J.P.Gladstone, einer der älteren Biographen Whitefields, bezeugte mit bewegenden Sätzen die Demut dieses Mannes: „Keiner war ärmeren Geistes als er; keiner war mit größerer Dankbarkeit und Verwunderung erfüllt, wenn ihm die geringste Freundlichkeit von der bescheidensten Person erwiesen wurde ... Während seines ganzen Lebens dachte er nie von sich selbst als von einem Menschen von besonderem Gewicht, noch rühmte er sich je seiner einzigartigen Kräfte. Er gebrauchte, was ihm Gott in die Hand gegeben hatte, mit der Einfalt eines kleinen Kindes.“2 Er selbst hatte als 22Jähriger – nur wenige Monate bevor er als junger Evangelist ganz England „aus dem Schlaf weckte“ – in sein Tagebuch geschrieben: „Gott gebe, dass ich nicht vergesse, dass ich erst vor kurzer Zeit ein gemeiner Zapfgeselle in einem Wirtshaus war, und dass ich, wäre ich nicht durch Gottes Gnade mit unwiderstehlicher Gewalt von da herausgezogen worden, jetzt unter allen Lebenden der haltloseste Schuft wäre.“3 Kein Wunder, dass ein solcher Mann, der Popularität für einen „Glutofen der Versuchung“ hielt und dem Gott die Augen dafür geöffnet hatte, „wie eitel alles Lob ist, das nicht von Ihm kommt“4, weithin unbekannt geblieben ist und ihm auch von Evangelikalen keine besondere Bedeutung zugemessen wird. › Spurgeons Wertschätzung C.H. Spurgeon dagegen, der etwa 100 Jahre später als Erweckungsprediger in England von Gott benutzt wurde, bezeugte 1879 seine Wertschätzung gegenüber Whitefield: „Die Bedeutung eines Mannes wie George Whitfield ist unermesslich. Oft habe ich, wenn ich über sein Leben gelesen habe, das Bewusstsein einer sofortigen Kräftigung gehabt. Er lebte. Andere Menschen scheinen nur halb lebendig zu sein, Whitefield war ganz Leben, Feuer, Sturm, Kraft. Wenn ich nach meiner rechten Unterordnung unter meinen Herrn noch ein Vorbild habe, dann ist es George Whitefield. Aber ich muss ihm mit ungleichen Schritten auf seinem großartigen Weg folgen.“5 Bevor Whitefield 1770 im Alter von 56 Jahren in Amerika plötzlich an Asthma starb, hatte er schon längst bestimmt, wer die Predigt bei seiner Beerdigung halten sollte: Es sollte sein alter Freund und Mitstreiter John Wesley sein – auch wenn dieser ihm ein jahrelanger und heftiger Widersacher in der alten theologischen Streitfrage „freier“ oder „unfreier“ Wille des Menschen war. Während Whitefield im September 1770 unter einer großen Anteilnahme der Bevölkerung in Amerika beerdigt wurde – alles schwarze Tuch in der Kolonie Georgia wurde aufgekauft – erreichte die Nachricht seines Todes erst im November England. Am 18. November hielt John Wesley in London im „Moorfields Tabernacle“ vor einer großen Menschenmenge einen denkwürdigen Nachruf auf seinen heimgegangen Freund, der dann auch als Predigt gedruckt und weit verbreitet wurde. Nachdem er zunächst den Lebenslauf Whitefields und seinen Dienst als Erweckungsprediger in England und Amerika geschildert hatte, beschrieb er dann sehr treffend und ohne Schmeichelei den Charakter dieses Mannes: › Ein warmherziger Freund „Ich habe bereits seinen unvergleichlichen Eifer und sein unablässiges Arbeiten, seine Weichherzigkeit gegenüber den Geschundenen und seine selbstlose Liebe zu den Armen erwähnt. Aber sollten wir nicht ebenso seine tiefe Dankbarkeit erwähnen, die er für alle hatte die Gott irgendwie verwendete, um ihn durch sie zu segnen, und von denen er bis zu seinem Todestag nicht aufhörte, Gutes zu reden? Sollten wir nicht erwähnen, dass er ein Herz hatte, das zur großzügigsten und innigsten Freundschaft fähig war? Ich habe oft gedacht, dass dies neben allen anderen die wirklich bezeichnende Eigenart seines Charakters war. Wie wenigen Menschen sind wir begegnet, die ein so freundliches Gemüt hatten, aus dem die wärmsten Zuneigungen frei und voll ießen konnten! War nicht dies die Ursache, warum die Herzen anderer in solch eigentümlicher Weise zu ihm gezogen und mit ihm verhaftet wurden? Kann aber etwas anderes als Liebe Liebe erzeugen? Diese leuchtete aus seinem Gesicht und atmete beständig in allen seinen Worten, privaten wie öffentlichen. War es nicht das, das so schnell und durchdringend wie der Blitz von Herz zu Herz flog, das seinen Unterredungen und seinen Briefen Leben einhauchte? Ihr selbst seid Zeugen davon. › Furchtlos und aufrichtig Er war ebenfalls begabt mit der makellosesten Reinheit und Sittsamkeit. Sein Dienst führte ihn dazu, ebenso oft mit Frauen zu sprechen wie mit Männern, und zwar jeden Alters und jeden Umstandes. Aber sein ganzes Gebaren ihnen gegenüber war ein lebendiger Kommentar der Aufforderung des Apostels Paulus an Timotheus: ‚Ermahne ... ältere Frauen als Mütter, jüngere als Schwestern, in aller Keuschheit.‘ Die Unverhohlenheit und Aufrichtigkeit seiner Rede war niemals auch nur im geringsten grob, auf der anderen Seite kannte sie keine Verstellung. War diese Offenheit nicht gleichzeitig eine Frucht und ein Beweis seiner Furchtlosigkeit? Damit ausgestattet, fürchtete er das Angesicht keines Menschen, sondern redete mit aller Deutlichkeit zu Menschen jeden Ranges und Umstandes, zu arm und reich, hoch und niedrig, indem er nur eines suchte: ‚Sich selbst jedem Gewissen der Menschen zu empfehlen vor Gott.‘ In allem, was er im Werk seines Meisters anfing, bewies er die gleiche Beharrlichkeit. Schaut euch dieses eine Werk an, das für alle übrigen steht: Das Waisenhaus in Georgia, das er gegen alle Rückschläge und Entmutigungen anfing und zu Ende führte. In allem, was ihn selbst betraf, war er gefügig und beweglich. Hier war er zugänglich für Rat, war es leicht, ihn zu überreden oder zu überzeugen. Aber in den Dingen, die Gott und sein Gewissen betrafen, war er unerbittlich ... › Sein Glaube an die wirksame Kraft Gottes Wenn wir uns fragen, welches denn das Fundament seiner Integrität, seines Mutes, seiner Aufrichtigkeit, seiner Geduld und einer jeden anderen seiner löblichen Eigenschaften war, dann ist die Antwort bald gefunden: Es lag nicht etwa an irgendwelchen Vorzügen seiner Wesensart, nicht an seiner außergewöhnlichen Einsicht, es war nicht die Frucht seiner Erziehung und Bildung, nein, noch auch der Einfluss seiner Freunde. Es war einzig und allein sein Glaube an einen Herrn, der für ihn verblutet war, Glaube an die wirksame Kraft Gottes. Es war die lebendige Hoffnung auf ein unverwesliches, unbeflecktes, unverwelkliches Erbteil im Himmel. Es war die Liebe Gottes, ausgegossen in seinem Herzen durch den Heiligen Geist, welcher ihm gegeben worden war, welche seine Seele mit selbstvergessener Liebe zu einem jeden Menschenkind erfüllte. Aus dieser Quelle entsprang die Sturz ut seiner Beredsamkeit, welche häufig alles vor sich hertrug; aus ihr die verwunderliche Kraft der Überzeugung, welcher auch die Verhärtesten der Sünder nicht widerstehen konnten. Diese war es, welche häufig sein Haupt wie Wasser und seine Augen wie einen Tränenquell machten. › Er erhöhte Christus und erniedrigte den Menschen Ich schließe meine Beschreibung seines Charakters mit dem Hinweis auf die Ehre, die Gott Seinem treuen Diener gab, indem Er ihn befähigte, das ewige Evangelium in so vielen verschiedenen Ländern zu so vielen Menschen mit so großen Auswirkungen auf so viele kostbare Seelen zu predigen. Haben wir je von irgendeiner Person seit den Tagen der Apostel gelesen oder gehört, die das Evangelium der Gnade Gottes in einem so weit ausgreifenden Raum der bewohnten Erde predigte? Haben wir von irgendeiner Person gelesen oder gehört, die so viele Tausende, ja Myriaden von Sündern, zur Buße rief? Und vor allem, haben wir von irgend jemandem gelesen oder gehört, der in den Händen Gottes ein solch gesegnetes Werkzeug gewesen ist, das so viele Sünder von der Finsternis zum Licht und von der Gewalt Satans zu Gott gebracht hat? › Allein Gott gebührt alle Ehre Sein grundlegendster Punkt war der, dass er Gott alle Ehre gab über jegliches Gute, das im Menschen sein mochte. Im Werk der Errettung erhöhte er Christus, so hoch er konnte, und erniedrigte den Menschen, so tief er konnte. Sein großer Grundsatz war, dass in der Natur des Menschen keine Kraft und in ihm kein Verdienst ist. Alle Gnade, etwas Richtiges zu denken, zu reden und zu tun, kommt von und aus dem Geist Christi, und alles Verdienst ist im Blute Christi. Es ist im Menschen keine Kraft, ehe sie ihm von oben gegeben wird, auch nur ein gutes Werk zu tun, ein gutes Wort zu sprechen oder ein gutes Begehren zu formen. Denn es genügt nicht zu sagen, alle Menschen seien an der Sünde erkrankt; nein, alle Menschen sind tot in Übertretungen und Sünden. Und wir sind hilflos, sowohl bezüglich der Macht der Sünde als auch der Schuld der Sünde. Denn wie soll ein Reiner aus dem Unreinen kommen? Niemand als der Allmächtige allein vermag das zu tun. Wer kann die auferwecken, die tot sind in ihren Sünden und Übertretungen? Niemand als der, der uns aus dem Staub des Erdbodens zum Leben erweckt hat. Was aber mag Ihn dazu bewegen, so an uns zu handeln? Keine Werke der Gerechtigkeit, die wir getan haben. Die Toten preisen Dich nicht, o HERR, noch können sie irgend etwas tun, was der Anlass wäre, dass sie zum Leben erweckt würden. Was immer Gott tut, tut Er allein um Seines geliebten Sohnes willen ... Wie bekommen wir Anteil und Anrecht an dem, was Christus getan und gelitten hat? Nicht durch Werke, auf dass niemand sich rühme, sondern durch Glauben allein. Wir urteilen, sagt der Apostel, dass ein Mensch durch Glauben gerechtfertigt wird, ohne des Gesetzes Werke. Und so viele Ihn aufnahmen, denen gab Gott das Recht und die Macht, Kinder Gottes zu werden, denen, die nicht geboren sind aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott ... Euch ist nicht unbekannt, dass dies die Grundlehren waren, die Mr. Whitefield überall mit Nachdruck verkündigte. Könnten sie nicht in wenigen Worten zusammengefasst werden, nämlich: die neue Geburt und die Rechtfertigung aus dem Glauben.“6 Benedikt Peters hat vor Jahren eine hervorragende, Geist und Herz erfrischende Biographie über George Whitefield geschrieben, die das Leben, den Dienst, die Hingabe, den Charakter und die geistlichen Überzeugungen dieses gesegneten und vorbildlichen Mannes ausführlich beschreibt. Gott schenke, dass dieses eindrückliche Lebensbild eine Herausforderung und Ermutigung für alle bleibt, denen die Ehre und Verherrlichung unseres Herrn und Retters, sowie die weltweite Verkündigung des Evangeliums ein Herzensanliegen ist. Dann hätte sich diese kurze Erinnerung an das Leben und den 300. Geburtstag dieses gesegneten Mannes mehr als gelohnt.

Nachtext

Quellenangaben

Quellenangaben 1 Benedikt Peters, George White eld – der Erwecker Englands und Amerikas, Bielefeld: CLV, 1997, S. 328 2 Ebd., S. 336 3 Ebd., S. 33 4 Ebd., S. 48 5 C.H. Spurgeon, Alles zur Ehre Gottes, Bielefeld: CLV, 2007, S. 159 6 B. Peters, a.a.O., S. 419 – 422 7 J.C. Ryle, Seid heilig!, 3L Friedberg 2005, S. 381 8 B. Peters, a.a.O, S. 270; Bild: http://therevealer.org/archives/17886 (09.11.2014)