Zeitschrift-Artikel: Jan Hus (1370-1415)

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Titel: Jan Hus (1370-1415)
Typ: Artikel
Autor: Rudolf Koch
Autor (Anmerkung):

online gelesen: 1484

Titel

Jan Hus (1370-1415)

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Text

Jan Hus, auch bekannt unter dem Namen Johannes Hus, starb vor 600 Jahren als Märtyrer und gilt zu Recht als einer der wesentlichen Vorläufer der großen Reformatoren des 16. Jahrhunderts. Ohne Männer wie John Wyclif und Lord Cobham in England sowie Jan Hus und Hieronymus von Prag in Böhmen wäre die mehr als 100 Jahre später eintretende Reformation unter Luther und Zwingli wohl kaum denkbar gewesen. Jan Hus wird um 1370 in dem kleinen unweit der bayerischen Grenze gelegenen böhmischen Dorf Husinec geboren, nach- dem er auch benannt wird. Er stammt aus einfachen Verhältnissen, zeichnet sich aber schon früh durch große Intelligenz aus. Er ist von stattlicher Statur, dazu freundlich und bescheiden. Ab 1390 studiert er an der Universität Prag und wird Magister der allgemeinen Wissenschaften. Als Hochschullehrer macht er sich um die Entwicklung der tschechischen Rechtschreibung verdient. › Der Einfluss von John Wyclif Entscheidenden Einfluss auf seine Überzeugungen hatte der Engländer John Wyclif, von dem der Ausspruch überliefert ist: „Die Schrift allein ist die Wahrheit!“ Getrieben von dieser Einsicht, machte sich dieser an die Übersetzung der Heiligen Schrift in die englische Sprache. Und bereits nach relativ kurzer Zeit, im Jahre 1380, war die englische Bibel vollständig, und zahllose Abschreiber machten sich ans Werk, das göttliche Wort auch ungelehrten Bürgern (und sogar „Weibern“ – wie einer seiner Gegner bemerkte) zugänglich zu machen. Nun war die Distanz zwischen England und Böhmen weit – vor allem in der damaligen Zeit, als die Fortbewegung weitgehend auf Muskelkraft beruhte. Und zwischen England und dem Kontinent lag auch noch ein Gewässer, der Englische Kanal. Doch die Schwester von König Wenzel (oder Wenzeslaus), Anne von Böhmen, heiratete 1382 König Richard II. von England. Dies intensivierte die Bindungen zwischen beiden Ländern. Tschechische Adelige studierten künftig mit Vorliebe in Oxford und brachten Wyclifs Schriften mit nach Prag. Wohl nicht nur Abschriften der biblischen Texte, sondern auch die kirchenpolitischen Streitschriften, in denen Wyclif gegen die sittlichen Verfallserscheinungen des englischen Klerus seine Stimme erhob. Vor allem durch Hieronymus von Prag wurde Hus ab 1398 mit den Lehren des Oxford-Professors Wyclif vertraut. Möglicherweise wurde dies Anlass für Hus, auch selbst die Heiligen Schriften zu untersuchen, denn im selben Jahr nahm er das Studium der Theologie auf. Auch dies tat er mit Erfolg. 1400 wurde er zum Priester geweiht, 1402 Professor der Theologie und Philosophie, und in den Jahren 1409 und 1410 stand er als Rektor an der Spitze der Prager Universität. › Attacke gegen Zeitgeist und Mode Als „Geistlicher“ hatte er von Anfang an das Bestreben, dem „gemeinen Volk“ das reine Wort Gottes in der Landessprache zu vermitteln. Hierin war er den späteren deutschen Reformatoren nicht unähnlich. Er predigte in der Bethlehem-Kirche in Prag, die ungewöhnlich groß war und 3.000 Menschen fasste. Hier wurde nicht, wie es damals üblich war, auf Lateinisch gepredigt, sondern auf Tschechisch. Er wurde gehört und verstanden, sowohl vom einfachen Volk als auch vom Königshaus. Und schließlich wurde er sogar Beichtvater der Königin Sophie von Bayern. Mit ihm trat ein Prediger auf die Kanzel, der den Missständen der damaligen Zeit mit aller Schärfe entgegen trat. Er rief seine Zuhörer zu Umkehr und Buße auf. Und wetterte gegen Zeitgeist und Mode, wodurch er gelegentlich die Zünfte der Hutmacher, Goldschmiede, Weinhändler und Wirte gegen sich aufbrachte. Vor allem aber war die katholische Geistlichkeit Ziel seiner Attacken: deren Geldgier, Wucher und Ämterkauf sowie ganz besonders der Ablasshandel. Er kritisierte den weltlichen Besitz der Kirche, die Habsucht des Klerus und dessen unverhohlenes Lasterleben. › Der Papst oder Jesus Christus ... Im Mittelpunkt seiner Gottesdienste stand immer die unumschränkte Autorität des Wortes Gottes, der Heiligen Schriften. Auch scheute er sich nicht darauf hinzuweisen, dass nicht der Papst, sondern Jesus Christus das Haupt der Kirche ist, wobei zu beachten sei, dass in seiner Zeit zwei, zeitweilig sogar drei Päpste um die Vorherrschaft rangen1, wobei diese trotz ihres greisenhaften Alters munter mit schrecklichen Flüchen, Bannbullen und Interdikten um sich warfen. Jan Hus trat für die Gewissensfreiheit ein, für ihn war die Bibel einzige Autorität in Glaubensfragen. Dies stand im absoluten Gegensatz zur herrschenden Überzeugung der damaligen Kirche, die den Papst als oberste Instanz in allen Glaubensentscheidungen sah. 1408 erfuhr der Erzbischof von Prag von Hus’ Predigten und enthob ihn seiner Stellung als Synodal-Prediger. Doch Hus verfuhr nach der biblischen Wahrheit: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen!“ und setzte seine Predigten und Angriffe gegen Papsttum und Bischöfe fort. Da auch der Bevölkerung die Gesinnung des Klerus nicht unbekannt war, brachte er in kurzer Zeit weite Teile Böhmens auf seine Seite. Ein Flächenbrand entstand. › Unter dem Kirchenbann Um sich dieser immer mehr um sich greifenden Reformbestrebungen erwehren zu können, unterwarf sich der Prager Erzbischof dem in Pisa gewählten Papst Alexander V. und erwirkte von ihm eine Bulle gegen die von Wyclif und Hus verbreiteten Lehren. Sowohl Alexander V. als auch kurze Zeit später Johannes XXIII.1 belegten Hus mit dem Kirchenbann. Aber unter dem Schutz des tschechischen Königs konnte Hus noch ein weiteres Jahr seine Predigten fortsetzen. Als Papst Johannes XXIII. zu einem Kreuzzug gegen den König von Neapel aufrufen ließ und jedem „Kreuzträger“ vollkommenen Ablass versprach, kam es zu erheblichem Widerstand aus der Bevölkerung. Die Verkäufer der Ablassbriefe wurden beschimpft, teilweise sogar misshandelt. Auch Hus verurteilte diese Praxis öffentlich. Leider zerbrach dadurch das bis dahin gute Verhältnis zum König. Dieser verband nämlich ebenfalls finanzielle Interessen mit dem Ablasshandel. Als die Situation eskalierte, floh Hus 1412 aus Prag und lebte bis 1414 auf verschiedenen böhmischen Burgen, auf denen er sich sicher fühlte. In dieser relativen Ruhe und Abgeschiedenheit entstand unter seiner Mitwirkung die vollständige Übersetzung des Alten Testaments in die Landessprache sowie eine Überarbeitung des Neuen Testaments. So existierten bereits 100 Jahre vor Luther sowohl in England als auch in Böhmen Bibelübersetzungen in der jeweiligen Landessprache. Für Hus war die Bibel als Ganzes „wahr und hinreichend zur Seligkeit des Menschengeschlechts“. Alle Wahrheit sei in ihr enthalten. Auch Christus schon habe diese Waffe gegen den Teufel gebraucht. Er wandte sich gegen die Lehre, dass die Autorität der Kirche über der Bibel stehe. Hus forderte, nichts zu glauben, zu behaupten oder zu predigen, was nicht durch Aussagen der Bibel begründbar sei. Die Schrift müsse geglaubt werden, sie allein sei der Zugang zum Himmel. › Das Konzil zu Konstanz (1414 – 1418) Von 1414 bis 1418 fand, vor allem auf Initiative von König Sigismund von Luxemburg (der 1433 in Rom zum Römischen Kaiser gekrönt wurde), das Konzil zu Konstanz statt. Vor allem, um die theologischen Streitigkeiten aus der Welt zu schaffen und das Schisma zu überwinden. Sigismund forderte seinen Bruder Wenzeslaus auf, auch Jan Hus nach Konstanz zu entsenden. Hus, der sich schon lange eine Gelegenheit gewünscht hatte, seine Lehren vor einer Kirchenversammlung zu verteidigen und möglicherweise auch auf die Einsicht der hohen Geistlichkeit in klare biblische Argumente vertraute, willigte ein, zumal ihm ein Geleitbrief des Königs (ein „salvus conductus“ für Hin- und Rückreise und die Zeit seines Aufenthalts) ausgestellt worden war. Anfang November erreichte er Konstanz und konnte dort in den ersten Wochen sogar noch frei predigen. Dann allerdings geschieht das Unerhörte: Er wird gefangen genommen und in verschiedenen Gefängnissen und Verließen eingesperrt und qualvoll gemartert. Um diesen eklatanten Rechtsbruch zu rechtfertigen, erlassen die versammelten Priester listig und in aller Eile eine neue Verordnung, wonach niemand verp ichtet sei, einem Ketzer die Treue zu halten. Als König Sigismund am 24.12.1414 in Konstanz eintraf, wurde er über diesen Treuebruch sehr zornig, ergriff aber keine Maßnahmen, um Hus zu befreien. Somit lag die Hauptverantwortung für diesen Treuebruch bei keinem anderen als bei Sigismund, der sich für die Sicherheit des Jan Hus verbürgt hatte. Doch so groß die Schuld des Königs auch sein mochte, der Frevel, den der Papst und die Kirchenfürsten begingen, war weitaus größer. Schon rechtzeitig vor Beginn des Konzils war Johannes XXIII. von Italien angereist. Dabei musste er die damals sehr unwegsamen Alpenpässe überqueren. Am Arlbergpass stürzte sein Wagen um, wobei dem „Heiligen Vater“ der wütende und entwürdigende Ausspruch entfuhr: „Hier liege ich nun in Teufels Namen!“ Er konnte nicht ahnen, dass er damit die Prophezeiung über seinen eigenen bevorstehenden Fall ausgesprochen hatte. Am 28. Oktober 1414 zog er hoch zu Ross unter goldenem Baldachin in die Stadt ein. Und eine Woche nach seiner Ankunft in Konstanz eröffnete er am 5. November feierlich das Konzil mit einem Hochamt im Münster. Doch es dauerte nicht lange, da entstand unter den Konzils-Teilnehmern nicht geringe Verwirrung, weil nicht nur Johannes XXIII., sondern darüber hinaus immer noch zwei Gegenpäpste die Papstwürde für sich beanspruchten. Viele der Kirchenführer waren nicht gewillt, Johannes in seinem Amt zu belassen. Einige Zeit später wurde Johannes XXIII. kurzerhand festgenommen und inhaftiert, was den geistlichen Oberhirten schwer geschockt haben dürfte. Der wenig später folgende „Auszug“ des Papstes steht im krassen Gegensatz zu seinem triumphalen Einzug einige Monate zuvor. Er entwich nämlich des nachts heimlich aus seinem düsteren Kerker im Kittel eines gewöhnlichen Knappens und entkam in die Oberrhein-Ebene. Weit kam er auf seiner Flucht allerdings nicht. Denn schon in Freiburg wurde er aufgegriffen und erneut in Haft genommen.3,4 › Keine Kompromisse Durch die kirchlichen Streitereien in Konstanz kommt es in der Sache des Jan Hus zu einiger Verzögerung. In seiner monatelangen Gefangenschaft wird Hus immer wieder von Priestern und Mönchen besucht und „bearbeitet“. Er soll seine vermeintlichen Irrtümer widerrufen. Ein Widerruf wäre sehr im Sinne der Kirche gewesen, denn auf diese Weise wäre wahrscheinlich der „böhmische Schwelbrand“ zum Erlöschen gekommen. Doch Hus lässt sich trotz Krankheit und Schmerzen nicht einschüchtern. Standfest ist er, aber auch demütig und ergeben. In seinen Briefen redet er von Vergebung für seine Feinde sowie von der Unterordnung unter den guten Willen Gottes. Das heimlich von Freunden gemachte Angebot, ihm zur Flucht zu verhelfen, lehnt er ab, weil es seine feste Absicht ist, von der Wahrheit des Evangeliums öffentlich Zeugnis abzulegen. Zuletzt, am 5. Juni 1415, wird Hus in das Franziskanerkloster verlegt. Wieder einmal erinnert er seine Peiniger daran, dass ihm eine Verhandlung vor dem ganzen Konzil zugesichert worden war. So wird Jan Hus endlich am 5. Juni 1415 zum ersten Mal vor das Konzil geführt, das in dem „Refektorium“, dem Speisesaal des Klosters, tagt. Hier erhält er Gelegenheit, in aller Öffentlichkeit, wenn auch nur kurz, seine Lehren zu verteidigen. Bei den Verhandlungen stehen Hunderte von Anklägern gegen den einen Wehrlosen: Patriarchen, Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe, und schließlich Papst und König. Allesamt stehen sie gegen den einen schlichten Magister aus Prag. Sobald der Angeklagte etwas auf die Anschuldigungen zu erwidern wagt, stürzt sich die ganze Menge mit Geschrei auf ihn. Andere meckern ihr Hohngelächter, um seine Verteidigung unhörbar zu machen. Schweigt er achselzuckend, da seine Stimme in diesem Höllenkonzert doch untergehen muss, jubeln die Ankläger: „Siehst du, jetzt musst du schweigen, weil du nichts zu antworten weißt!“ Sein Urteil scheint schon jetzt festzustehen. „Verbrennt ihn! Verbrennt ihn!“, hallt es durch den Speisesaal. Als schließlich ein großer Tumult entsteht, verstummt er endgültig. So, wie auch einst sein großer Meister vor einem ungerechten Gerichtshof verstummte. Aber die Verhandlungen kommen zu keinem Abschluss – sie werden vertagt und schließlich am 7. und 8. Juni fortgesetzt. Ist sich die hohe Geistlichkeit vielleicht trotz allem nicht einig? Hat Hus noch Fürsprecher? Wir wissen es nicht. Anscheinend ringt man um einen Kompromiss. Aber auch die scharfsinnigsten Theologen können ihn nicht dazu bringen, Zugeständnisse zu machen. Er bleibt fest bei dem, was er aus Gottes Wort erkannt hat. Dabei beruft er sich auf die Heilige Schrift, aber auch auf Aussagen der „Kirchenväter“ aus frühen Tagen der Christenheit. Dann wird Hus zurückgeführt in den Kerker, wird aber nicht sofort hingerichtet. Noch immer hoffen die Kirchenfürsten auf eine Einigung. Einer der Kardinäle legt ihm eine sehr geschickt abgefasste Widerrufsformel vor, die es ihm so leicht wie möglich machen soll, „den Kopf aus der Schlinge“ zu ziehen. Doch Hus will keinen Schwindel, keine Täuschung. Er fühlt sich in seinem Gewissen gebunden an Gottes Wort. Die Qualen, die Hus zu erdulden hatte, mag man sich kaum vorstellen. Festgeschmiedet an kaltes Gestein, sitzt er in der feuchten Dunkelheit seiner Kerkerzelle, umgeben von dem widerwärtigen Gestank einer nahen Kloake, hilflos ausgesetzt den zahlreichen Schikanen seiner Wärter, die unbedingt seinen Widerstand brechen wollen. › Als Häretiker verbrannt Nach weiteren vier Wochen wird er am Vormittag des 6. Juli 1415 vor die feierlich zusammengetretene Vollversammlung des Konzils im Konstanzer Dom (das spätere Münster) geführt. Dort wird er aufgrund seiner Lehren als Häretiker zum Feuertod verurteilt. Nach der Verlesung des Urteils begann Hus laut für seine Feinde zu beten: „Schaue an, barmherzigster Heiland, wie dieses Konzil das als eine Irrlehre verurteilt, was du gelehrt und ausgeübt hast ...“. Aber sein Gebet rief unter den Teilnehmern des Konzils nur hämisches Gelächter hervor. Dann sah er mit großem Ernst König Sigismund an und fügte hinzu: „Ich bin zu diesem Konzil gekommen im Vertrauen auf den Geleitbrief des Königs ...!“ Diese entlarvenden Worte ließen den König offensichtlich nicht unberührt. Seine tiefe Bestürzung stand ihm im Gesicht geschrieben. Was war nun die Urteilsbegründung des Konzils für die Verurteilung zum Flammentod? Da war zunächst sein massiver Angriff gegen das Papsttum. Schon zwei Jahre zuvor, nämlich 1413, hatte Hus in seiner Schrift „De Ecclesia“ (Über die Kirche) die Ansicht vertreten, dass die Kirche eine hierarchiefreie Gemeinschaft sei, in der nur Christus das Oberhaupt sein könne. Es gäbe kein Haupt außer ihm. Den in Konstanz versammelten Kirchenfürsten war klar, dass diese Lehre das ganze päpstliche System ins Wanken bringen würde. Außerdem unterschied Hus zwischen der sichtbaren und der unsichtbaren Kirche. Die wahre Kirche – und damit griff er zurück auf den Kirchenvater Augustin – wurde für ihn gebildet aus den von Gott erwählten Menschen. Nur der von Gott erwählte Mensch konnte ein Glied der wahren Kirche sein. Im Gegensatz dazu sah er ganz klar, dass in der sichtbaren Kirche auch ungläubige, nichterlöste Menschen ihren Platz gefunden hatten. In seiner harten mittelalterlichen Sprache befand Hus, dass es sich hierbei um das „corpus diaboli“ handelte. Und nicht nur das – auch viele Häupter der Kirche seien in Wirklichkeit Glieder des Teufels. Es waren wohl vor allem diese beiden Punkte, die sein Schicksal auf dem Scheiterhaufen besiegelten. Darüber hinaus geißelte er aber auch die Käu ichkeit kirchlicher Ämter (Simonie) und den Handel mit Ablassbriefen. Trotz der klaren Unterscheidung zwischen Gläubigen und Ungläubigen, sah Hus keine Notwendigkeit einer äußerlichen Trennung von der allgemeinen (katholischen) Kirche. Er war ein Kind seiner Zeit und kämpfte leiden- schaftlich für eine grundlegende Reform, eine Erneuerung an Haupt und Gliedern, aber er hatte keine Spaltung der Kirche im Sinn. Auch hielt er an einzelnen Irrtümern der Kirche fest, so an der Lehre der Transsubstantiation, also der Stoffverwandlung während der heiligen Messe. › Der Trost treuer Freunde In seinen letzten Erdentagen ließ der Herr seinen Diener nicht allein. In seinen schwersten Stunden stellte Er ihm einen treuen Freund zur Seite. So wie Paulus kurz vor seiner Hinrichtung in Onesiphorus einen Tröster fand (2Tim 1), der sich seiner Ketten nicht schämte, so war es bei Johannes Hus der Ritter Johann von Chlum, ein tschechischer Adeliger, der sich nicht scheute, den geschmähten, verachteten und in Ketten gebundenen Gefangenen in seiner Zelle aufzusuchen und ihm Worte der Ermunterung zuzusprechen. Am Nachmittag des 6. Juli 1415 wird Johannes Hus in Konstanz zum Scheiterhaufen auf einer Wiese zwischen Stadtmauer und Graben geführt. Als er den Scheiterhaufen sieht, fällt er noch einmal auf seine Knie und betet inbrünstig. Dann wird er ein letztes Mal gefragt, ob er nicht doch durch das Abschwören seiner falschen Lehren dem Feuertod entgehen möchte. Doch er weigert sich – auch jetzt. Aus den Flammen hört man ihn noch beten und das Lob Gottes besingen. Seine Asche streuen die Henker in den Rhein. Größere Verachtung ist kaum vorstellbar. Das war der Glaubensmut eines Mannes, der bis in die heutige Zeit hell leuchtet und uns alle tief beeindruckt. Und nicht nur beeindruckt, sondern auch beschämt. In diesen Wochen jährt sich sein Märtyrertod zum sechshundertsten Mal. In Anspielung auf seinen Namen („Hus“ bedeutet auf deutsch „Gans“), soll Hus vor seiner Verbrennung noch gesagt haben: „Heute bratet ihr eine Gans. Aber aus der Asche wird ein Schwan entstehen!“ Später wurde tatsächlich der Schwan ein weit verbreitetes Symbol für das Luthertum. So dreht sich heute auf vielen lutherischen Kirchturmspitzen statt eines Wetterhahns ein Schwan. Für das reformatorische Zeitalter waren die Weichen gestellt.5

Nachtext

1 Zunächst waren es Gregor XII. in Rom und Benedikt XIII. in Avignon (es war die Zeit der „Babylonischen Gefangenschaft“ der Päpste, obwohl diese of ziell nur von 1309 bis 1377 gerechnet wird). Auf dem Konzil zu Pisa (1409), das sich mit dieser verzwickten Situation zu befassen hatte, kam noch ein weiterer Papst hinzu, nämlich Alexander V. Da Alexander V. aber nur noch ein Jahr lebte, trat dann Johannes XXIII. an seine Stelle. 2 Mancher Leser wird sich fragen: War Johannes XXIII. nicht der Nachfolger von Pius XXII.? Also der Papst, der von 1958 bis 1963 das Ponti kat einnahm und das Zweite Vatikanische Konzil einberief? Das ist korrekt, aber dieser konnte den gleichen Namen wohl nur deshalb annehmen, weil sein Vorläu- fer, der von 1410 bis 1415 das päpstliche Amt besaß, seit dem 20. Jh. als „Gegenpapst“ gerechnet wird. 3 Nach Andrew Miller soll er danach im Schloss Gottlieben bei Konstanz (bei Miller als „Gottleuben“ bezeichnet) inhaftiert gewesen sein. Also an dem Ort, wo auch Hus gefangen gehalten wurde. Dies würde natürlich einer gewissen Ironie nicht entbehren. Aber nach neuerer Geschichtsforschung trifft dies eher nicht zu. Wahrscheinlicher gilt als Ort seiner Gefangenschaft das Heidelberger Schloss. 4 Die Folge war, dass die Konzilsväter ihn wegen dieses ungebührlichen Verhaltens seines päpstlichen Amtes enthoben. Dies war nur möglich,weil zuvor in einem Dekret („Haec sancta“) die übergeordnete Stellung des Konzils (sogar über dem Papst) beschlossen worden war. 5 Luthers Reformation hat im 16. Jahrhundert lediglich in staatliche und kirchliche Form gebracht, was schon lange vor ihm vorbereitet war.

Quellenangaben

Kirchengeschichte von Andrew Miller Internationales BibelStudienInstitut Freie Enzyklopädie nach Wikipedia Biografie „Jan Hus – ein Märtyrer für Christus“