Zeitschrift-Artikel: Mobilität, Agilität, Stabilität Ausbreitungsmechanismen des Evangeliums in der Apostelgeschichte – Teil 1

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Titel: Mobilität, Agilität, Stabilität Ausbreitungsmechanismen des Evangeliums in der Apostelgeschichte – Teil 1
Typ: Artikel
Autor: William Kaal
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Titel

Mobilität, Agilität, Stabilität Ausbreitungsmechanismen des Evangeliums in der Apostelgeschichte – Teil 1

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Die Apostelgeschichte berichtet von der Ausbreitung des Evangeliums in der frühen Christenheit, ausgehend von Judäa über Samaria bis an das Ende der Welt. In 28 Kapiteln erzählt Lukas, wie die Botschaft des Retters ihren Weg in kurzer Zeit von der judäischen Provinz in die Weltstadt Rom fand und an den unterschiedlichsten Orten Menschen zum Glauben an Jesus Christus kamen. Sie berichtet von Personen, die an dieser Ausbreitung maßgeblich beteiligt waren und daher als „Mitarbeiter in dem Evangelium des Christus“ (1Thess 3,2) bezeichnet werden können, und von kleinen und großen Ereignissen, die einen Beitrag zur Verbreitung der frohen Botschaft leisteten. Was können wir von der Ausbreitung des Evangeliums in der Apostelgeschichte lernen? Gibt es wiederkehrende Mechanismen? Welches Geheimnis steckt hinter der rasanten Ausbreitungsgeschwindigkeit? Beim Nachdenken über diese Fragen kann ein Vergleich mit der Natur hilfreich sein. Welche Ausbreitungsmechanismen kennen wir in unserer physikalischen Welt? Da gibt es zum einen Ausbreitungsphänomene, die auf „mobilen Boten“ basieren. Wenn ein Parfümfläschchen zerbricht, erfährt davon das ganze Haus (vgl. Joh 12,1–8), weil sich die entfesselten Duftstoffe auf eine weite Reise begeben und durch ihre bloße Existanz überall, wohin sie getrieben werden, das Ereignis kundtun. Kleinste Moleküle überwinden dabei unglaubliche Distanzen und führen trotz massiver Unterzahl zu einer eindeutigen Signalwirkung. Man könnte diesen Ausbreitungsmechanismus das Prinzip der Mobiliät nennen. Andererseits können sich Effekte in unserer Welt aber auch ganz ohne mobile Boten ausbreiten. Wenn eine Posaune geblasen wird, nimmt es die ganze Umgebung wahr (vgl. Neh 4,12–14), weil sich der Schall weiträumig ausbreitet. Allerdings gibt es keine „Schall-Moleküle“, welche die räumliche Distanz vom Instrument zum Hörer überwinden. Die Luftmoleküle, die an der Schallausbreitung beteiligt sind, bleiben mehr oder weniger ortsfest. Sie werden aber durch die Posaune in Schwingung versetzt und regen dabei ihre benachbarten Moleküle an, die wiederum ihre benachbarten Moleküle in Schwingungen versetzen. Das Ganze geschieht mit unglaublicher Geschwindigkeit, sodass in Sekundenschnelle das Umfeld mit Schall erfüllt wird. Diesen Ausbreitungsmechanismus, der auf der ansteckenden Wirkung benachbarter Teilchen beruht, könnte man das Prinzip der Agilität nennen. Natürlich ist diese Einteilung sehr vereinfachend, aber es ist erstaunlich, wie viele Ausbreitungsphänome unserer Welt man in diese Kategorien einsortieren kann. Das gilt nicht nur für Alltagsphänomene zu Hause, sondern sogar für globale Katastrophen: Wenn eine Ölplattform sinkt, breitet sich die Ölpest nach dem Prinzip der Mobilität aus, da Öl von der Quelle bis zu den betroffenen Stränden getrieben wird. Wenn es ein Seebeben gibt, breiten sich riesige Wellen nach dem Prinzip der Agilität über das Meer aus, die zu verhehrenden Folgen an den Küsten führen können. Es ist interessant, dass wir diese beiden Mechanismen in der Apostelgeschichte bei der Ausbreitung des Evangeliums nden. Da gibt es zum einen „mobile Boten“, die weite Strecken auf sich nehmen, um nach dem Prinzip der Mobilität das Evangelium zu verbreiten. Von ihnen spricht Paulus, der selbst das beste Beispiel dafür ist, im Römerbrief: „Wie lieblich sind die Füße derer, die das Evangelium des Guten verkünden“ (Röm 10,15). Aber immer wieder wirkt dort, wo das Evangelium hingetragen wird, auch das Prinzip der Agilität. Menschen werden so „in Schwingung versetzt“, dass ihr Glaube ansteckend ist und sich in ihrem Umfeld ausbreitet. So lobt Paulus die Thes- salonicher: „Denn von euch aus ist das Wort des Herrn erklungen; nicht nur in Mazedonien und Achaja, sondern überall ist euer Glaube an Gott bekanntgeworden“ (1Thess 1,8). Anhand von zehn Sequenzen sollen in einem Schnelldurchgang durch die Apostelgeschichte diese beiden Ausbreitungsmechanismen gezeigt und mit kurzen, praktischen Anwendungen für Mitarbeiter am Evangelium verknüpft werden: › 1. Die Gemeinde in Jerusalem – eine Gemeinschaft, die auffällt Nach der Himmelfahrt des Herrn und der Wahl von Matthias zum zwölften Apostel berichtet Lukas in Kapitel zwei von den Ereignissen zu Pfingsten. Wie von ihrem Herrn verheißen empfangen die Jünger den Heiligen Geist und Petrus predigt in Jerusalem mit großer Freimütigkeit vor vielen Festbesuchern. An einem Tag werden 3.000 Menschen gläubig und lassen sich taufen. Zu Recht gilt Pfingsten als Geburtsstunde der Gemeinde. Die jungen Christen dieser neu entstandenen Gemeinde sind aber eher durch Agilität als durch Mobilität gekennzeichnet. Lukas berichtet, dass sie zunächst in Jerusalem bleiben und in der Lehre der Apostel, der Gemeinschaft, dem Brotbrechen und dem Gebet verharren (2,42). Es geschehen außergewöhnliche Wunder (2,43) und die Christen teilen ihre Habe (2,44). Täglich treffen sie sich, um Gott zu loben und gemeinsam zu essen (2,46). Dieses intensive Gemeindeleben bleibt nicht ohne Wirkung auf das Jerusalemer Umfeld. Die Gläubigen haben Gunst beim ganzen Volk (2,47), sind also bekannt und werden offensichtlich sogar wohlwollend respektiert. Und Gott lässt die Gemeinde wachsen: „Der Herr aber fügte täglich hinzu, die gerettet werden sollten.“ (Apg 2,47) Anwendung: Sei als Mitarbeiter am Evangelium ein lebendiges Teil einer Ortsgemeinde und lebe ein intensives Gemeindeleben. Das sollte eine Grundvoraussetzung für jeden Mitarbeiter sein. Ein intensives Gemeindeleben wirkt zwangsläufig nach außen. Weiß dein Umfeld, dass du in eine Gemeinde gehst? Dass dir die Veranstaltungen dort wichtig sind? Merkt man, dass dort echte Gemeinschaft gelebt wird? › 2. Petrus und Johannes – gewohnheitsmäßiges Gebet und spontane Hilfe Das nächste markante Ereignis in der Apostelgeschichte, das sehr weitreichende Folgen hat, ist die Heilung des Gelähmten in Kapitel drei. Die Geschichte entspringt einer gewöhnlichen Alltagssituation. Auf dem Weg zum Gebet im Tempel begegnen Petrus und Johannes einem lahmen Bettler. Offensichtlich sind sie gewohnheitsmäßig unterwegs um „zur Stunde des Gebets“ im Tempel zu sein. Trotzdem haben sie auf dem Weg dorthin einen Blick für die Not des Gelähmten und helfen ihm sofort (als Apostel auf eine Weise, wie wir das nicht können). Lukas berichtet dann davon, wie diese kurze Begebenheit Kreise zieht. Viele sehen den Geheilten umherspringen und Gott loben, und Petrus nutzt spontan die Aufmerksamkeit, um vor vielen Menschen zu predigen – mit dem Ergebnis, dass wieder sehr viele Menschen zum Glauben kommen: „Viele aber von denen, die das Wort gehört hatten, glaubten; und die Zahl der Männer wurde etwa fünftausend.“ (Apg 4,4) Auch hier wirkt wieder das Prinzip der Agilität. Petrus und Johannes gehen weder gezielt zu dem Gelähmten, noch legen sie dabei eine große Strecke zurück, um das Evangelium zu verkündigen. Die Begegnung mit dem Gelähmten geschieht in ihrem Alltag, aber sie führt zur Ausbreitung des Evangeliums. Anwendung: Nimm regelmäßige Gebetstreffen wahr, auch wenn bzw. damit sie zur Gewohnheit werden. Sei gespannt, was Gott dadurch tun kann. Habe einen Blick für Menschen in Not in deinem alltäglichen Umfeld – und überlege, wie du Not lindern und das mit der Weitergabe des Evangeliums verbinden kannst. Übe dich darin, mit Spontaneität und Kreativität Begegnungen im Alltag für das Evangelium zu nutzen. › 3. Philippus – ein Abstecher, der sich lohnt Erst durch die Verfolgung, die mit der Steinigung des Stephanus einsetzt, werden die ersten Christen bei der Aus- breitung des Evangeliums zur Mobilität gezwungen: „An jenem Tag entstand aber eine große Verfolgung gegen die Gemeinde in Jerusalem; und alle wurden in die Landschaften von Judäa und Samaria zerstreut ... Die Zerstreuten nun gingen umher und verkündigten das Wort.“ (Apg 8,1) Ein erstaunlich mobiler und eifriger Evangelist, den Lukas in diesem Kontext besonders hervorhebt, ist Philippus: „Philippus aber ging hinab in eine Stadt Samarias und predigte ihnen den Christus.“ (Apg 8,5) Dieser Philippus wird einmal auf die entlegene, selten benutzte Straße geschickt, die von Jerusalem nach Gaza führt – und er geht, obwohl sein Auftrag zunächst unklar bleibt und der Zielort öde scheint. Aber genau dort begegnet er dem äthiopischen Kämmerer, der beim Lesen der Jesaja-Rolle Verständnisprobleme hat und dem Philippus anhand von Jesaja 53 das Evangelium erklären kann. Der Kämmerer kommt zum Glauben und lässt sich noch auf dem Weg von Philippus taufen, bevor er freudestrahlend seinen Weg alleine weiterzieht. Wahrscheinlich wäre Philippus dem Kämmerer als Ausländer und zudem als hochstehenden Beamten nie in seinem normalen Alltag begegnet. Deswegen war dieser Abstecher notwendig, damit dieser offensichtlich von Gott vorbereitete Mann zum Glauben kommen konnte. Und wir können uns gut vorstellen, dass sich durch ihn das Evangelium in seiner Heimat weiter ausbreitete. Anwendung: Lass dir von Gott Menschen zeigen, zu denen du gezielt gehen kannst, um ihnen das Evangelium zu sagen. Wo gibt es Menschen, mit denen du sonst keine Berührungspunkte hättest, die du mit dem Evangelium vertraut machen kannst? Nutzen wir die Möglichkeiten, die sich dadurch ergeben, dass viele Ausländer oft nur vorübergehend in Deutschland sind? Vertraue darauf, dass Gott Menschen vorbereitet hat, so wie man das hier eindrucksvoll sehen kann. › 4. Tabitha – die „stumme“ Missionarin In Kapitel neun gibt es mit Tabitha ein gutes Beispiel für das Prinzip der Agilität. Sie wird als eifrige Jüngerin beschrieben, die viel Gutes tut. Sie ist reich an guten Werken und gibt Almosen (9,36). Sie kümmert sich besonders um Witwen, denen sie als geschickte Schneiderin Kleider näht (9,39). Sie ist in ihrem Umfeld bekannt als eine hilfsbereite, dienende Frau. Wahrscheinlich ist sie ledig und offensichtlich ortsfest in Joppe beheimatet. Als sie plötzlich stirbt, ist die Bestürzung groß. Man lässt Petrus holen und zeigt ihm die von ihr genähten Kleider. Dieser weckt sie dann durch ein Wunder von den Toten auf, wovon ganz Joppe erfährt: „Es wurde aber durch ganz Joppe hin bekannt, und viele glaubten an den Herrn.“ (Apg 9,42) Die wundersame Auferweckung dieser treuen Jüngerin ist Anlass für eine kleine Erweckung in Joppe. Ist es nicht beeindruckend, wie Gott hier Tabitha benutzt, damit sich das Evangelium ausbreitet? Tabitha hätte sich bestimmt nie als Missionarin bezeichnet, vielleicht hat sie nie direkt das Evangelium weitergegeben. Von ihr ist kein einziges gesprochenes Wort überliefert. Aber ihr Zeugnis als eine Christin, die eifrig war in guten Werken, trug zur Ausbreitung des Evangeliums bei. Anwendung: Wenn du plötzlich sterben würdest – welche „Kleider“ könnte man präsentieren, die deinen praktisch gelebten Glauben demonstrieren? Sei eifrig darin, praktisch viel Gutes zu tun, und werde nicht müde darin (Gal 6,9). Du wirst dadurch einen größeren Beitrag zur Ausbreitung des Evangeliums leisten, als du vielleicht denkst. › 5. Kornelius – der erste evangelistische Hauskreis Im folgenden Kapitel liest man die bekannte Geschichte von der Bekehrung des Kornelius. Sie ist natürlich ein eindrückliches Beispiel für das Prinzip der Mobilität – denn Petrus ist noch in Joppe, als er von den Boten des Kornelius gerufen wird und sich auf den Weg nach Cäsarea macht. Bei einer Distanz von über 40 km bedeutet das für ihn eine mindestens eintägige Reise. Aber die Geschichte ist auch ein schönes Beispiel für das Prinzip der Agilität. Denn Kornelius selbst bleibt während der ganzen Geschichte ortsfest in seinem Haus. Und doch trägt er entscheidend zur Ausbreitung des Evangeliums bei, denn er hat „seine nächsten Freunde und Verwandten“ (10,23.24) eingeladen, als Petrus kommt, um das Evangelium zu erklären. Man könnte ihn als „Gastgeber des ersten evangelistischen Hauskreises“ bezeichnen. Er sorgt dafür, dass nicht nur er selbst, sondern auch sein Umfeld die Worte des Petrus hört. Und das hat weitreichende Auswirkungen! Viele Heiden kommen zum Glauben, und erst jetzt wird deutlich, dass Gott „auch den Nationen die Buße zum Leben gegeben“ hat (Apg 11,18). Anwendung: Gibt es evangelistische Hauskreise in deiner Nähe, zu denen du Freunde und Verwandte einladen kannst? Könnte nicht sogar bei dir zu Hause ein solcher Hauskreis stattfinden? Nutze die Tatsache, dass sich Leute oft leichter nach Hause als in Gemeinderäume einladen lassen.

Nachtext

Quellenangaben