Zeitschrift-Artikel: Sei nicht weise in deinen Augen

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Titel: Sei nicht weise in deinen Augen
Typ: Artikel
Autor: Klaus Güntzschel
Autor (Anmerkung):

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Titel

Sei nicht weise in deinen Augen

Vortext

Text

Vergeblich wird man diesen Rat in den Rahmenlehrplänen der deutschen Bundesländer suchen: „Sei nicht weise in deinen Augen.“ Deshalb sollten wir Eltern unbedingt diese Lehr-Lücke ausfüllen! Dein Sohn oder deine Tochter wird an deutschen Lehranstalten mit großer Wahrscheinlichkeit genau das Gegenteil lernen. Pflege dein Facebook-Profil! Mach was aus dir! Stell dich vorteilhaft dar! Mehr Schein als Sein ist gefragt! Da ist dieser Rat Salomos – wir erinnern uns: der weiseste Mann, der je lebte – wie eine kühle Dusche. „Sei nicht weise in deinen Augen.“ Er will seinem Sohn damit zur Vorsicht raten. Du bist nicht das Maß aller Dinge. Und „deine Augen“, d.h. deine eigene Persönlichkeit, eignen sich denkbar schlecht für die eigene Beurteilung, genauso wenig wie die Einschätzung anderer. Mach dich nicht selbst zum Referenz-Maßstab! Was für ein Lebensbalsam ist doch dieser Rat. Wie kann er uns und die nächsten Generationen vor törichten Fehlern der Selbstüberschätzung bewahren und uns in unserer Hilflosigkeit dahin treiben, wo wahrhaft objektive Beurteilungen zu erwarten sind – zum HERRN selbst. Genau dahin verweist Salomo seinen Sohn: „Fürchte den HERRN und weiche vom Bösen.“ Wie einfach könnte doch das Leben sein! Wieviel Tränen und Narben könnten wir uns ersparen, wenn wir doch dieses Wort in kindlicher Einfalt beherzigen würden. Im Übrigen gibt uns die Bibel beeindruckenden Anschauungs-Unterricht in punkto „Weise sein in den eigenen Augen“. Da ist z.B. Referenz-Objekt Lamech in 1. Mose 4. Er hebelte als Erster in der Bibel die Ehe aus und nahm sich zwei Frauen. Die musste er natürlich beide beeindrucken und deshalb sagte er ihnen: „Ada und Zilla, hört meine Stimme; Frauen Lamechs, horcht auf meine Rede!“ (1Mo 4,23). Er meinte, das Maß aller Dinge zu sein, auf seine Stimme sollte man hören. Was dann in Vers 24 folgt, ist ein Paradebeispiel für Selbstvermessenheit und besondere Grausamkeit. Verglichen mit den Schlagzeilen heute kann man sagen: Nichts Neues unter der Sonne! Wenn man von Lamech schon nicht viel Gottesfurcht erwartete, so doch von Asa oder Hiskia. Aber auch sie hatten Phasen in ihrem Leben, in denen sie sich sehr weise in ihren Augen fanden. Asa, ein gottesfürchtiger König von Juda, dessen Geschichte uns in 2. Chronika 14–16 erzählt wird, vergisst am Ende seines Lebens die Treue Gottes, die ihm durch manche Not hindurchgeholfen hat. Er ist weise in seinen Augen und stützt sich auf einen heidnischen König. Auf diesen Fehler von Gott angesprochen, steckt er den Boten ins Gefängnis und wird ärgerlich. Wie dumm! Besessen von Selbstgerechtigkeit und um sich schlagend wie ein eingeschnapptes Kind, beendet er in Torheit sein Leben. Hiskia, ebenfalls ein gottesfürchtiger König des Südreiches, steht in Verbindung mit einer der größten Erweckungen in der Geschichte der Könige von Israel und Juda. Als er sich schon in der „Verlängerung“ seines Lebens befindet, packt ihn plötzlich der Stolz auf seine Kontostände. Als er dem Fürsten von Babel stolz von seinen Renditen berichtet, verlässt ihn Gott. Warum, Hiskia? Hattest du vergessen, wer es dir gab? Hattest du den Erfolg auf deine eigenen Fahnen geschrieben? Warum wurdest du weise in deinen Augen? Wohltuender Kontrast ist z.B. Josaphat. Was für eine bemerkenswerte Persönlichkeit! Als ein gewaltiger Feind vor den Toren der Stadt steht, fühlt sich Josaphat gedrängt, eine Regierungserklärung abzugeben. Diese sollte übrigens in keiner Fortbildung für Bundestags- Abgeordnete fehlen. Sie enthält im wesentlichen zwei Aussagen: „Wir wissen nicht, was wir tun sollen“ und „In uns ist keine Kraft“ – nachzulesen in 2. Chronika 20. Wie wohltuend und ermutigend wäre so eine Aussage von Regierungs-Vertretern der Europäischen Union! Es würde zeigen, dass wir gelernt hätten, dass die Himmel herrschen, und wir es allein nicht schaffen. Nein, wir schaffen es nicht! Aber von Josaphat lernen wir, was Salomo gemeint hat mit: „Sei nicht weise in dei­ nen Augen“ Sagen wir es unseren Kindern, damit sie vor Hochmut und Selbstverliebtheit bewahrt bleiben. Sagen wir es uns selbst, damit nicht wir es sind, die unsere Kinder durch schlechte Vorbilder zum Scheitern bringen.

Nachtext

Quellenangaben

Vorabdruck aus Klaus Güntzschel: „Das Herz der Väter – Ein Plädoyer für das Vatersein“, CLV, erscheint voraussichtlich Mai/Juni 2016