Zeitschrift-Artikel: untERSchIEde - DIE NEUE LINIE DER EVANGELISCHEN ALLIANZ IN DER GESCHLECHTERFRAGE

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Titel: untERSchIEde - DIE NEUE LINIE DER EVANGELISCHEN ALLIANZ IN DER GESCHLECHTERFRAGE
Typ: Artikel
Autor: Wolfgang Bühne
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Titel

untERSchIEde - DIE NEUE LINIE DER EVANGELISCHEN ALLIANZ IN DER GESCHLECHTERFRAGE

Vortext

Text

Die Kommission für Frauenfragen der Weltweiten Evangelischen Allianz (World Evangelical Fellowship, WEF) hat dieses Buch als Arbeitsmaterial erarbeitet und herausgegeben, „um den Bedürfnissen nach fundierten Kenntnissen in diesem Themenbereich Rechnung zu tragen“ (S.12). Diese Kommission, die aus 17 Frauen (meist Theologinnen) aus aller Welt besteht, hofft, das dieses Dokument „Männern als auch Frauen hilft, die traditionellen Lehrmeinungen zur Rolle der Frau neu zu überdenken“ (S.11). Mit diesem Buch möchte der Hauptvorstand der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA) „ein neues Nachdenken eröffnen und empfiehlt dazu das vorliegende Dokument der WEF-Frauenkommission einer breiten Öffentlichkeit“ (S.9). Rudolf Westerheide, der Referent der DEA, hat dieses Buch mit einem Vorwort versehen und stellt gleich zu Beginn fest, dass „mit Ausnahme weniger Freikirchen und einiger Inseln des innerkirchlichen Pietismus“ (S. 7) Frauen sich in kirchen- und gemeindeleitenden Gremien befinden und fordert zu einem „entweder – oder“ auf: entweder Frauen Leitungsaufgaben und Predigtdienste zu verbieten, oder aber „Vorreiter zu sein, die Frauen mit ihren Leitungsgaben in die Gemeinde einzubinden“. Letzteres scheint das Ziel dieses Buches zu sein. Daher soll und kann man nach der Lektüre des Buches auch nicht neutral bleiben, sondern der Leser muß auch zu einem „entweder – oder“ kommen. Zunächst wird in dieser Dokumentation zur Überprüfung der biblischen und traditionellen Sichtweisen aufgefordert, dann wird die Rolle der Frau im Alten Testament (AT) behandelt, in einem weiteren Kapitel die „neue Sichtweise der Erlösung“ dargestellt, und schließlich werden die „kulturellen Einflüsse“ offengelegt und zur daraus folgenden Konsequenz aufgefordert. Nun müßte man ein weiteres Buch schreiben, um auf alle Argumente der Autorinnen einzugehen. Um dem Leser das zu ersparen, versuche ich die zentralen Aussagen dieses Dokumentes herauszustellen und kurz zu beurteilen. Wie sieht die „neue Sichtweise“ aus? Die Autorinnen versuchen deutlich zu machen, dass Autoritätsstrukturen zwar durch den Sündenfall in die Welt gekommen, aber durch die Erlösung aufgehoben worden sind. Da die „männliche Vorherrschaft“ zu den Folgen der Sünde gehöre, habe Christus durch die Erlösung eine „neue Ordnung“ gebracht und daher müsse „Dominanz als unbiblisch“ abgelehnt werden (S.28). „Die durch Jesus Christus erworbene Erlösung (und nicht die Folgen der Sünde) hat diese neue Ordnung ermöglicht. Sie fordert deshalb von uns, dass wir die gesamte Schrift durch das Fenster der Erlösung betrachten und nicht durch das Fenster des Sündenfalls.“ (S.29) Daher stellen die Autorinnen in diesem Buch ein Modell vor, das „nicht mehr auf Macht, sondern auf Begabung basiert“. Mit anderen Worten: Innerhalb der Gemeinde sollen in Zukunft nicht mehr Autoritätsstrukturen entscheiden, sondern allein die Begabung. Wenn daher eine Schwester eine Lehrgabe oder organisatorisches Talent hat, sollte sie ihre Gabe in der Verkündigung innerhalb der Gemeinde, oder auch in der Leitung der Gemeinde einsetzen können. Interessant ist die Behauptung der Autorinnen, dass es vor dem Sündenfall keine Rangordnung gegeben habe, sondern Adam und Eva als gleichwertige Partner geschaffen wurden. So wird z. B. in Bezug auf 1Mo 2 geäußert: „Der Gedanke, der Mann sei der Frau überlegen, weil er zuerst geschaffen wurde, ist in diesem Text nicht enthalten, sondern wurde (von außen) in ihn hineingelegt“ (S.34). „In diesem Kapitel finden wir keinen einzigen Hinweis auf Hierarchie, Unterordnung, Patriarchart oder auch nur Gehorsamspflicht. Solche Inhalte sind in diesen Stellen nur zu finden, wenn sie durch voreingenommene Interpretation hinein gelesen wurden.“ (S.38) Autorität und Unterordnung seien also niemals Gottes ursprünglicher Plan, sondern ausschließlich Folgen des Sündenfalles gewesen. Die Rolle der Frau im Alten Testament Aus der Tatsache, dass es im AT eine Richterin, Königinnen und Prophetinnen gegeben hat, schliessen die Autorinnen, dass „Frauen in der hebräischen Gesellschaft jedes Amt außer dem Priesteramt ausüben konnten“ (S. 45). Es wird zugegeben, dass das nur von wenigen Frauen berichtet wird, „aber bei Gott sind sie keine ›Ausnahmen‹, weil es um seinen uneingeschränkten Willen und seine Berufung geht“ (S. 51). Außerdem sei es unbiblisch, sich Gott als Mann vorzustellen. Um der Vorstellung entgegenzuwirken, Gott sei männlich, werden u.a. folgende Lösungsvorschläge zur Diskussion gestellt: ? Gott als Vater und Mutter zu bezeichnen ? Alle Bezeichnungen Gottes, die maskulin verstanden werden (z.B. König, Meister, Herr, Sohn, Vater) wegzulassen. ? Maskuline Pronomen zu vermeiden und anstelle von „er selbst“ „Gott selbst“ zu sagen. (S.54) Die Lehre des Apostel Paulus Problematisch wird es für die Autorinnen, die klaren Anweisungen des Apostel Paulus in Bezug auf die Stellung der Frau neu zu definieren und so halten sie „eine ganz neue Sicht der Briefe des Paulus“ für erforderlich (S.71). Z.B. wird der Begriff „Haupt“ in 1 Kor 11 als „Quelle“ definiert und erklärt: „Im griechischen Grundtext schrieb Paulus, dass eine Frau Macht oder Rechte in Bezug auf ihr Haupt habe. ›Die einzige Autorität, von der hier die Rede ist, ist die Autorität der Frau‹. Was dies im Einzelnen heißt, darüber lässt sich streiten, aber es kann auf keinen Fall bedeuten, dass der Mann Autorität über sie haben soll“ (S.79). Auch für das „Schweigegebot“ der Frauen in der Gemeindeversammlung in 1Kor 14 hat man eine eigenartige Erklärung: „Da es in den Anweisungen des Paulus um Ordnung im Gottesdienst geht, ist es vollkommen einleuchtend, dass er darum bittet, keine Privatgespräche zu führen, damit der Gottes- dienst nicht durch lautes Gerede gestört wird.“ (S.86) Die Frauen in Korinth werden als möglicherweise ungebildet dargestellt, die den „Gottesdienstverlauf durch einfältige Fragen gestört haben oder durch Privatgespräche zu viel Lärm machten.“ (S.87). Die danach folgenden Ausführungen über „Autorität“ des Mannes und „Unterordnung“ der Frau gipfeln in dem Zitat von Faith Martin: „Diese Irrlehre wurde durch eine in Autorität verliebte und von Männern dominierte Kultur in die christliche Theologie eingeführt“ (S.130). Die Konsequenz Das Ziel und die Schlussfolgerungen dieses Buches werden auf den letzten Seiten deutlich ausgedrückt: „In allen Leitungsgremien sollten neben Männern auch Frauen vertreten sein, weil sie in jede Situation neue Perspektiven einbringen können ... Die Kirche braucht die spezifischen Führungsqualitäten der Frauen, und um diese Qualitäten nutzen zu können, muss womöglich der Führungsstil der Gemeindeleitungen entsprechend geändert werden.“ (S.134) „In der Aussage des Paulus, ›in Christus gibt es weder Mann noch Frau‹ steckt ein Grundsatz, den wir in unserem Alltag umsetzen sollen: Christus ist gekommen, um die kulturell bedingten Unterschiede und Folgen der Sünde abzuschaffen. Damit kehren wir zur ursprünglichen Schöpfungsordnung zurück – hier wird also keine Rangfolge vorgegeben, sondern sie wird abgeschafft.“ (S.136) Da dieses Dokument vom Hauptvorstand der DEA einer „breiten Öffentlichkeit“ empfohlen wird, um ein „neues Nachdenken“ zu eröffnen, stehen den wenigen Freikirchen und Gemeinschaftskreisen, die sich der Allianz verbunden fühlen und in der „Frauenfrage“ bisher einen biblisch-konservativen Standpunkt vertreten haben, wahrscheinlich einige heftige Auseinandersetzungen bevor. Was ist zu diesem Buch zu sagen? Um den Rahmen nicht zu sprengen, möchte ich mich auf einige thesenhafte Sätze beschränken, die sicher etwas provokativ scheinen, aber hoffentlich zum Weiterdenken anregen. 1)An den emanzipatorischen Ten- denzen der Frauen in vielen Gemeinden sind zunächst einmal die Männer selbst schuld. Wenn Männer ihren Führungsauftrag und ihre Führungsverantwortung nicht ernst nehmen und in einer geistlichen Haltung ausführen sondern zu „Weicheiern“ degenerieren, braucht man sich nicht wundern, wenn sich Frauen emanzipieren und – wie in diesem Buch – die Führung übernehmen und den Männern zeigen wollen, wo es lang zu gehen hat. 2)Die Behauptung der Autorinnen, vor dem Sündenfall habe es „keinen einzigen Hinweis auf Hierarchie, Unterordnung“ usw. gegeben, ist falsch! In 1Mo 2,18 wird ausdrücklich gesagt, dass Gott die Frau als Hilfe für den Mann geschaffen hat. Auch 1Kor 11,9 nimmt darauf Bezug: „Denn der Mann wurde auch nicht um der Frau willen geschaffen, sondern die Frau um des Mannes willen.“ Auch in 1Tim 2,13 wird das Lehrverbot der Frau mit dem Argument begründet: „denn Adam wurde zuerst gebildet, danach Eva ...“ Damit wird schon vor dem Sündenfall die im AT immer wieder angeordnete und bestätigte Autorität des Erstgeborenen angedeutet. 3)Zu behaupten, mit der Erlösung sei Unterordnung als Folge des Sündenfalls aufgehoben, ist falsch! Weitere Folgen des Sündenfalls wie Krankheit, Tod, Arbeit im „Schweiß des Angesichtes“ usw. sind durch die Erlösung auch nicht aufgehoben. Vor dem Sündenfall, nach dem Sündenfall und auch nach Golgatha finden wir deutliche Anordnungen für die Rollenverteilung von Mann und Frau, was Führung und Unterordnung betrifft (vgl. 1Kor 11,3). 4)Aufmerksame Bibelleser wissen, dass es in der Bibel nicht um „Dominanz“, oder „Überlegenheit“ des Mannes geht, oder gar um „Minderwertigkeit“ der Frau. Mann und Frau sind gleichwertig und was ihre Stellung vor Gott betrifft, gibt es keinen Unterschied. Aber Gott hat dem Mann die Aufgabe übertragen zu führen und Verantwortung zu übernehmen. Die Frau hat vor allem eine helfende, den Mann ergänzende Aufgabe in freiwilliger Unterordnung. Joachim Cochlovius hat das in seiner aktuellen Schrift „Die Frau in der Nachfolge Jesu heute“ sehr schön ausgedrückt: „Der Mann ist von Gott zum Haupt-sein bestimmt, also zur Verantwortung für seine Frau und Kinder, zum Schutz und zur ganzheitlichen Fürsorge ... Die Frau findet ihr gottgewolltes und unüberholbares Leitbild in ihrer Bestimmung zum Hilfe-sein ... Sie darf in Gottes Namen und in Gottes Auftrag einer hilfsbedürftigen Welt und in einem besonderen Sinn ihrem Ehemann Hilfe bringen und sein.“ 5) 1Kor 14 ist für jeden, der aufrichtig Gottes Wort liest, eindeutig begründet und deutlich ausgesprochen. Alle intelligenten Versuche dieses Buches, die klaren Anweisungen Gottes durch andere Übersetzungsmöglichkeiten, Hinweise auf kulturelle Hintergründe, durch Zitate und Untersuchungen von Theologen zu relativieren oder nach eigenen Wünschen umzudeuten und zu biegen, sind fadenscheinig und erinnern an die Sprache der Schlange im Garten Eden: „Sollte Gott wirklich gesagt haben ...?“ 6) Der Dienst in der Gemeinde darf niemals allein von der Begabung her bestimmt sein, sondern muß mit Gottes Anweisungen übereinstimmen. Frauen sind ohne Frage in vielen Fällen begabter als die Männer. Das rechtfertigt aber nicht, die klaren Vorschriften des Wortes Gottes als zeitbezogen und als heute nicht mehr gültig zu relativieren. König Ussija hatte das in seiner Überheblichkeit versucht und wurde deshalb von Gott mit Aussatz geschlagen (2Chr 26, 16-20). Rudolf Westerheide hat in seinem Vorwort zu diesem Buch von einem „entweder – oder“ geschrieben, vor dem die Gemeinde heute steht. Ich halte das „entweder“ für biblisch: „Entweder Gottes Wort verbietet der Frau eindeutig Leitungsfunktionen und Predigtdienste in der Gemeinde. Dann gilt das in alle Ewigkeit, und wir müssen uns daran halten, auch wenn der Rest der Welt mit purem Entsetzen reagiert“ (S.9). Kann es sein, dass die heutige „Frauenfrage“ zu einem Prüfstein für unsere Treue und unseren Gehorsam Gott und seinem Wort gegenüber wird?

Nachtext

Quellenangaben