Zeitschrift-Artikel: Nur aus zweiter Hand? - Von den Ursachen unserer geistlichen Armut

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Titel: Nur aus zweiter Hand? - Von den Ursachen unserer geistlichen Armut
Typ: Artikel
Autor: Watchman Nee
Autor (Anmerkung): Der Chinese Nee To-Sheng lebte von 1903-1972. Als Student fand er 1920 zum lebendigen Glauben an den Herrn Jesus Christus. Als Christ wurde er später unter dem Namen ‘Watchman’ (engl.: Wächter) bekannt. Nach der kommunistischen Machtergreifung wurde er 1952 wegen seines Glaubens verhaftet. Er verbrachte etwa 20 Jahre seines Lebens in Gefangenschaft. Erst kurz vor sei- nem Tod kam er frei. Nur wenige Christen haben durch ihr stummes Leid so aufhorchen lassen wie Nee To-Sheng.

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Titel

Nur aus zweiter Hand? - Von den Ursachen unserer geistlichen Armut

Vortext

Als Traurige, aber allezeit uns freuend; als Arme, aber viele reich machend; als nichts habend und alles besitzend. 2Kor 6,10

Text

Manche Christen sind arm, obwohl sie nicht in äußerer Not sind. Ihnen mangelt es an geistlicher Realität. Was sie besitzen, genügt nicht einmal, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Wie könnten sie da je daran denken, etwas weitergeben zu können? Aber Gott sei Dank gibt es auch Christen, die reich sind. Bei solchen kann man weder die geistliche Tiefe ergründen noch die innere Größe ermessen. Zu ihnen kann man gehen, sooft Schwierigkeiten auftauchen, es wird einem geholfen werden. Es scheint so, als könne man ihnen mit keinem Problem kommen, über das sie nicht Bescheid wüßten. Aus ihrer Fülle stillen sie Mangel, daher können sie geben, was anderen fehlt. Sie sind mit Christus in Berührung gekommen, daher sind sie reich. Ob eine Gemeinde als „goldener Leuchter“ taugt, das heißt, ob sie wirklich für den Herrn zu zeugen vermag, hängt davon ab, wie viele Christen im Glauben reich sind und wie viele andern zu helfen imstande sind. Natürlich können wir es bei geistlichem Mangel auch so halten wie jener Freund, von dem Jesus erzählte: Er klopfte einfach bei seinem Freund und borgte sich Brot von ihm, weil er seinem Gast nichts vorzusetzen hatte (Lk 11, 5+6). Doch der Herr fordert seine Jünger auf: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ (Mt 14,16). Wie viele „Brote“ haben wir eigentlich? Natürlich dürfen wir in Notlagen immer für unseren Mangel borgen und Gott wird uns gnädig sein. Trotzdem, solche Notgebete sind kein Ersatz für eigenen Reichtum. Wie traurig, wenn unser Brot aus zweiter oder dritter Hand kommt und bei uns kein Wachstum in geistlichen Dingen festzustellen ist! Worin besteht die Ursache der Armut? Sie besteht in einem Mangel an Züchtigung und Prüfung durch den Heiligen Geist. Laßt uns doch zur Kenntnis nehmen, dass alle, die reich sind vor Gott, Menschen sind, die vieles durchgemacht und Gott erlebt haben. Ihre Erfahrungen und ihr Leben mit Gott machen die Gemeinde reich. So verhelfen viele Krankheiten der Gemeinde zu Reichtum und dienen viele Schwierigkeiten, Leiden und Enttäuschungen dazu, die Gemeinde reich zu machen. Schaut auf die Menge der Christen, die ihre Tage in Ruhe und Behaglichkeit verbringen. Das Resultat ist geistliche Armut. Sie können es nicht verstehen, wenn andere Brüder und Schwestern Schwierigkeiten haben, und sind außerstande, irgendwelche geistliche Hilfe anzubieten. Sie haben keine Vergangenheit vor Gott. Der Heilige Geist hat keine Gelegenheit, ihnen die Realität Christi kundzutun, weil ihm die Möglichkeit fehlt, sie innerlich mit Christus zu verbinden. Wie oft sie auch das Wort gehört haben mögen, das Hören ist kein Ersatz für das Werk des Heiligen Geistes in uns. Wer das Wirken des Heiligen Geistes dämpft, dem wird der Reichtum Christi nie zum persönlichen Reichtum. Deshalb haben solche auch nichts, womit sie andern helfen könnten. Ob wir Gott nützlich sind oder nicht entscheidet sich daran, wieviel der Heilige Geist in uns wirken konnte. Ein Christ sollte nicht ausweichen, wenn der Heilige Geist sich um ihn bemüht. Wir glauben, dass der Herr keinen fallen läßt, der sich seiner Hand anvertraut. Wir glauben, dass jede Prüfung zum Ziel hat, geistlichen Reichtum zu schaffen. Jede Prüfung erzeugt größeren Reichtum. Jede Schwierigkeit hilft uns, Gott besser kennenzulernen. Und dadurch werden wir tüchtig, den Bedürfnissen der Kinder Gottes zu begegnen. Eine Schwester, die im Alter von dreizehn Jahren den Herrn angenommen hatte, wurde 103 Jahre alt. In ihrem hundertsten Lebensjahr stellte ihr ein Besucher die Frage, warum Gott sie wohl so lange auf dieser Erde erhalten habe. Sie antwortete mit sanfter Stimme: „Gott erhält mich hier, damit ich noch mehr und mehr bete.“ Wie reich war sie doch! Eine andere Schwester lag schon vierzig Jahre krank im Bett und davon fünfunddreißig Jahre völlig taub. Als ein Bruder sie besuchte, sagte sie zu ihm: „Ich war früher sehr geschäftig und lief da hin und dort hin; aber für die vielfältige Gebetsarbeit, derer die Gemeinde bedarf, fand ich keine Zeit. Heute bin ich ans Bett gebunden. Seit bereits vierzig Jahren verrichte ich nun täglich diese Gebetsarbeit.“ Sie war weder bekümmert, noch murrte sie über ihre Krankheit. Statt dessen tat sie eine wirklich gute Arbeit. Die Not hatte sie reich gemacht. Ihre Fülle war zum Reichtum der Gemeinde geworden. Es gibt in der Gemeinde Geschwister, die sind weder redegewandt noch haben sie viel Erkenntnis, aber sie verstehen zu beten. Wovon immer sie auch hören mögen, dafür beten sie. Sie beten für die Kranken; sie beten für Brüder und Schwestern, die in Not sind; sie lassen der Gemeinde mit ihren Gebeten ununterbrochen Hilfe zukommen. Andere Geschwister kommen wohl zur Versammlung, beten aber nie; sie hören sich die Botschaften an, ohne jedoch je zu beten; sie haben der Gemeinde nichts zu geben. Da sie die Zucht des Heiligen Geistes nicht angenommen haben, sind sie arm und wissen nicht, was geistliche Realität ist. Nach menschlichem Ermessen müßten manche Brüder und Schwestern innerlich schon längst verkümmert sein, doch sie sind es nicht. Wie läßt sich das erklären? Nur damit, dass jemand anders sie versorgt. Die Fülle des Lebens ist daher weder eine Angelegenheit des Wortes noch der Lehre. Es geht vielmehr darum, durch wieviel man vor Gott hindurchgegangen ist und wieviel man dadurch der Gemeinde zu geben hat. Tag für Tag sucht der Heilige Geist nach Gelegenheiten, uns in die geistliche Realität zu führen. Wenn wir die Zucht des Heiligen Geistes nicht annehmen wollen, verweigern wir ihm, uns in die geistliche Realität zu führen. Allzuoft, wenn sich Schwierigkeiten erheben, wählen manche Leute den bequemsten Ausweg. Wenn Prüfungen bevorstehen, machen viele einen Bogen darum. Damit ist man wohl der Schwierigkeit aus dem Weg gegangen, hat aber gleichzeitig dem Heiligen Geist die Gelegenheit genommen, in die geistliche Realität zu führen. Der Geist des Herrn hat keine Möglichkeit, etwas in ihnen zu wirken, so dass auch sie der Gemeinde mitteilen könnten, was sie empfangen haben. Solange wir der Zucht des Heiligen Geistes ausweichen, müssen wir nicht erwarten, dass wir geistlich wachsen könnten. Brüder und Schwestern, wir müssen uns völliger und bedingungsloser hingeben, um so dem Geist des Herrn Gelegenheit zu geben, sein Werk zu vollenden. Möchten wir doch täglich vor Gott lernen, damit auch unser Schatz die Gemeinde reich macht. Dieser Reichtum wird eines Tages im neuen Himmel und auf der neuen Erde sichtbar werden. Brüder und Schwestern, es gibt kein Gold, das nicht durch das Feuer, keinen Edelstein, der nicht durch das Dunkel gegangen, und keine Perle, die nicht dem Leiden begegnet wäre. Wir wollen daher den Herrn bitten, uns von allem leeren Gerede und aus der Armut zu befreien. Wir wollen ihn auch bitten uns statt dessen mehr und mehr das Verständnis dafür zu öffnen, was geistliche Wirklichkeit ist, damit sein Geist uns in alle Wahrheit leite. ?

Nachtext

Quellenangaben

Aus: Watchman Nee, Geistliche Realität oder Wahnvorstellung