Zeitschrift-Artikel: Übrigens, Brüder... - REZENSION DES BUCHES: WAS UNS DIE BIBEL LEHRT - Biblische Standpunkte von Brüdergemeinden

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Titel: Übrigens, Brüder... - REZENSION DES BUCHES: WAS UNS DIE BIBEL LEHRT - Biblische Standpunkte von Brüdergemeinden
Typ: Artikel
Autor: Gerrit Alberts
Autor (Anmerkung):

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Titel

Übrigens, Brüder... - REZENSION DES BUCHES: WAS UNS DIE BIBEL LEHRT - Biblische Standpunkte von Brüdergemeinden

Vortext

freut euch, werdet vollkommen, seid getrost, seid eines Sinnes, seid in Frieden, und der Gott der Liebe und des Friedens wird mit euch sein. 2Kor 13,11

Text

In diesem Buch wird thesenartig zu den wichtigsten Fragen christlicher Dogmatik Stellung genommen: Zur Autorität und Inspiration der Heiligen Schrift, zur Dreieinheit Gottes, zum Menschenbild, zur Heilslehre, zur Heilsgeschichte, zum Gemeindeverständnis und zur Lehre von den zukünftigen Dingen. Zu den einzelnen Standpunkten werden Bibelstellen angegeben, um sie zu untermauern. In den meisten Fällen ist es für den Leser leicht, eine Verbindung zwischen den angeführten Bibelstellen und den Thesen herzustellen, in einigen allerdings nicht. Für einen Außenstehenden wird es z. B. ausgesprochen schwierig sein, aus den angeführten Bibelstellen eine heilsgeschichtliche (dispensationalistische) Bibelauslegung schlussfolgern zu können. Ein etwas unbescheidener Buchtitel Der Titel „Biblische Standpunkte von Brüdergemeinden“ klingt etwas unbescheiden – als habe man die biblischen Standpunkte für sich gepachtet und als ob es unbestritten und ohne Frage sei, dass die eigenen Standpunkte biblisch sind. „Wie Brüdergemeinden die Bibel verstehen“ oder eine ähnliche Formulierung würde eine demütigere Haltung signalisieren. Aus dem Büchlein geht nicht direkt hervor, welche Brüdergemeinden bzw. Autoren die Standpunkte vertreten. Sicherlich können sie bei weitem nicht für alle „Brüdergemeinden“ sprechen. Bezogen auf die Taufe wird das für den Baptismus typische Verständnis vertreten („Die Taufe versinnbildlicht, was für den Menschen schon bei der Wiedergeburt stattgefunden hat.“ S. 39). Die von mehreren lehrmäßig sehr begabten Autoren der Brüderbewegung hergestellte Verbindung zwischen dem Reich Gottes und der Taufe als Ausdruck dafür, sich schon hier unter die Herrschaft Gottes und des Herrn Jesus zu stellen, bleibt ohne Berücksichtigung. Erläuterungen zur Ekklesiologie In dem Kapitel „Gemeinde“ wird der ekklesiologische Kerngedanke der ersten Generation der Brüderbewegung, nämlich auf der Grundlage der Einheit des Leibes Christi und nicht als Sondergruppierung zusammen zu kommen, bestenfalls andeutungsweise und indirekt erwähnt. Die Behandlung der ‘heiklen’ Fragen Ein mit der Geschichte der Brüderbewegung vertrauter Leser ist gespannt, wie die heiklen Fragen im Gemeindeverständnis behandelt werden, die in der Vergangenheit bei tragischen Spaltungen eine Rolle gespielt haben. Bezogen auf Spaltungen im 19. Jahrhundert sind dies vor allem ? die Frage der überörtlichen Verbindlichkeit von Gemeindebeschlüssen wie Aufnahme und Ausschluss bzw. die Selbstständigkeit der Ortsgemeinden ? und die sogenannte Identifikationslehre. Die erste Frage wird nach meinem Dafürhalten ziemlich ausgewogen behandelt, indem die Selbstständigkeit der Ortsgemeinde betont wird, aber auch die Notwendigkeit der überörtlichen Verbundenheit, die Respektierung der Beschlüsse und Hilfe bei Fehlentwicklungen. Auf die zweite Frage wird nicht eingegangen. Im Anhang findet sich ein „kurzer Abriss unserer Geschichte“. Als „Hauptanliegen“ des für die junge Brüderbewegung richtungsweisenden J. N. Darby wird genannt, „die Einheit der Kirche Christi unter Absonderung von den Gliedern aller Staats- und Freikirchen bei der Feier des Abendmahls, am 'Tisch des Herrn darzustellen'“. Dieser Satz enthält so viele fragwürdige Hypothesen, dass ich nicht genau weiß, wo ich anfangen soll. War es wirklich das Hauptanliegen Darbys, am Tisch des Herrn etwas darstellen zu wollen? Eines seiner Anliegen war es zweifellos, sich vom Bösen zu trennen. Aber schloss dies für ihn generell die Trennung von Gläubigen mit einem anderen Gemeindeverständnis ein? Mehr noch, war dies sein Hauptanliegen? Wird ihm hier nicht eine Auffassung zugeschrieben, die er selbst als sektiererisch gebrandtmarkt hat? 1869 schrieb Darby in einem Brief: „Aber nehmen wir einmal an, eine als gottesfürchtig und gesund im Glauben bekannte Person, die ihr kirchliches System nicht verlassen hat, vielmehr sogar denkt, die Schrift befürworte einen ordinierten Dienst – nehmen wir an, ein solcher würde sich dennoch freuen, bei sich bietender Gelegenheit mit uns das Brot brechen zu können ... soll er ausgeschlossen werden, nur weil er irgendeinem System angehört ...? Wenn ja, dann gibt das Maß an Licht das Anrecht auf die Gemeinschaft, und die Versammlung, die die betreffende Person ablehnt, verleugnet die Einheit des Leibes. Der Grundsatz des Zusammenkommens als Glieder Christi, die in Gottseligkeit wandeln, ist aufgegeben. Stattdessen wird Übereinstimmung zur Regel gemacht, und die Versammlung wird eine Sekte mit Mitgliedern wie jede andere.“ (Letters of J. N. Darby, Vol. II, 10-12) Aus diesem Zitat wird deutlich, dass der in dem Buch behauptete Gegensatz zwischen Darby und Müller, zwischen geschlossenen und offenen Brüdern, nämlich Absonderung von wahren Gläubigen in allen Staats- und Freikirchen hier und Gemeinschaft mit allen wahren Kindern Gottes dort, an der geschichtlichen Realität vorbeigeht. Der Mainstream der Brüderbewegung? Über die Brüdergemeinden im BEFG wird behauptet, sie vertreten „die Grundsätze des offenen Brüdertums und halten deshalb an der organisatorischen Verbindung mit den Baptisten im BEFG fest“. Wenn die Grundsätze des offenen Brüdertums der Grund für die organisatorische Verbindung mit den Baptisten sind, warum haben dann die Führer des offenen Brüdertums, Müller und Craig, die ja Baptistenprediger waren, am 13.08.1832 zusammen mit fünf anderen Gläubigen eine Gemeinschaft außerhalb der organisatorischen Verbindung mit den Baptisten gebildet, „ohne irgendwelche Satzungen, nur mit dem Wunsch, dem Licht entsprechend zu handeln, das der Herr ihnen durch Sein Wort geben würde“? (Pierson, Georg Müller, Bielefeld, 1990, S. 65) Das Buch endet mit einer graphischen Darstellung „Die Brüderbewegung in Deutschland“. Der dicke Balken des Hauptstromes der Brüderbewegung führt von den sogenannten Elberfelder Brüdern über den BfC zur Arbeitsgemeinschaft der Brüdergemeinden im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden. Andere Gruppierungen wie „Exklusive“, „Unabhängige“, „Freie Brüder“ sind Nebenlinien. Legt man jedoch den zahlenmäßigen Umfang der Brüdergemeinden zugrunde, ist es eher umgekehrt: Lediglich ca. 20 % aller Christen, die sich in Deutschland zu „Brüdergemeinden“ zählen, sind im BEFG. Ob diese Geschwister inhaltlich die Hauptrepräsentanten des Gedankenguts der Brüderbewegung sind, daran habe ich auch meine Zweifel. Abschließender Bewertungsversuch Der erste Teil des Buches ist ein respektabler Versuch, wichtige Eckpunkte des Bibelverständnisses in der Brüderbewegung allgemein verständlich und ohne Brüdergruppespezifische Sonderauffassungen darzulegen, so dass sich sicherlich viele Gemeinde, die sich der „Brüderbewegung“ verbunden fühlen, damit weitgehend identifizieren können. Die oberflächliche, unnötig polarisierende geschichtliche Abhandlung relativiert dieses Anliegen. ?

Nachtext

Quellenangaben