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Autor (Anmerkung): Im vergangenen Quartal erreichte uns ein ausführlicher Leserbrief aus den USA, den wir mit der Bereitschaft zur Korrektur hier leicht gekürzt wiedergeben.

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Es muss schon mehr als 20 Jahre her sein, seit ich meinen letzten und einzigen Leserbrief geschrieben habe – und der ging an „fest und treu“. Ich kann mich nicht mehr an den exakten Inhalt erinnern; es hatte mich damals wohl gestört, dass ein Autor in f+t behauptete, die „gute Tat“ dürfe nur als Hilfsmittel für die Evangeliumsverkündigung eingesetzt werden, da sie ansonsten in Gottes Augen völlig wertlos sei. Dies geißelte ich nicht nur als unbiblisch, sondern angesichts hungernder Äthiopier sogar als zynisch. Sollte der arme Äthiopier nur Hoffnung auf eine Handvoll Reis haben, wenn man sie in ein gutes Werner-Heukelbach-Traktat einwickeln kann? Zu diesem Thema habe ich meine Meinung nicht verändert. Obwohl ich hoffe, dass ich mich – dass Ihr Euch in den letzten 20 Jahren weiterentwickelt habt. Was hat sich verändert? Ich habe darüber nachgedacht, ob sich auch f+t verändert hat, oder ob es nur aufgrund meiner eigenen Veränderung so scheint. Da sind natürlich einige offensichtliche Veränderungen: So ist der puristische Pappeinband verschwunden, das Layout wurde ein wenig aufgefrischt. Der Bibelspruch ist derselbe, aber der Läufer hat sich verändert. Schade eigentlich. Bevor man in der Industrie über ”Corporate Identity“ sprach – Schoppen hatte sie schon. Die Urkunden in Fußball, Volleyball etc., welche wir von den Freizeiten stolz nach Hause trugen – selbst ich hatte das Glück, einmal in einer Siegermannschaft zu sein – und unsere Postille aus Schoppen hatten dasselbe Design. Zu jener Zeit hieß f+t auch noch KONTAKTBLATT JUNGER CHRISTEN, womit auch Lesergruppe und Botschaft definiert waren: Eine Zeitschrift für Freizeitteilnehmer. Gewöhnlich gingen wir hochmotiviert aus der Freizeit nach Hause, um den Kampf mit der Welt wieder neu aufzunehmen. f+t sollte uns aufmuntern, uns zwischen den Freizeiten an unsere Versprechen erinnern. Sie waren da, Wolfgang und die anderen Mitarbeiter, in f+t, um uns Mut zu machen... Inzwischen gibt es in Schoppen sogar Freizeiten für Mäd- chen und gemischte(!) Studierfreizeiten, zudem sind nach über 30 Jahren Freizeitarbeit die ersten Abonnenten ein wenig gealtert und damit ist die Leserschaft der f+t nicht mehr so klar definiert. Annoncen keine Chancen Man hat wohl versucht, dem Rechnung zu tragen (insbesondere dem Altern der Leserschaft) und f+t KONTAKTBLATT AKTIVER CHRISTEN genannt. Vielleicht hättet Ihr Euch in diesem Zuge auch von dem KONTAKTBLATT trennen können. Assoziiert man das doch allzuleicht mit Kontaktanzeigen; und das weiß der aufmerksame f+t-Leser: W.B. hält nichts von Kontaktanzeigen. (Keine Sorge, ich plädiere nicht dafür, Kontaktanzeigen in f+t zu veröffentlichen, obwohl es natürlich den Unterhaltungswert des Blattes erhöhen würde.) Ein kleiner Einschub: Ich glaube, meine erste Begegnung mit f+t hatte ich auf einer Arbeiterfreizeit (Freizeiten die zur Renovierung des Freizeitheims abgehalten wurden). Ich hatte festgestellt, dass die Arbeit draußen mir nicht so recht behagte. Ich meldete mich also für den Innendienst und bereinigte die Adressdatei. Dabei handelte es sich um Metallplatten, in welche die Adresse des jeweiligen Abonnenten eingraviert war. Diese wurden zum Druck der Adressaufkleber benutzt. Damals habe ich Schoppen viel Geld eingespart, indem ich die Adressplatten von Viktor Penner, Waldemar Penner, David Penner, Lena Penner... um es kurz zu machen, Familie Penner bekam anstelle von 10 Exemplaren nur noch eins. Auch in anderen russlanddeutschen Großfamilien reduzierte ich das Altpapieraufkommen. Zudem entfernte ich unseren damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt aus der Datei, da ich glaubte, er passe nicht in das Leserprofil. Die Zielgruppe: Ich hatte schon festgestellt, dass die Leserschaft von f+t sehr gemischt ist. Sicher wird es schwer sein, alle gleich anzusprechen. Aber wenn es zwei Fragen in diesem Brief gibt, die ich gerne beantwortet hätte, wären es wohl diese: Wen und was wollt Ihr genau erreichen? Leser, die Euch nicht persönlich kennen, haben oft den Eindruck, dass Ihr eifersüchtig auf den Erfolg anderer seid und deshalb Willow Creek, Pro Christ, Billy Graham und die charismatische Bewegung mit ihren Repräsentanten mit Schmutz bewerft. Vor so gemeinen Anschuldigungen nehmen wir Euch natürlich in Schutz und beschreiben Euch als sehr sympathische Jogginghosenträger mit ganz lauteren Absichten. f+t als ein Gegengewicht? Ich habe allerdings das Gefühl, dass Ihr Euch mehr als Gegengewicht zu den vielen Warmduscherzeitschriften (family, Aufatmen...) positionieren wollt (Der Begriff „Warmduscher“ wurde vor zwei Ausgaben für solche Christen eingeführt, die nicht genug Hingabe zeigen.). In der Tradition des alttestamentliche Propheten im Ka- melhaargewand (ganz ohne schöne Hochglanzfotos, Ehe- und Familienthemen, Reklame für Korsikaurlaube, Bibelschulen und Kontaktanzeigen...) scheint Ihr Euch eher als einsamer Rufer in der christlichen Medienwüste zu sehen: Egal, ob uns jemand liest, ob wir unsere Leser verärgern, provozieren oder verletzen, wir schreiben die Wahrheit, die sich sonst keiner mehr zu schreiben traut, da die Christenheit ja nur noch aus harmoniesüchtigen Warmduschern besteht, die bereit sind, für weniger als ein Linsengericht ihre auf Erkenntnis der Wahrheit gegründeten Standpunkte an Charismatiker und Katholiken zu verkaufen. Allzuviel ist ungesund Es sind nicht so sehr die einzelnen Artikel an sich, vielmehr die Anhäufung von Artikeln einer bestimmten Sorte. Irgendwann schaltet man ab und fragt sich, ob die in Schoppen denn nichts Besseres zu tun haben, als über andere Christen zu stänkern. Hier mein wohlmeinender Rat: Auch wenn ich als Leser nicht mit allen Artikeln inhaltlich übereinstimme, bin ich gerne bereit, mich mit den Inhalten auseinanderzusetzen, falls die Konzentration solcher Artikel nicht zu hoch ist. Ich habe die Sorge, dass viele Leser die Zeitschrift mit dem Kommentar beiseite legen: „Ach, mal wieder die übliche Hatz.“ Verstanden werden Ich persönlich habe f+t oft mehr als Unterhaltung gelesen, weil man die Autoren kannte und man solche Dinge sonst eben nicht zu lesen bekommt. Viele meiner Freunde lesen f+t nur noch aus Neugier, um sich später über das Gelesene zum Spaß noch einmal richtig aufzuregen. „Ja, ja“, mögt Ihr jetzt vielleicht denken, „dass ist einem Noah, einem Jesaja, einem Jeremia auch passiert.“ Allerdings wäre das ein wenig vermessen, denn hat nicht Paulus alle Briefe sehr genau auf seine Leserschaft abgestimmt? Hat er nicht danach gefragt, wie er seine Botschaft bringen muss, damit sie verstanden und umgesetzt werden kann? Ent- oder Ermutigendes Ich vermute, Euer Ziel ist es, Warmduscher wie mich, die eigentlich gerne etwas für Jesus tun möchten, aber manchmal im Alltagssumpf stecken bleiben, aufzurütteln und Mut zu machen, mehr in Hingabe zu leben. Vielleicht ist es auch wirklich so, dass wir angesichts der kleinlichen Streitereien und Engherzigkeit, die wir in der Brüderbewegung erfahren haben, aus Harmoniesucht dazu neigen, zu viele Kompromisse einzugehen. Aber so erreicht Ihr unsere Leserherzen nicht. Vielmehr werdet Ihr Extremisten anfeuern, die sich in ihrem separatistischen Weg bestätigt fühlen und noch extremer werden, so extrem, dass sie mit solchen Warmduschern – wie Euch in Schoppen – bald nichts mehr zu tun haben wollen. Konkrete Kritikpunkte: Um nicht so allgemein zu bleiben, dachte ich, es wäre vielleicht gut, wenn ich einfach einmal durch das vorletzte f+t gehe, um aufzuzeigen, wo ich konkret meine Kritik ansetzen würde. Also seid nicht zu geschockt, ich werde speziell die schlechten Dinge herauspicken. „Das Editorial“ Sehr illustrativ und locker geschrieben, aber der Inhalt... „Dann suchen wir die Hand, die schlägt, weil sie allein uns hält und trägt“ Ja, da ist er, der Anti-Wohlfühl-Gott, der uns am liebsten Wege führt, die wir nicht gehen wollen und Dinge tun lässt, die wir nicht können oder mögen und uns so lange züchtigt, bis wir ergebene Kinder werden. Natürlich kommt das Gottesbild des erziehenden Vaters in der Bibel vor; manchmal habe ich jedoch das Gefühl, dass es in f+t überrepräsentiert ist. „Anleitung wie die Heilige Schrift zu lesen ist.“ Nun, natürlich ist gegen diesen Artikel inhaltlich nichts zu sagen. Es stellt sich allerdings die Frage, warum in f+t fast ausschließlich nur Glaubens- männer gut wegkommen, die schon längst beim Herrn sind, von denen im jüngsten Fall ein Schwarzweissfoto existiert. Sicher ist es gut, von Zeit zu Zeit hervorzuholen, was Christen vor langer Zeit gedacht haben. Tut man es allerdings zu häufig, läuft man Gefahr, ein rückwärts gerichtetes und verstaubtes Image zu bekommen. „Vom Segen guter Traditionen“ Ein guter bedenkenswerter Artikel, insbesondere in unserer Zeit. In einer anderen Zeitschrift abgedruckt würde er sicher seine Wirkung haben, jedoch im Kontext der anderen Artikel von f+t verliert er seine Wirkung. Vielleicht eine Anmerkung: Man möchte auch hier fragen, warum müssen die Beispiele wieder aus der Schublade der schwarzweiß eingebundenen CLV-Biographien stammen? Insbesondere Jim Elliot ist eindeutig überrepräsentiert (Es würde mich manchmal reizen, mich mit der einen oder andere „f+t-Ikone“ kritisch auseinanderzusetzen, genau wie Ihr es mit Billy Graham und Bill Hybles getan habt, nur, um ein ausgewogeneres Bild zu präsentieren. Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher, wie geistlich solche Beweggründe wären.). „Bill Bright und die ‘kommende Erweckung’“ Dies ist ein Artikel, den Ihr mit Gewinn aus der letzten Ausgabe hättet streichen können. Was verspricht sich Mark Schibli von einem solchen Brief, welches geistliche Ziel verfolgt er und verfolgt Ihr, wenn Ihr so etwas abdruckt? Verbreitet Bill Bright eine Irrlehre, die öffentlich gegeißelt werden muss? Wollt ihr gar an diesem Fakt festmachen, ob man mit Mitarbeitern von „Campus für Christus“ zusammenarbeiten kann? Dass wäre nun wirklich übertrieben. Ich denke, der Abdruck solcher Briefe führt uns weiter den Weg, den wir schon viel zu weit gegangen sind, uns wegen Kleinigkeiten zu streiten und zu spalten. „Wenn der Drucker muckt“ Guter Artikel, mehr davon. „Der Alpha-Kurs“ Hier wieder ein Kracher. Solche Artikel sind schwer verdaulich. Gibt es da noch etwas Erfolgreiches in der evangelikalen Welt, dass wir noch nicht mit Dreck beworfen haben? Genau, der Alpha Kurs. Dieser böse Kurs verbindet auch wirklich alles, was f+t verabscheut. Ich zumindest bin froh, dass es den Alpha-Kurs gibt. Ich kenne Menschen, die durch den Kurs zum Herrn gefunden haben (z.B. eine Nachbarin von uns). Solche Artikel sind schwer verdaulich. Wenn überhaupt, dann alle sechs Ausgaben nur einer! „Aufgelesen“ und „Die drei Feiglinge“ – OK. „Totentanz & Gothic Grusel“ und „Rucksack-Mission“ Die Missionsartikel sind in der Regel Lichtblicke. Hier wird von Leuten berichtet, die was für den Herrn machen und nicht bekrittelt, was andere falsch machen. Interessant, da reist jemand in das ferne Jemen, und die Charismatiker sind schon da. „Eine Predigt wie ein Peitschenhieb“ Auch hier schreibt ein Held, der schon seit geraumer Zeit beim Herrn ist... Denkspruch der Rückseite „Gottes Problem heute ist nicht ... der Liberalismus, nicht der Modernismus, Gottes Problem ist – toter Fundamentalismus.“ Dieses Zitat auf der letzten Seite unterstütze ich voll. Zum guten Schluß... Ich weiß nicht, ob es mir gelungen ist aufzuzeigen, dass es nicht so sehr der Inhalt, sondern die Auswahl der Artikel ist, die f+t das Image gibt, rückwärtsgerichtet und destruktiv kritisch zu sein. Ich habe mir die Mühe gemacht, diesen langen Brief zu schreiben, weil er meiner Ansicht nach für f+t sehr förderlich sein könnte. An manchen Stellen habe ich mich des Stilmittels der Polemik bedient, um die Lektüre interessanter zu machen. Ich wollte wirklich NIEMANDEN verletzen. Ich habe Euch diesen Brief geschrieben, weil ihr mir sehr viel bedeutet. Wolfgang hat mich geistlich geprägt wie nicht viele andere. Das Vertrauen, was er mir stets entgegengebracht hat trotz meines Nicht-Konform-Seins, hat mich geistlich gestärkt (nicht zuletzt die Tatsache, dass er den Brief eines 14-jährigen vor 20 Jahren abgedruckt hat). Vielleicht dusche ich nicht so kalt, wie er sich das immer von mir gewünscht hat, aber sicher kälter, als ich es ohne ihn tun würde. In alter Verbundenheit Euer Daniel Bien

Nachtext

Anmerkung der Redaktion: Wir möchten bei all der berechtigten Kritik darauf achten, dass „fest und treu“ nicht allmählich in „weich und wendig“ oder „fesch und neu“ umbenannt werden muss.

Quellenangaben