Zeitschrift-Artikel: "Treu und doof", "etwas Licht" oder "einfach gut"?

Zeitschrift: 97 (zur Zeitschrift)
Titel: "Treu und doof", "etwas Licht" oder "einfach gut"?
Typ: Artikel
Autor: Gerrit Alberts
Autor (Anmerkung):

online gelesen: 1449

Titel

"Treu und doof", "etwas Licht" oder "einfach gut"?

Vortext

Text

Der in der letzten Ausgabe von f+t abgedruckte Leserbrief von Daniel Bien hat zahlreiche Reaktionen hervorgerufen. Dabei geht es weniger um einzelne Artikel, sondern mehr um eine Art Generaldebatte um die Ausrichtung des Blattes. Die Stellungnahmen reichen von starker Ablehnung von f+t bis hin zu der Sicht, dass die Zeitschrift eine ziemlich herausragende Position im christlichen Blätterwald inne hat. Verständlicherweise befinden sich Stellungnahmen, die die kritische Sicht von Daniel teilen, in der Minderheit: Wer abonniert und liest schon eine Zeitschrift, über die man sich wegen übertriebener und einseitiger Hetze gegen Andersdenkende laufend ärgert? Allerdings gibt es tatsächlich auch Menschen, die sich das antun, wie der Auszug aus einem Leserbrief von Ehepaar Schmidt zeigt: Seit Jahren bekomme ich ja nun schon Euer „Hetzblättchen“ und ich schaue es immer noch, jedes Mal, wenigstens durch. Wir haben das Blättchen familiär schon umbenannt in "treu und doof". Aber bitte nicht böse sein, das ist eher sarkastisch gemeint. Die Ursache dieses „Kosetitels“ ist natürlich Eure theologisch verbrämte und einseitige „Hetzerei“ gegen immer wieder die gleichen Themen ... Keine Angst, liebes Ehepaar Schmidt, diesen Kosetitel nehmen wir Euch nicht übel. Für „Doofheit“ kann man schließlich nichts. Und wenn Gott uns eines Tages sagen könnte, wir wären dem Licht, das er uns anvertraut hat, treu gewesen, dann ständen wir gar nicht so schlecht da. Eher sind wir schon beschämt über das kräftige Lob, das viele Leser zum Ausdruck gebracht haben. Ein ostfriesischer Landsmann von mir, Herr Rose, schreibt: Ganz schön witzig, dieser Daniel Bien. Unterm Strich ist etwa 10% Anregendes. Das ist aber beileibe kein Grund, Ihre freundliche Bereitschaft zur Korrektur zu weit zu treiben! In einer polit-kirchlichen Landschaft Jepsen'scher und Kock'scher Prägung einerseits und neo-evangelikaler Aufmotzung „freier“ Kirchen (Spaß-Gottesdienste u. andere Scherze!) andererseits bringt f+t mir viermal im Jahr etwas Licht in die Trübnis. DANKE! Ein weiteres Nordlicht aus Kiel, Herr Ecker, meint: OK, also auf den Punkt gebracht: Ich finde die f+t einfach gut! Frau Lutzius aus Möckmühl bekennt: F+t ist die einzige Zeitschrift, die ich noch lese, dies sage ich nicht Euch zum Trost, den habt Ihr von mir nicht nötig. Ich bin dankbar für die gute Zusammenstellung der erbaulichen Artikel, für die Informationen über „neue Kuriositäten“, die sich christlich nennen. Aus Platzgründen ist es uns nicht möglich, alle diesbezüglichen Leserbriefe zu veröffentlichen. Der interessierte Leser mit Internetzugang findet sie unter www.clv.de Kern der Auseinandersetzung Die meisten Äußerungen in den Leserbriefen beziehen sich auf die Frage der kritischen Ausein- andersetzung mit Zeitströmungen in der christlichen Welt. Ist es „gesund“, wenn Christen sich mit negativen, aus ihrer Sicht gefährlichen Tendenzen auseinandersetzen, vor allem, wenn sie dadurch Mitchristen auf's Korn nehmen? In welchem Ausmaß sollte dies geschehen? Welche Gefahren sind dabei zu beachten? Dazu möchte ich einige kurze Überlegungen anstellen. Die Verteidigung der rechten christlichen Glaubenslehre und die Warnung vor Verführung nehmen in der Heiligen Schrift einen breiten Raum ein! Gerade die Passagen der Heiligen Schrift, die sich mit der Endzeit beschäftigen, sind zu einem großen Teil apologetische Texte: Sie grenzen die biblische Glaubenslehre gegen falsche Lehren ab und warnen die Gläubigen vor Verführung. Dazu einige Beispiele: Unser Herr Jesus stellt seine Endzeitrede unter das Thema: „Seht zu, dass euch niemand verführe!“ (Mt 24,4). Petrus, der in seinem zweiten Brief eine Charakteristik der letzten Tage gibt (2Petr 3,3), benutzt etwa zwei Drittel dieses Briefes, um vor falschen Propheten, falschen Lehrern und ihrer Verführung zu warnen. Johannes spricht von der letzten Stunde und fordert die Gläubigen auf: „Geliebte, glaubet nicht jedem Geist, sondern prüfet die Geister, ob sie aus Gott sind“ (1Joh 2,18; 4,1). Paulus schreibt, dass in den letzten Tagen schwere Zeiten sein werden, in denen böse Menschen im Bösen fortschreiten, indem sie verführen und verführt werden. (2Tim 3,1.13). Die Gemeinde Gottes, die gesund sein will im Glauben, wird diesen apologetischen Dienst auf ihre Zeit und Situation anwenden müssen. „Habet acht auf euch selbst und auf die ganze Herde“ (Apg 20,28). In seiner Abschiedsrede an die Ältesten von Ephesus spricht Paulus über die Zeit nach seinem Abschied. Er warnt vor den verderblichen Wölfen, die die Herde nicht schonen und vor den Männern, die aus ihnen selbst aufstehen und verkehrte Dinge reden würden. Merkwürdigerweise ermahnt er sie, zunächst auf sich selbst acht zu haben. Warum waren sie durch die verderblichen Wölfe und durch die falschen Lehrer zu allererst selbst gefährdet? Nun, für die Herde wäre es natürlich verheerend, wenn die Ältesten von den verderblichen Wölfen überwältigt oder durch die verkehrten Dinge verführt würden. Noch schlimmer für die ihnen anvertrauten Gläubigen wäre es, wenn sie selbst zu verderblichen Wölfen würden oder zu Männern, die verkehrte Dinge reden. Paulus deutet diese Gefahr an, indem er sagt, dass solche Männer aus ihrer eigenen Mitte kommen werden. Eine andere Gefahr, auf die Verteidiger der rechten christlichen Glaubenslehre besonders achten sollten, verdeutlicht uns der Herr Jesus in seiner Endzeitrede. Auch er spricht von den falschen Propheten, die viele verführen (Mt 24,11). Dann fährt er fort: „Wegen des Überhandnehmens der Gesetzlosigkeit wird die Liebe der Vielen erkalten.“ In einer Zeit, in der Verführung auf vielen Ebenen droht, stehen wir in der Gefahr, lieblos zu sein. Hinter jedem Busch der christlichen Landschaft kann man die Gesetzlosigkeit wittern und in dem Pulverdampf der scharfen Geschütze, die aufgefahren werden, kann man nicht mehr Freund und Feind unterscheiden und feuert lieblos auf alles, was sich außerhalb der eigenen engen Festung bewegt. Manche Mitarbeiter aus den Anfängen von f+t und der Freizeitarbeit in Schoppen sind für diese Arbeit heftig von Mitchristen kritisiert worden. Wir sollten nie vergessen, wie wir uns dabei gefühlt haben. Es liegt immer eine große Gefahr darin, andere mit Bibelversen zu attackieren. Nur zu leicht redet man sich ein, damit einen guten Dienst zu tun. Man hat ja eine „biblische“ Rechtfertigung. Ein verstorbener bayrischer CSU-Ministerpräsident bezeichnete einmal einige seiner politischen Kritiker als „Ratten und Schmeißfliegen“. Als seine Frau gefragt wurde, ob diese Ausdrucksweise für den Vorsitzenden einer christlichen Partei passend wäre, meinte sie: „Warum nicht? Auch Jesus hat doch schließlich die Schriftgelehrten und Pharisäer als Schlangen und Otterngezücht bezeichnet.“ So weit kann’s kommen, wenn wir meinen, die Wahrheit für uns gepachtet zu haben. Sollte man nicht lieber über das gemeinsame Heil schreiben, als über manches Unheilvolle? Ähnlich wie in den bereits angeführten Beispielen aus der Bibel schreibt auch Judas von Spöttern und der Verführung am Ende der Zeit (Jud 18). Fast den gesamten Brief füllt er mit der Beschreibung von Gefahren und Warnungen. Aber beachten wir, mit welcher inneren Haltung er dies tut: Er tut dies nur notgedrungen und muss sich sehr dazu überwinden. „Geliebte, indem ich allen Fleiß anwandte, euch über unser gemeinsames Heil zu schreiben, war ich genötigt, euch zu schreiben und zu ermahnen, für den einmal den Heiligen überlieferten Glauben zu kämpfen.“ Ein großer Teil der Unterhaltungsbranche und der politischen Streitkultur lebt davon, andere mit Spott und Häme zu überziehen und negative Informationen breit zu treten. Auch in unseren Äußerungen können solche Themen Gewicht bekommen. Das Beispiel von Judas zeigt uns: Wenn wir eine klammheimliche Freude daran empfinden, die negativen Dinge anderer wieder zu käuen, sollte dies ein deutliches Warnsignal für uns sein. Der Kampf um die rechte Glaubenslehre kann Ausdruck der Liebe zur Wahrheit sein! Wir leben in einer Zeit, in der es keine allgemein akzeptierten übergeordneten Wahrheiten mehr gibt. Die Zeit der Metaerzählungen ist vorbei. Es lohnt sich nicht, über letzte Wahrheiten zu streiten, denn es gibt sie im Verständnis der Postmoderne nicht. Auch in der christlichen Welt ist das Interesse an biblischen Dogmen spürbar zurückgegangen. „Dogmen trennen, Liebe eint!“ Ist dies einer der Gründe, warum Judas uns auffordert, für den einmal überlieferten Glauben (gemeint ist vor allem die Glaubenslehre) zu kämpfen? Lesen wir, wenn überhaupt, bald auch die leidenschaftlichen Streitschriften der Reformatoren und der Christen aus den Erweckungsbewegungen des 19. Jhdts. nur noch, um uns „zum Spaß später über das Gelesene noch einmal richtig aufzuregen“ oder um uns ziemlich erhaben über so viel kleinkarierte Rechthaberei zu fühlen? Warum es ist überflüssig, die Prophetien von christlichen Führern wie Bill Bright („Der Heilige Geist hat mir gesagt ...“), an der Realität zu überprüfen? Die Heilige Schrift fordert uns deutlich dazu auf (5Mo 19,22)! Wenn dies bereits gegen die „political correctness“ in der christlichen Szene verstößt, dann wird mir angesichts der angekündigten vielen falschen Propheten angst und bange. Kelle und Schwert Ein merkwürdiges Bild müssen die Bauarbeiter abgegeben haben, die unter Nehemia das zerstörte Jerusalem mühsam wieder aufbauten: „Die Lastträger trugen mit der einen Hand das Baumaterial, in der anderen hielten sie eine Waffe“ (Neh 4,11). Ein Fachmann für effizientes Arbeiten wird den Kopf geschüttelt haben über so viel Verschwendung von Arbeitskraft. Gab es nicht genug Konstruktives zu tun? Sollte man nicht besser mit beiden Händen Aufbauarbeit leisten? Und doch wussten sie, dass ihre Arbeit auf längere Sicht nur Erfolg haben konnte, wenn Defensive und Offensive, Abwehr des Negativen und Aufbau des Positiven, Apologetik und Gemeindebau im Gleichgewicht waren und nicht das eine gegen das andere ausgespielt wurde. Spurgeon war von dieser alttestamentlichen Szene so beeindruckt, dass er die von ihm herausgegebene Zeitschrift „Sword and Trowel“ (Schwert und Kelle) nannte. Ob wir in f+t ein ausgewogenes Verhältnis zwischen diesen beiden Aspekten des christlichen Dienstes gefunden haben, wird der Herr Jesus beurteilen. Wir sollten auf jeden Fall in einer demütigen und umsichtigen Weise darum ringen. Daniel und viele andere Geschwister haben uns in ihren Leserbriefen neu auf die Wichtigkeit dieser Frage aufmerksam gemacht. Dafür sind wir ihnen dankbar.

Nachtext

Quellenangaben