Zeitschrift-Artikel: Reiner Wein für ‘Clearwater’

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Titel: Reiner Wein für ‘Clearwater’
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Titel

Reiner Wein für ‘Clearwater’

Vortext

Im „Gästebuch“ von CLV fanden wir vor einigen Tagen einen interessanten Eintrag und Vorschlag: „Lieber Wolfgang Bühne, was ist eigentlich aus den Leuten geworden, die in den Büchern „Ruhe der Rastlosen“, „Sehnsucht der Betrogenen“ usw. ihre Bekehrung zu Jesus beschrieben haben und z.T. aus der Drogen-, Underground- und Politszene kamen. Leben sie heute alle noch mit Jesus? Welche Erfahrungen haben sie in den letzten Jahren mit Jesus gemacht, welche Ups und Downs haben sie erlebt... Könnten Sie darüber nicht einmal in f+t einen Artikel schreiben? God bless you“ ‘Clearwater’ Diese Anregung habe ich umgehend aufgegriffen und zunächst Kurt Becker einige Fragen gestellt, mit dessen Lebenszeugnis „Deserteur des Lebens“ die Serie der ‘Zeugnisbücher’ im Jahr 1980 begann. Damals erschien die Bekehrungsgeschichte des ehemaligen Legionärs in dem Buch „Die Fessel der Freien“, heute kann man sie in dem Taschenbuch „Ruhe der Rastlosen“ (CLV) nachlesen. Kurt Becker wohnt mit seiner Frau Barbara und ihren beiden Kindern in Gummersbach, leitet eine kleine Vertriebsfirma, studiert in seiner freien Zeit mit großer Freude die Bibel, arbeitet aktiv in einer Gemeinde mit und versucht mit dem Evangelium Menschen für den Herrn zu gewinnen.

Text

Hier sind die Fragen und Kurt ?s Antworten: 1. Kurt, wie viele Jahre sind seit Deiner Bekehrung vergangen und hast Du es seitdem jemals bereut, Christ geworden zu sein? Seit meiner Bekehrung im Frühjahr 1976 sind jetzt mehr als 26 Jahre vergangen. Zeit genug um sich selbst und seine Partner in vielen Situationen kennen zu lernen. Das Ergebnis könnte man so zusammenfassen: Dass ich – sowohl durch das Lesen der Schrift, als auch durch die täglichen Erfahrungen im Leben – den Herrn besser kennen lernen durfte, führt mich zu innigem Dank und zu einem noch tieferen Vertrauen. Es verstärkt mein Verlangen, alle Bereiche meines Lebens noch mehr nach IHM und nach SEINEN Gedanken auszurichten. Dass ich meine Frau während all dieser Jahre in vielen unterschiedlichen Situationen kennen lernen konnte, die wir gemeinsam bis dahin noch nicht durchgestanden hatten, führte dazu, uns beiden bewusst zu machen, dass der Himmel zwar voller Geigen hängt, aber dennoch kein Ton zu vernehmen wäre, wenn nicht der Herr selbst seine Meisterwerke erklingen lassen würde. Dass ich meine Glaubensgeschwister und Mitkämpfer während all dieser Jahre besser kennen lernte, führte angesichts des bitteren Kampfes der um uns herum tobte, erst einmal zur Verzweiflung und dann zur Fahnenflucht. Doch der Truppe fern und ganz alleine war auch nicht viel auszurichten. So bin ich auch in diesem Punkt dem Herrn dankbar, der nicht nur einen „Deserteur des Lebens“ gefunden hat, sondern früher oder später auch alle Deserteure der Gemeinde findet. Also, an alle Einzelkämpfer: Ihr da draußen, lasst euch ermutigen und reiht euch wieder ein! Wir müssen an diesem Punkt umdenken. Es kommt nicht auf die Truppe an, sondern auf den Feldherrn. Je mieser die Truppe, die er zum Sieg führt, desto größer sein Ruhm! Und wer von uns möchte schon seinen Ruhm schmälern? Ja, und die Tatsache, dass ich mich selbst während dieser Jahre besser kennen lernen musste, zählt zu den enttäuschendsten und widerlichsten Erfahrungen dieser Zeit. Diejenigen in meinem Umfeld, die in den letzten 26 Jahren unfreiwillige Zeugen „meiner Auferstehung“ wurden, können an dieser Stelle bestimmt noch einige Einfügungen und Anmerkungen machen... Ich möchte nur noch hinzufügen, dass diese Erfahrungen letztlich dazu führten, dass ich mich immer williger „festnehmen und abführen lasse“ und mir nichts so sehr wünsche, als dass dieser Kerl endgültig und dauerhaft aus dem Verkehr gezogen wird, damit mein Leben jetzt und hier alleine zur Ehre des Herrn dienen kann. Bereut habe ich so manches während dieser Zeit. Ich habe mein Verhalten bereut, wenn es von dem meines Herrn abwich. Ich habe mein Reden bereut, wenn er mich zum Schweigen aufgerufen hat - und ich habe mein Schweigen bereut, wenn ich zum Reden aufgefordert war. Ich habe während dieser Zeit auch die Schritte bereut, die mich vom Weg abbrachten, wenn ich seinen Spuren nicht vorbehaltlos folgte! Eines aber habe ich in all den Jahren niemals, auch nicht einen Gedanken lang bereut: Meinen ersten Schritt an die Seite des Verworfenen, mit dem ich mich heute noch mehr verbunden weiß als vor 26 Jahren. 2. Hat es Rückschläge oder Täler in Deinem Leben als Christ gegeben, worin bestanden sie und wie hast Du sie überwunden? Wenn wir unter Rückschlägen dasselbe verstehen, nämlich Schläge, die uns zurück werfen, dann kann ich die Frage mit einem Nein beantworten. Der Herr hat mich vor solchen bewahrt. Das heißt aber nicht, dass ich während all dieser Zeit ohne Schläge ausgekommen bin. Der Knüppel des Herrn hat mich schon öfter getroffen, aber dann um mich vorwärts zu bringen und um mich „in der Spur zu halten“. In diesem Sinne hat es in meinem Leben zwar keine Rückschläge gegeben, aber doch eine Menge „Vorwärtsschläge“, wofür ich natürlich dankbar bin. Wenn unser geistliches Leben nicht zum Stillstand gekommen ist, und man kein flaches Christenleben führt, dann gehören Täler einfach zum Leben in der Nachfolge. Solche Täler habe ich auch durchschritten, aber ich fürchtete dabei nichts wirklich Übles (Psalm 23,4 a) und ich habe erfahren, dass ich nicht alleine da durchgejagt wurde, sondern dass ER bei mir war (Psalm 23,4 b)... Ohne auf meine persönlichen Täler einzugehen, kann ich darauf hinweisen, dass klassische Täler immer durch dieselben Merkmale gekennzeichnet sind, auch wenn diese sich verschiedenartig äußern: Schatten, Temperatursturz, Einengungen die man bald als Bedrängnis empfindet, keine Umgehungsmöglichkeiten, Einschränkung des Weitblicks, der Himmel ist nur ausschnittsweise zu erkennen... Aber sowohl die Bibel als auch mein Leben in der Nachfolge kennen darüber hinaus auch andere Täler: Flusstäler, fruchtbare Niederungen, Auen, Kampfebenen usw. ... Sie alle haben ihre Bedeutung und wir tun gut daran, uns mit ihnen vertraut zu machen, bevor wir sie durchwandern. (Diejenigen unter uns, die auch Wortstudien betreiben, werden ihre Freude an der Untersuchung der verschiedenen hebräischen Ausdrücke haben, die alle mit Tal übersetzt wurden! Aber auch alle andern werden in den Zusatznamen mancher biblischer Täler Kostbarkeiten finden; so z.B.: Tal der Ebene, Tal des Schauens, Tal des Lobes, Tal der Trauben, Tal des Kummers, Tal des Wimmerns, Tal Gott öffnet, Tal des Trüben, Tal der Menschenhaufen, Tal der Leichen usw.) Wenn wir rechtzeitig so einen persönlichen Topographiekurs in Gottes Wort belegen, dann werden wir eine gute Orientierungshilfe haben und uns in den Tälern der Nachfolge auch besser zurechtfinden! Ich glaube, dass dieser Hinweis hilfreicher ist als ein Bericht über meine persönlichen Täler! 3. Vor 21 Jahren hast Du geschrieben: „Mein Gebet ist es, dass Gott mich zu einem Mann macht, der es lernen möchte, mit aller Gewalt der Aufopferung und aller Regung seiner Gefühle, mit aller Intelligenz und aller Kraft, die ihm geschenkt wurde, Gott, seinen Herrn, zu lieben...“ Hat Gott Dein Gebet erhört? Wofür setzt Du heute Deine Intelligenz und Kraft ein? Gott hat dieses Gebet erhört, aber die Betonung liegt nach wie vor auf den Worten „der es lernen möchte...“. Ich durfte lernen und darf heute immer noch lernen. Jünger sein, heißt ja wörtlich übersetzt „Lernender“ zu sein, und ein solcher möchte ich auch weiterhin bleiben und werden. Das Leben als Söldner in einer Armee ist völlig unterschiedlich von dem Leben der „friedlichen“ Bürger. Hier gab es nach meiner Legionszeit eine Menge zu lernen, um in die Lage zu kommen, meinen Unterhalt und Aufenthalt mehr oder weniger „zivil“ zu bestreiten. Dann unterscheidet sich auch das Leben als Junggeselle völlig von der Lebensgemeinschaft innerhalb einer Ehe. Als ehemaliger Einzelgänger musste ich hier sogar auf die „Grundschule“ und von ganz, ganz vorne anfangen. Und das Leben eines gläubigen Christen ist ebenfalls völlig unterschiedlich von dem Leben, das man zuvor führte. Alleine der Wunsch, ein Leben in echter Hingabe zu führen, reicht ja nicht aus. Ich muss sagen, auch hier waren leider viele, viele Stunden notwendig, um oft die einfachsten Dinge zu lernen. So belegte ich zeitgleich drei scheinbar ganz unterschiedliche „Kurse“, die aber alle das gleiche Ziel hatten: Gottes Verherrlichung! Leider ist es mir nicht immer gelungen, dieses Ziel deutlich werden zu lassen. Aber die Gnade und Weisheit unseres Herrn hat immer wieder Wege gefunden, alles hinweg zu tun was hinderlich war, und alles hinzuzufügen was dazu erforderlich ist. Und in die Hände dessen, der am Kreuz für mich starb und sich immer noch so gnädig und weise für mich einsetzt, möchte ich auch meine übrigen Tage legen! 4. Welchen Wunsch gibst Du den „fest und treu“-Lesern für das neue Jahr 2003 mit? Ich wünsche uns Lesern von ‘fest und treu’ ein Jahr voll heiliger Unruhe. Ein Jahr, das gewaltige, gottgewirkte Veränderungen in unseren Herzen und in unserer nächsten Umgebung mit sich bringt. Ein Jahr voll schlafloser Nächte, in denen wir Buße tun über unser Versagen, über unsere Herzlosigkeit und über unser laues, krankhaft praktiziertes Christsein. Ein Jahr, in dem wir endlich unsere verschränkten Arme ausstrecken, um sie zu Gott empor zu heben und dann den Gefallenen entgegenzustrecken. Ein Jahr, in dem wir neu lernen, über die Verlorenen dieser Welt zu weinen, denen wir durch unser abschreckendes, egozentrisches Verhalten lange genug den Weg zu Gott vermiest haben. Und schließlich ein Jahr, in dem wir vielleicht vieles von dem verlieren, was wir bisher als unabkömmlich ansahen, und dadurch Freiraum gewinnen für das, was wir wirklich benötigen! Eine letzte Bemerkung: Es ist schwierig, Erlebtes und Erfahrenes aus 26 Jahren Nachfolge so zusammenzufassen, dass kein verschrobener Eindruck entsteht. Dennoch habe ich es vor kurzem versucht, und so entstand nachfolgendes Gedicht, das ich hier zum ersten Mal veröffentliche und dem widmen möchte, der mich geliebt, und sich selbst für mich hingegeben hat, um mich aus dem Sumpf der Sünde und Verlorenheit zu ziehen; der mich auch während all dieser Jahre getragen hat, und dem ich es alleine verdanke, dass ich das Ziel erreiche. IHM, dem allein weisen Gott durch Jesum Christum, ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen. (Römer 16,27) Du hast die Wahrheit mir gegeben, nach all den Träumen dieser Welt, Du lehrtest mich dafür zu leben, und zu versteh ?n, was wirklich zählt. Du ließt mich gehen, bis ans Ende; all meine Ziele war ?n erreicht. Da leert ? vor Dir ich meine Hände... gezählt, gewogen... und zu leicht! Da wurd ? mir klar, wie sehr ich irrte – ich hing an einem Lügenband; je tiefer sich die Fessel schnürte, brach mehr und mehr der Widerstand. Die stete Unruh tief im Herzen erfuhr ihr Schweigen erst bei Dir. Du nahmst der Sehnsucht große Schmerzen, und schenktest wahren Frieden mir. Du öffnest Grenzen, ebnest Wege, stellst meinen Fuß auf weites Land. Du führst heraus aus dem Gehege, dass ich als eng und karg empfand. Dank Deiner unbeirrten Liebe, durchschritten wir hier Tal für Tal. Wenn nichts Vertrautes mir mehr bliebe, ich ging den Weg mit Dir noch mal. Du gibst der Freiheit erst die Rechte, führst ihren wahren Inhalt an: Nicht: Tun zu können was man möchte, doch: Tun zu wollen, was man kann. Der Hoffnung schenkst Du neue Triebe, sind deren Äste noch so kahl; scheint jede Aussicht grau und trübe, Du zeigst mir Knospen überall! Dein Wort bleibt Maßstab der Gedanken, und unauslöschlich Deine Tat. Mag alles hier im Leben schwanken, Du bist die Norm, bei Dir ist Rat! Du hast die Wahrheit mir gegeben, nach all den Träumen dieser Welt, Du lehrtest mich dafür zu leben, und zu versteh ?n, was wirklich zählt. Kurt Becker

Nachtext

Quellenangaben