Zeitschrift-Artikel: Gottesbilder und Gotteserkenntnis

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Titel: Gottesbilder und Gotteserkenntnis
Typ: Artikel
Autor: Johannes Pflaum
Autor (Anmerkung):

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Titel

Gottesbilder und Gotteserkenntnis

Vortext

Text

In der heutigen Verkündigung und Seelsorge ist viel vom „Gottesbild“ die Rede.
Auf dem psychologisierten Hintergrund der heutigen Evangeliums-Verkündigung und Seelsorge wird das Gottesbild der betreffenden Person oft in einem untrennbaren Zusammenhang mit Kindheitserfahrungen und den damit verbundenen Erinnerungen an den leiblichen Vater gesehen. Zu einem „guten“ Gottesbild kann nach dieser psychologischen Sicht deshalb nur der gelangen, welcher zuvor sein falsches oder einseitiges Vaterbild aus der Kindheit aufgearbeitet und korrigiert hat. Nun ist es unbestritten, dass enttäuschende oder oft sogar schlimme und sehr verletzende Erlebnisse in der Kindheit und Jugend tiefgreifende Spuren hinterlassen und solche Menschen auf alles andere als auf positive Erinnerungen an einen liebevollen Vater zurückblicken können.
Dennoch bleibt die Frage, wie sie zu einem „richtigen“ Gottesbild kommen und ob der heutige Umgang und die Interpretation von richtigen und falschen „Gottesbildern“ in der Verkündigung und Seelsorge tatsächlich mit dem Zeugnis der Heiligen Schrift übereinstimmt. Oder stehen wir in Gefahr, in manchen Bereichen durch einen verkehrten Ansatz in eine falsche Richtung gelenkt zu werden?
Dass diese Problematik thematisiert wird ist sicher richtig und dringend nötig, weil die Sicht, die wir von Gott haben, in direktem Bezug zu unserem Denken, Fühlen und Handeln steht und unser ganzes Leben beeinflusst.
Doch wenn wir in dieser Fragestellung nicht in die Irre gehen wollen, ist die Lösung des Problems nicht, von einem „falschen“ zu einem „richtigen“ Gottesbild zu kommen. Wir müssen uns der Erkenntnis stellen, dass es nur ein einziges „richtiges“ Gottesbild gibt – und zwar das, welches Gott von sich selbst offenbart: Wir müssen von den „falschen“ Gottesbildern zum biblischen Gottesbild kommen.

Gottesbilder als eigene Phantasieprodukte
Nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift verfügt der gefallene sündige Mensch von sich aus über keine wahre Gottes-Erkenntnis im biblischen Sinn (1Kor 2,14):
Ein natürlicher Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird.
Durch sein Gewissen (Röm 1, 32), die Natur (Röm 1,19-20) und die Geschichte (Ps 66,5-7) kann der gefallene Mensch erkennen, dass es einen Gott geben muss. Dazu wurde jedem Menschen ein Ahnen in Bezug auf die Ewigkeit Gottes ins Herz gelegt (Prd 3,11). Aber weil der Mensch durch die Sünde in seinem Denken verfinstert ist (Eph 4,18), ist es ihm unmöglich, von sich aus den lebendigen Gott zu erkennen. Aus diesem Grund beginnt der Mensch, sich selbst durch seine religiösen Vorstellungen und Gedanken „Gottesbilder“ zu machen.
Diese Gottesbilder entsprechen aber nicht dem Wesen des lebendigen Gottes. Solche Gottesbilder gibt es nicht nur in den verschiedenen Religionen. Auch ein Nachfolger Jesu kann der Gefahr erliegen, sich ein Gottesbild seiner eigenen Gedanken und Wünsche zurechtzulegen, indem er biblische Aussagen nach seinen menschlichen Vorstellungen interpretiert oder Schriftstellen einseitig betont und andere Bibelverse zugunsten seiner eigenen Vorstellungen unterschlägt.

Gottesbilder und Götzenbilder
Die Bibel spricht von „Gottesbildern“ bzw. „Götterbildern“ im Zusammenhang mit den durch Menschen gemachten Götzen. Besonders in Jer 10,1-11; Jes 40,18-26; Jes 44,6-23 ist davon die Rede. Wie an diesen Stellen im Textzusammenhang deutlich wird, geht es bei den Götzen nicht nur um eine bildliche oder plastische Darstellung, sondern auch um die damit verbundenen religiösen Vorstellungen, die sich der Mensch in seinen Gedanken über seinen Gott zurechtlegt. Dabei versucht der Mensch, seine Sicht der Götter mit menschlichem Denken zu erklären und zu beurteilen.
Ein Götzenbild ist damit immer ein von Menschen festgelegter Rahmen, in welchem man seinen Gott mit seinen Absichten und seinem Handeln nach seinen eigenen Vorstellungen festlegen, erklären und erfassen möchte. Aus diesem Grund stellt der lebendige Gott den Götzen diesen gewaltigen Satz gegenüber, der all unsere selbstgemachten Gottesbilder sprengt (Jes 40,18+25):
Mit wem wollt ihr Gott vergleichen, und was für ein Abbild wollt ihr ihm gegenüberstellen? ... Mit wem denn wollt ihr mich vergleichen, dem ich gleich wäre? spricht der Heilige.

Gotteserkenntnis – die unabdingbare Voraussetzung
Da es dem natürlichen Menschen nicht möglich ist, von sich aus den lebendigen Gott zu erkennen, hat Gott sich in der Heiligen Schrift und in Jesus Christus geoffenbart. In diesem Zusammenhang spricht die Bibel von Gotteserkenntnis. Gotteserkenntnis nach dem biblischen Zeugnis bekommt ein Mensch nicht durch Aufarbeitung traumatischer Kindheits-Erlebnisse – so nötig diese Aufarbeitung in anderer Hinsicht auch ist - sondern durch den Heiligen Geist, der ihm das Wesen Gottes erschließt und Christus verherrlicht. Da Gott in seiner Größe, Herrlichkeit, Allmacht und Weisheit für uns unbegreifbar ist, wird allein durch die biblische Gotteserkenntnis ein „richtiges“, ausgewogenes Gottesbild vermittelt. Aus diesem Grund steht in Sprüche 1,7: Die Furcht des HERRN ist der Anfang der Erkenntnis.
Schon wenn wir versuchen, Gottes Heiligkeit und Gerechtigkeit auf der einen Seite und seine Gnade und Liebe auf der anderen Seite auf eine Linie bringen zu wollen, wird jedes menschlich zurechtgelegte Gottesbild gesprengt. Deshalb kann Paulus am Ende von Gottes Gerichts- und Liebeswegen mit seinem Volk Israel nur anbetend, von tiefer Gotteserkenntnis ergriffen, ausrufen:
O Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! Wie unausforschlich sind seine Gerichte und unausspürbar seine Wege! Denn wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Mitberater gewesen? Oder wer hat ihm vorher gegeben, und es wird ihm vergolten werden? Denn von ihm und durch ihn und für ihn sind alle Dinge! Ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit Amen! (Röm 11,33-36)
In Jesaja 55, 8 macht Gott selbst deutlich, wie jedes von Menschen über ihn zurechtgelegte Gottesbild in die Irre führt: Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR. Denn so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.
Im Buch Hiob sehen wir, wie die drei Freunde durch ihr jeweiliges verzerrtes „Gottesbild“ versuchen, den Ursprung von Hiobs Leiden zu erklären. Gott selbst musste am Ende über diese drei Männer sagen, dass sie nicht Wahres über ihn geredet hatten (Hi 42,7). Hiob, der Knecht Gottes, hielt an seinem Herrn fest, obwohl das Handeln Gottes auch für Hiob unverständlich war und er keine Erklärung dafür finden konnte. Ab Kap. 38 bekam Hiob keine Antwort auf die Frage nach seinem Leid. Dafür offenbarte sich der allmächtige Gott in seiner Größe ganz neu seinem Knecht. Daraufhin verwarf Hiob seine selbst ausgedachten Gottesbilder und bekannte, von tiefer Gotteserkenntnis ergriffen (Hi 42,1-6):
Ich habe erkannt, dass du alles vermagst und kein Plan für dich unausführbar ist. Wer ist es, der den Ratschluss verhüllt ohne Erkenntnis? So habe ich denn meine Meinung mitgeteilt und verstand doch nichts, Dinge, die zu wunderbar für mich sind und die ich nicht kannte ... Ich will dich fragen und du sollst mich wissen lassen! Vom Hörensagen hatte ich von dir gehört, jetzt aber hat mein Auge dich gesehen. Darum verwerfe ich mein Geschwätz und bereue in Staub und Asche.

Ein biblisches Gottesbild durch Gotteserkenntnis
Gott möchte nicht, dass wir uns unsere eigenen Gottesbilder basteln. Es geht auch nicht darum, dass wir ein selbstgemachtes Gottesbild A durch ein Gottesbild B ersetzen.
Es geht darum, dass wir anerkennen, auf Gottes Selbstoffenbarung in der Bibel, der Schöpfung und der Geschichte angewiesen zu sein und dem Heiligen Geist Raum geben, uns zur wahren Erkenntnis Gottes zu führen und so ein biblisches Gottesbild zu gewinnen. In der Bibel finden wir alles, was wir über Gott und sein Wesen wissen müssen. Die biblische Gotteserkenntnis führt zu einem richtigen Vaterbild, wie Paulus in Eph 3,14-15 schreibt:
Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, von dem jede Vaterschaft in den Himmeln und auf Erden benannt wird.

Christus, das Bild des lebendigen Gottes
Jedes menschlich zurechtgelegte sowie jedes psychologisch korrigierte Gottesbild führt in die Irre. Wahre Gotteserkenntnis wird uns dann zuteil, wenn wir aufmerksam, mit suchenden, demütigen Herzen das ganze Wort Gottes lesen und studieren und uns besonders dem Bild zuwenden, in welchem sich der so unfassbare Gott in seiner Gnade geoffenbart hat. Und dieses Bild ist Christus selbst, wie wir in Kol. 1, 15 lesen:
Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene aller Schöpfung.
Christus in seiner göttlichen Größe, Macht und Herrlichkeit, in seiner Liebe und seinem Erbarmen, aber auch in seiner unbestechlichen Heiligkeit und Gerechtigkeit mehr und mehr zu erkennen, heißt Gott zu sehen! Aus diesem Grund bekannte der Apostel Paulus (Phil 3,8):
Ja wirklich, ich achte auch alles für Verlust um der unübertrefflichen Größe der Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, willen, um dessentwillen ich alles eingebüßt habe und es für Dreck achte, damit ich Christus gewinne.

Nachtext

Quellenangaben