Zeitschrift-Artikel: Herkunft und Entwicklung der Sprachen Linguistik kontra Evolution (Roger Liebi)

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Titel: Herkunft und Entwicklung der Sprachen Linguistik kontra Evolution (Roger Liebi)
Typ: Buchbesprechung
Autor: Gerrit Alberts
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Herkunft und Entwicklung der Sprachen Linguistik kontra Evolution (Roger Liebi)

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Text

Das Buch ist eine erweiterte Neuauflage des 2003 im Hänssler-Verlag erschienenen Werkes. Bereits 1991 erschien ein Buch mit dem Titel „Der Mensch – ein sprechender Affe“ (Schwengeler-Verlag) vom selben Autor mit derselben Thematik. Im Kern geht es um die Frage, ob es im beobachtbaren Zeitraum eine Aufwärtsentwicklung oder einen Verfall der Sprachen gegeben hat. Im Rahmen der Evolution würde man eine Zunahme an Komplexität erwarten, mit der Schöpfungslehre wäre eine Abnahme zu vereinbaren. Zunächst wird eine kurze Einführung in den Evolutionismus und seine Kritik sowie in die Linguistik gegeben. Der Hauptteil des Buches beschäftigt sich mit drei Fragestellungen: Sind die ältesten bekannten Sprachen, von denen es schriftliche Überlieferungen gibt, – es handelt sich um Sumerisch, Akkadisch und Ägyptisch – primitiver als die heutigen Sprachen? Sind die Sprachen von Eingeborenenstämmen auf einer niedrigen Kulturstufe (z.B. auf der der Steinzeit) primitiver als die der westlichen Hochkulturen? Haben sich Sprachen, deren Entwicklung man über einen längeren Zeitraum beobachten kann, zu größerer Komplexität entwickelt oder lassen sich Zerfallserscheinungen feststellen? Liebi konzentriert sich bei seiner Untersuchung auf den Bereich der Morphologie (Formenlehre). Während es z.B. im Bereich der Phonetik und Lexik Beispiele gibt, dass im Verlauf der Sprachentwicklung die Anzahl der Laute (Phoneme) und fast immer der Wortschatz zunehmen, lässt sich bei Betrachtung eines längeren Zeitraumes eine zunehmende Verarmung in der Morphemik beobachten. Dazu ein Beispiel aus dem Englischen (S. 243): Singular modernes Englisch Altenglisch Nominativ stone stan Genitiv stone stanes Dativ stone stane Akkusativ stone stan Plural modernes Englisch Altenglisch Nominativ stones stanas Genitiv stones stana Dativ stones stanum Akkusativ stones stanas Wie man unschwer erkennen kann, haben sich die Kasus-Endungen von sechs auf zwei reduziert. Die ältesten bekannten Sprachen zeichnen sich durch eine beeindruckende morphologische Vielfalt aus. Die Sprache der Eingeborenen, die sich auf einer aus unserer Sicht primitiven Kulturstufe befinden, sind alles andere als primitiv, sondern morphologisch zum Teil viel komplexer als unsere Sprachen. Wie passt das alles zusammen mit der Behauptung der Evolution, die Sprache habe sich aus primitiven Lautäußerungen der Ur-Menschen entwickelt? Der Autor argumentiert, dass die Fakten eher dafür sprechen, dass es bei der Schöpfung und im Zuge der babylonischen Sprachverwirrung hinsichtlich der Morphologie sehr differenzierte Sprachen gab, die im Lauf der Zeit bezüglich des Formenreichtums degeneriert sind. In einem weiteren Kapitel befasst sich der Autor mit dem Phänomen des Sprachenredens im NT und versucht zu belegen, dass es sich um real existierende Sprachen und Dialekte handelte. Interessant sind seine Ausführungen zu 1. Korinther 14, die einen neuen Blick auf manche Aussagen des Kapitels ermöglichen. Angesichts der Fülle des behandelten Stoffes ist es nicht verwunderlich, dass manche Fragen offen bleiben. Angesichts seiner zentralen These wäre eine Auseinandersetzung mit den in der linguistischen Literatur beschriebenen Beispielen von Zunahme an morphologischer Komplexität sinnvoll. Obwohl der Autor einerseits behauptet, hohe morphologische Komplexität sei nicht per Definition „gut“ und niedrige „schlecht“, ist er doch andererseits der Meinung, der Komplexitätsverlust sei ein Bestandteil des allgemeinen Verfalls der Schöpfung im Sinn von Römer 8,20. Insgesamt überzeugt das Buch jedoch durch die Detailkenntnisse und durch die überzeugende Argumentation hinsichtlich der zentralen Fragestellungen.

Nachtext

Quellenangaben

CLV, 2018 (4.Auflage), Paperback, 344 S., € 12,90