Zeitschrift-Artikel: Hiskia

Zeitschrift: 131 (zur Zeitschrift)
Titel: Hiskia
Typ: Artikel
Autor: Wolfgang Bühne
Autor (Anmerkung):

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Titel

Hiskia

Vortext

Text

Bibeltext: 2Chr 30,1-10
Das letzte Kapitel endete mit den Worten: „Und Hiskia und das ganze Volk freuten sich über das, was Gott dem Volk bereitet hatte ...“
Gott hatte eine wunderbare Erweckung geschenkt. Das Haus Gottes war von allem Götzendienst der vergangenen Jahrzehnte gereinigt worden. Die Leviten und Priester hatten sich „geheiligt“, um nach vielen Jahren der Gleichgültigkeit wieder ihren eigentlichen Auftrag im Tempel wahrzunehmen. Das Sündopfer – um für „ganz Israel Sühnung zu tun“ (29,24) – war dargebracht worden. Als dann auch das Brandopfer – Symbol der Hingabe und Anbetung – geschlachtet und verbrannt wurde, „begann der Gesang des Herrn“. Begleitet von schmetternden Trompeten, von Harfen und Lauten: „den Instrumenten Davids“.
Ergriffen von der Erhabenheit dieses Gottes- dienstes kniete der König Hiskia mit seinem Volk nieder, um Gott anzubeten und schließlich konn- ten sich auch die Leviten nicht mehr zurückhalten: „Sie lobsangen mit großer Freude!“
Und so endete dieser denkwürdige Tag mit einer Menge Schlacht- und Dankopfern, die von einem mit großer Dankbarkeit und Freude erfüllten Volk als Zeichen ihrer Weihe gebracht und geopfert wurden – „denn die Sache war plötzlich geschehen“ (29,36).


Nach so vielen Jahren ...
„Plötzlich“ – weder geplant noch geahnt – hatte der Geist Gottes in Hiskia, seinen Obersten und dem Volk eine Erweckung geschenkt, die der Auslöser für eine weitere Erkenntnis war: Man hatte über 250 Jahre lang nicht mehr das Passah gefeiert! Das von Gott verordnete Fest, eingesetzt um Israel an die Nacht der Erlösung aus der Knechtschaft Ägyptens durch das Blut des Passah-Lammes zu erinnern, war völlig in Vergessenheit geraten ...
Gott hatte befohlen, dass jeder Israelit jährlich in Jerusalem zu diesem Fest und dem anschließenden Fest „der ungesäuerten Brote“ erscheinen sollte (2Mo 23,14-15).
Weder Hiskia noch seine Zeitgenossen waren bisher dieser Anweisung Gottes gefolgt. Keiner von ihnen hatte damit Erfahrungen gemacht. Aber irgendwie weckte der Geist Gottes in dem König, seinen Obersten und auch in dem Volk die Erinnerung an diese Vorschrift in den Büchern Mose und ebenso den Wunsch, Gott in dieser Sache gehorsam zu sein.
Die Tatsache, dass diese Verordnung Gottes seit vielen Generationen nicht praktiziert wurde, war für sie kein Grund zu sagen: Das haben wir bisher noch nie gemacht und deshalb wollen wir uns nicht auf diese „Neuerungen“ einlassen. Wenn es unter uns heute Tradition geworden ist, ausdrückliche Anweisungen Gottes nicht zu befolgen, wird es höchste Zeit, mit diesen Tradi- tionen zu brechen. Die Zeit der Reformation und der Erweckungsbewegungen liefert uns dafür eine Menge Anschauungsmaterial.
Gehorsam ist der Schlüssel zu weiterer Erkenntnis. Dieses geistliche Prinzip wird in unserer Geschichte deutlich illustriert. „Die Furcht des Herrn ist Unterweisung zur Weisheit ...“ (Spr 15,33).


Ein gemeinsamer Beschluss
Aus den Versen 2 und 12 geht hervor, dass es sich hier nicht um einen einsamen und willkürlichen Befehl Hiskias handelte, das Passah zu feiern und dazu das ganze Volk Israel einzuladen. Es gab eine Beratung mit den „Obersten“ und der „ganzen Versammlung in Jerusalem“.
Gott benutzt oft Einzelne, um eine Erweckung auszulösen. Das haben wir im Leben Hiskias bereits festgestellt. Aber dann kommt eine Phase, wo gemeinschaftlich beraten und gehandelt werden muss, um die Erweckung zu festigen.
Hiskia ging mit gutem Beispiel voran und hätte sicher genügend Gründe anführen können, keine Beratungen mit den verknöcherten, eingeschlafenen und abgestumpften Obersten des Volkes zu suchen. Aber Hiskia hatte verstanden, dass dieses große Werk der Reformation in Israel nicht durch einen begabten Solisten allein angepackt werden konnte. Er suchte die Mitarbeit von Verantwortungsträgern und Freiwilligen des Volkes und es gelang ihm mit der Hilfe der „Hand Gottes“, dass Gott „ihnen ein einmütiges Herz gab“, den Willen Gottes zu tun (Vers 12).
Ein „Solo-Christentum“ entspricht nicht dem Plan Gottes und ist starken Gefährdungen ausgesetzt. Der Herr Jesus hat seine Jünger zu zweit in seine Erntearbeit geschickt. Und die Apostelgeschichte zeigt uns, wie durch Team- Arbeit das Evangelium ausgebreitet und die Gemeinden befestigt wurden.
Paul Humburg schreibt an dieser Stelle treffend:
Alle Einspännerei ist im Reich Gottes vom Übel ... Niemand soll die Brüder verachten, auch dann nicht, wenn sie anfangs mehr Arbeit machen als voranhelfen, mehr Last als Hilfe sind. Der Meister schickte sie je zwei und zwei und sorgte dadurch für die Ergänzung untereinander.“1
Interessant auch, dass sie nun gemeinsam zu der Erkenntnis kamen, dass das Passah nicht – wie vorgeschrieben – im ersten Monat gefeiert werden konnte, „weil die Priester sich nicht in hinreichender Zahl geheiligt hatten“ (Vers 3). Sie hatten offensichtlich in den Büchern Mose studiert und festgestellt, dass es in 4Mo 8,6-12 eine für ihre Situation zutreffende Ausnahme-Genehmigung gab, nämlich das Passah im zweiten Monat zu feiern.
Hier wird wiederum deutlich, dass gemeinsames Beraten unter dem Wort Gottes zu vermehrter Erkenntnis des Willens Gottes in aktuellen Situationen führt.


Unterwegs mit froher Botschaft ...
Die Einladungen zum Passahfest waren per Brief geschrieben. Die Adressaten waren nicht nur die Bürger Judas mit dem Zentrum Jerusalem, son- dern galten „ganz Israel, von Beerseba bis Dan“ (Vers 5) und auch „Ephraim und Manasse und bis nach Sebulon“ (Verse 1 und 10).
Das Zehn-Stämme-Reich Samaria war bereits von den Assyrern in die Gefangenschaft geführt worden und so waren es nur noch Einzelne, die in den verödeten und menschen- leeren Städten und Dörfern Israels lebten und inzwischen die Götter der heidnischen Nationen anbeteten (2Kö 17).
Doch Hiskia hatte angesichts des Passah-Festes einen Blick und ein Anliegen für das ganze Volk Gottes, als er die „Läufer mit den Briefen von der Hand des Königs und der Obersten“ losschickte.
Hiskia hatte verstanden, dass das Passah-Fest nicht nur die Erinnerung an die Erlösung durch das Blut des Lammes symbolisierte, son- dern gleichzeitig auch die Einheit und Gemeinschaft des Volkes Gottes deutlich machte. Er fühlte sich auch mit den Gliedern des Volkes Gottes verbunden, die sich unter fremder Herrschaft befanden und heidnische Sitten und Gebräuche angenommen hatten.
Wir befinden uns heute in einer ähnlichen Situation. Die Gemeinde Gottes in unserer Zeit ist zerstritten und zerteilt. Von einem gemeinsamen Zeugnis für die Einheit der Gemeinde kann keine Rede mehr sein. Viele Geschwister befinden sich in Kirchen und Gemeinden, wo Irrlehren, Götzendienst, Unmoral und unbiblische Prinzipien toleriert oder als „kulturrelevant“ akzeptiert werden. Dazu kommt noch eine immer größer werdende Zahl von Christen, die durch ihre bisherigen Gemeinde-Erfahrungen so frustriert sind, dass sie sich keiner Gemeinschaft mehr anschließen wollen.
Welch ein Segen sind dann Christen und Gemeinden, die ein weites Herz und ein echtes Verantwortungsbewusstsein für alle Kinder Gottes haben und sich bemühen, die „Einheit des Geistes durch das Band des Friedens“ (Eph 4,3) zu bewahren. Christen, die nicht die Augen verschließen vor unbiblischen Ansichten und Praktiken, aber mit einem liebenden und mitfühlenden Herzen zur Umkehr und Neuorientierung einladen und vor allem ein biblisches, auf unseren Herrn Jesus ausgerichtetes und geisterfülltes Gemeindeleben vorleben und vorstellen können.


Wahrheit und Liebe
In den „Briefen von der Hand des Königs“, die von den Boten in ganz Israel verteilt wurden, waren die gravierenden Unterschiede im geteilten Israel nicht einfach glattgebügelt worden nach dem Motto „Dogmen trennen – Liebe eint!“. Die Botschaft des Königs enthielt sowohl Aufforderungen zur Umkehr und Buße, wie auch die liebevolle und ermutigende Einladung „das Passah in Jerusalem zu feiern“ (V. 5):

  • „Kinder Israel! Kehrt um zu dem Herrn, dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs ...“ (v. 6)
  • „Und seid nicht wie eure Väter und wie eure Brüder, die treulos gehandelt haben gegen den Herrn, den Gott ihrer Väter ...“ (V. 7)
  • „Nun verhärtet eure Nacken nicht wie eure Väter; gebt dem Herrn die Hand und kommt zu seinem Heiligtum ...“(V. 8)
  • „Denn wenn ihr zu dem Herrn umkehrt, so werden eure Brüder und eure Kinder Barm- herzigkeit finden vor denen, die sie gefangen weggeführt haben, und in dieses Land zurückkehren. Denn gnädig und barmherzig ist der Herr, euer Gott, und er wird das Ange- sicht nicht von euch abwenden, wenn ihr zu ihm umkehrt.“(V. 9)

Die Briefe des Königs waren geprägt von Wahrheit und Liebe und so sollten auch in unserem Denken, Reden und Leben diese beiden großen Charakterzüge unseres Herrn zu erkennen sein.
„Wahrheit ohne Gnade erzeugt eine selbst- gerechte Gesetzlichkeit, welche die Gemeinde vergiftet und die Welt auf Abstand zu uns hält. Gnade ohne Wahrheit bewirkt eine moralische Gleichgültigkeit und verhindert, dass Menschen erkennen, dass sie Jesus Christus brauchen.“2
„Ohne Wahrheit fehlt uns der Mut zu reden, fehlen uns die Überzeugungen, die es weiterzugeben gilt.
Ohne Gnade fehlt es uns an dem nötigen Mitgefühl, um den tiefsten Bedürfnissen unserer Mitmenschen zu begegnen.“3


Und sie laufen trotzdem weiter ...
Es ist ein bewegendes Bild, die Läufer des Königs bei ihrem Auftrag zu beobachten. Sie haben eine frohe Botschaft in ihren Händen. Sie eilen, um so viele wie möglich zu dem großen Fest in Jerusalem einzuladen: „Sie liefen von Stadt zu Stadt durch das Land Ephraim und Manasse und bis nach Sebulon.“ (V. 10)
Man wird beim Nachdenken über diese Szene an Jes 52,7 erinnert, wo von den „lieblichen Füßen“ dessen geredet wird, der auf den Bergen „frohe Botschaft bringt, der Frieden verkündigt, der Botschaft des Guten bringt ...“ Aber es ist auch sehr ernüchternd festzustellen, dass die Reaktion der Eingeladenen damals wie heute aus Spott und Gelächter bestand. Diese Leute hatten kein Interesse daran, nach Jerusalem zu pilgern. Der König und seine Anliegen war ihren Herzen und Köpfen fremd. Sie hatten sich mit ihrem eigenen, mit Heidentum und Götzendienst vermischten „Gottesdienst“ abgefunden oder sogar angefreundet (2Kö 17,33). Und so konnten sie nur lachen und spotten über diese weltfremden Boten und ihre für sie lächerliche und völlig uninteressante Einladung.
Der alte Bibelausleger Henri Rossier (1835 - 1928) schreibt an dieser Stelle treffend: „Schreibt Briefe wie Hiskia. Sendet eure Botschaft überall hin und sagt: das Volk Gottes ist e i n Volk; es möge sich eilends versammeln, um Anbetung zu bringen. Es möge am Tisch des Herrn diese durch den Heiligen Geist gebildete Einheit bezeugen. Es möge sich reinigen von aller Vermischung mit einer unreinen Welt, und – wie tief auch der Fall sein mag, – es kann die ersten Segnungen wiederfinden!
Glaubt nicht, dass ihr viele Seelen finden wer- det. Wird euer Mahnruf nicht vielmehr Gleichgültigkeit, Spott und Verachtung finden?“4
Doch die Läufer des Königs lassen sich durch frustrierende Reaktionen nicht abhalten – sie laufen weiter und erleben, dass „einige Männer von Aser und Manasse und von Sebulon sich demütigten und nach Jerusalem kamen.“ (V. 10).
In unserer Zeit wird es nicht viel anders sein. Die Einladung, dem Wort Gottes auch in den Fragen des Gottesdienstes zu folgen, wird keine Begeisterungsstürme auslösen, sondern nur zu oft auf Gleichgültigkeit, Desinteresse und Unverständnis folgen.
Und doch: Einige wenige werden sich damals wie heute besinnen, demütigen und auf den Weg machen. Muskelkater, Schweiß und Tränen, das Ertragen von Spott und Hohn im Dienst für den Herrn war und ist nicht umsonst und die Wenigen, die sich aufmachen und dem Ruf zur Umkehr folgen sind mehr als Lohn für alle Mühe.

 

Nachtext

Quellenangaben

QUELLENNACHWEISE
1    Paul Humburg; „Allerlei Reichtum“; Aussaat; S. 265 (vergriffen)
2    Randy Alcorn; „Voller Gnade und Wahrheit“; CLV, S. 19
3    ebd.; S. 96
4    Henri Rossier; „Betrachtungen über das 1. und 2. Buch der Chronika“; Paulus; S. 132