Zeitschrift-Artikel: Eric Russel - J.C.Ryle - Ein Mann wie Granit, mit dem Herzen eines Kindes

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Titel: Eric Russel - J.C.Ryle - Ein Mann wie Granit, mit dem Herzen eines Kindes
Typ: Buchbesprechung
Autor: Christoph Grunwald
Autor (Anmerkung):

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Titel

Eric Russel - J.C.Ryle - Ein Mann wie Granit, mit dem Herzen eines Kindes

Vortext

Text

Der 3L-Verlag ist ja nicht gerade dafür bekannt, populäre Bestseller aufzule- gen. Ganz im Gegenteil – Jahr für Jahr bringt er in geringschätziger Verachtung aktueller Lesetrends immer wieder wirklich wertvolle Literatur heraus.
So erscheinen nach und nach die schon vergessen geglaubten Bände der Puritaner, Predigtreihen von Lloyd-Jones und nicht zuletzt Teile des literarischen Werkes von J.C. Ryle. Wahrschein- lich wird dieser Name den Bekanntheitsgrad der meisten Purita- ner kaum erreichen – trotzdem ist eine Auseinandersetzung mit Ryles Werken aus theologischer Sicht durchaus wertvoll.
Ryle lebte im 19. Jhdt. als Sohn eines reichen Unternehmers und Bankiers und sollte eigentlich eine politische Laufbahn ein- schlagen. Obwohl sein Großvater ein Freund Wesleys war, wuchs Ryle kirchenfern auf. Er bekehrte sich erst in seinem Studium während eines Gottesdienstes – durch die Lesung von Eph 2,8. Sein Vater entzog ihm daraufhin jegliche Verantwortung in der Bank – weshalb ihn später der Bankrott des Vaters völlig überrumpelte. Über Nacht war er dadurch vom Millionen-Erbe zum Schuldner geworden. Auf diese Weise völlig seiner Karriere-Möglichkeiten beraubt, sah Ryle seine einzige Chance in einer kirchlichen Laufbahn, die ihm als Oxford-Absolvent offen stand. Nach zahlreichen Jahren als Landpfarrer, in denen sich Ryle durch eine große Liebe zu Gottes Wort, einer treuen Verkündigung und einer intensiven seelsorgerlichen Betreuung der Gemeindeglieder auszeichnete, wurde er schließlich zum ersten Bischof von Liverpool ernannt – eine Stellung, die er für 20 Jah- re, bis kurz vor seinem Tod, innehatte.
Ryle galt als Sprecher des evangelikalen, konservativen Flügels der anglikanischen Kirche, lehnte es aber zeitlebens trotz bedenklicher Strömungen ab, die Kirche zu verlassen, was ihm Kritik nicht nur von seinem Zeitgenossen C.H. Spurgeon einbrachte. Als Autor verfasste er erfolgreich und im großen Stil Broschüren, sowie mehrere Bücher (von deren Einnahmen zahlte er wohl lebenslang die Schulden seines Vaters ab) und als Prediger reiste er durch das ganze Königreich. Theologisch steht Ryle mit den englischen Reformatoren, sowie den Puritanern, die neben den Weslyes und Withefield Ryles geistliche Vorbilder waren, in einer Reihe. Für die meisten modernen, evangelikalen Leser wird die Haltung Ryles zu seiner Kirche sicher unverständlich sein – dennoch sind seine Gedanken zum Thema Einigkeit, Umgang mit andersdenkenden Geschwistern usw. durchaus beachtenswert.
Für jeden, der sich für Ryle und seine Werke interessiert, ist das Buch eine wirklich ausgezeichnete Empfehlung. Wichtige Stationen seines Lebens werden ausführlich, manchmal etwas holprig, aber trotzdem spannend beschrieben und mit über 500 Quellenreferenzen belegt. Etwas Durchhaltevermögen erfordert aber das häufig verwandte (und nicht erklärte) Kirchenvokabular und die nicht seltene namentliche Erwähnung von Personen, die für jemanden, der nicht die Geschichte der Anglikanischen Kirche studiert hat, wohl völlig unbekannt sind und auch im Buch nicht oder nur unzureichend eingeführt werden.
Wer jedoch eine Biografie sucht, die den Menschen Ryle mit seinen Kämpfen und tiefen geistlichen Auseinandersetzungen zeigt (immerhin verlor er über Nacht seine gesamte materielle Existenz, wurde insgesamt dreimal Witwer und war als prinzipi- entreuer Evangelikaler nicht überall beliebt), wird diese Einblicke schmerzlich vermissen und so bleibt die Biographie mehr informativ als erbaulich.

Nachtext

Quellenangaben

3L, 265 S, Pb, 12,95€