Zeitschrift-Artikel: Gelobt sei Gott für den Schmelzofen

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Titel: Gelobt sei Gott für den Schmelzofen
Typ: Artikel
Autor: A.W. Tozer
Autor (Anmerkung):

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Titel

Gelobt sei Gott für den Schmelzofen

Vortext

Text

Es ist der verstorbene Rutherford, der inmitten ernsthafter und schmerzhafter Versuchungen ausrufen konnte: "Gelobt sei Gott für den Hammer, die Feile und den Schmelzofen!"

Der Hammer

Der Hammer ist ein nützliches Werkzeug, aber der Nagel würde, besäße er Gefühl und Ver­stand, eine andere Seite der Geschichte auf­zeigen. Denn der Nagel kennt den Hammer nur als Gegner, als brutalen, gnadenlosen Feind, der nur dazu lebt, ihn zu unterwerfen, ihn aus dem Blickfeld zu schlagen und an seinen Platz zu heften. Diese Sichtweise hat der Nagel vom Hammer, und sie trifft zu bis auf einen Punkt: Der Nagel vergißt, daß sowohl er wie der Hammer Diener desselben Handwerkers sind. Der Nagel sollte sich vor Augen führen, daß der Hammer in der Hand des Handwerkers liegt, und dann wird jede Verstimmung ihm gegenüber verschwinden. Der Zimmermann entscheidet, wessen Kopf als nächstes ge­schlagen und welcher Hammer zum Schlagen benutzt wird. Das ist sein souveränes Recht. Wenn sich der Nagel dem Willen des Hand­werkers ausgeliefert und einen kleinen Finger­zeig auf seine gütigen Pläne für seine Zukunft erhalten hat, wird er den Hammer ohne Klage ertragen.

Die Feile

Die Feile ist noch schmerzhafter, denn ihre Aufgabe ist es, sich in das weiche Metall zu graben und die Kanten wegzukratzen, bis das Metall nach ihrem Willen geformt ist. Dennoch besitzt die Feile in dieser Angelegenheit keinen wirklichen Willen, sondern steht dem Willen eines anderen zur Verfügung wie auch das Metall. Es ist der Herr und nicht die Feile, der beschließt, wieviel entfernt werden muß, welche Form das Metall annehmen soll und wie lange das schmerzhafte Feilen dauert. Wenn das Metall den Willen des Herrn akzeptiert, wird es nicht versuchen, vorzuschreiben, wann oder wie es gefeilt werden sollte.

Der Schmelzofen

Aber der Schmelzofen ist das Schlimmste von allem. Unbarmherzig und brutal stürzt sich das Feuer auf alles Brennbare, das in den Ofen hineinkommt, und es hört nicht eher auf zu rasen, bis es alles zu formloser Asche ver­brannt hat. Das, was sich nicht verbrennen lassen will, schmilzt zu einer Masse hilflosen Materials ohne eigene Entschlußkraft und ohne eigene Bestimmung zusammen. Wenn alles ver­schmolzen ist, was schmelzbar ist, und alles Brennbare verbrannt ist, dann und erst dann sinkt das Feuer in sich zusammen und kommt von seinem vernichtenden Wüten zur Ruhe.

Wie konnte Rutherford, dem dies alles bekannt war, Gott von Herzen für den Hammer, die Feile und den Schmelzofen preisen? Die Ant­wort lautet einfach, daß er den Meister des Hammers liebte,. den Handwerker, der die Feile führte, verehrte und den Herrn, der den Schmelzofen zur ewigen Segnung seiner Kinder anheizte, anbetete. Er hatte den Hammer ver­spürt, bis dessen rohe Schläge ihn nicht mehr schmerzten; er hatte die Feile ertragen, bis er tatsächlich dahin gekommen war, sich ihrer Schärfe zu freuen; er war mit Gott so lange in dem Schmelzofen gewandelt, daß dieser ihm zur Heimat geworden war. Dies ist keine Übertreibung der Tatsachen. Seine Briefe le­gen deutlich Zeugnis davon ab.

Eine Lehre wie diese findet keine große Zustimmung unter den Christen der heutigen ver‑
weichlichten und fleischlichen Zeit. Wir neigen dazu, das Christentum für ein schmerzloses Sys­tem zu halten, durch das wir der Strafe für die begangenen Sünden entgehen und zuletzt das Himmelreich erlangen können. Das brennende Verlangen, alles Unheilige zu verlieren und um jeden Preis Christus ähnlich zu werden, findet man nicht häufig. Wir erwarten, daß wir das ewige Reich unseres Vaters betreten und uns dort zusammen mit den Weisen, Heiligen und Märtyrern an einen Tisch setzen; und vielleicht werden wir das durch die Gnade Gottes sogar tun; ja, vielleicht werden wir das tun. Aber für die meisten von uns könnte sich das zu­nächst als eine äußerst bestürzende Erfahrung erweisen. Unser Teil beim Gespräch könnte das Schweigen des unerprobten Soldaten in der Gegenwart der schlachterprobten Soldaten sein, die den Kampf gekämpft, den Sieg gewonnen und nun die Narben haben, die beweisen, daß sie tatsächlich an der Schlacht teilgenommen haben.

Da der Teufel, die Dinge und die Menschen nun einmal so sind, wie sie sind, muß Gott den Hammer, die Feile und den Schmelzofen ge­brauchen, wenn er einen Heiligen für die wahre Heiligkeit zubereiten will. Es ist zweifelhaft, ob Gott einen Menschen sehr segnen kann, bevor er ihn nicht sehr verwundet hat.

Ohne Zweifel sind wir, die Angehörigen dieser Generation, zu weichlich geworden, als daß wir große geistliche Höhen erklimmen könnten.

Unter Errettung versteht man gegenwärtig die Befreiung von unangenehmen Dingen. Unsere Lieder und Predigten führen uns eine Religion des Trostes und der Heiterkeit vor Augen. Wir übersehen den Platz der Dornen, des Kreuzes und des Blutes. Wir ignorieren die Funktion von Hammer und Feile.

Ein Großteil des Leidens, das auf der Straße der Heiligkeit zu ertragen wir berufen sind, ist ein innerliches Leiden, für das nur selten eine äußere Ursache zu finden ist. So merkwürdig es auch klingen mag, so ist es dennoch wahr. Denn unsere Reise ist eine innere Reise, und unsere wirklichen Feinde sind für die Augen der Menschen unsichtbar. Angriffe der Dun­kelheit, der Mutlosigkeit und der akuten Min­derwertigkeitsgefühle können ohne eine Verän derung in unseren äußerlichen Umständen er­litten werden. Nur der Feind, Gott und der schwer geprüfte Christ wissen, was geschah. Das innere Leiden war groß, und ein machtvol­les Werk der Reinigung wurde vollbracht. Das Herz weiß freilich um die eigene Not, und niemand kann daran teilhaben. Gott hat Sein Kind, unabhängig von der Situation, auf die ein­zige ihm mögliche Art und Weise gereinigt. Dank sei Gott für den Schmelzofen!




Nachtext

Quellenangaben

Aus: A.W. Tozer: "Die Wurzel der Gerechten", mit freundlicher Genehmigung des Verlages der Liebenzeller Mission.