Zeitschrift-Artikel: soft & smart

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Titel: soft & smart
Typ: Artikel
Autor: Wolfgang Bühne
Autor (Anmerkung):

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Titel

soft & smart

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Text

 

»Die dritte Welle des Heiligen Geistes«  

(John Wimber und der Mitarbeiterkongress in Frankfurt vom 16.- 20.11.1988) 

Dank der freundlichen Vermittlung von R. Niemz und Chr. Schwarz war es mir kurzfristig möglich, den ersten Tag des Kongresses zu besuchen. So konnte ich aus nächster Nähe die Plenumsveran­staltungen und Seminare miterleben, mich reichlich mit Literatur und Informationsmaterial eindecken und Gespräche mit Mitarbeitern führen. Daß man mir, als sehr kritischer Beobachter der charisma­tischen Szene, mit einer solchen Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft begegnete, hat mich überrascht.

Nachdem ich bereits einige Bücher von John Wimber und zahlreiche Artikel über ihn gelesen hatte, war es mir wichtig, nun auch einen persönlichen Ein­druck von seiner Person, seinen Mitarbeitern und der Atmosphäre einer solchen Veranstaltung zu bekommen.

Vielleicht wäre es interessanter gewesen, den letz­ten Konferenztag mitzuerleben, doch mir war es wichtiger, am ersten Tag dabei zu sein, weil die Köpfe und Nerven der Veranstalter und Teilnehmer noch nicht durch das Mammutprogramm und eine angeheizte Stimmung strapaziert waren.


Zahlen

Etwa 6000 Teilnehmer hatten sich auf dem Frank­furter Messegelände eingefunden, darunter ungefähr 500 Theologen, Pfarrer und Diakone.

Die Auswertung der Anmeldungen ergab folgende Beteiligungszahlen:

42% Protestanten
12% Katholiken
7% Baptisten
5% Pfingstler

Weitere 25% gehörten verschiedenen freien Ge­meinden und Gruppierungen an. 83% der Teilnehmer waren zwischen 18 und 55 Jahre alt, also ein recht junges Publikum. 9% der Teilnehmer kamen aus dem Ausland, wovon erstaunlicherweise die meisten aus Österreich stammten, gefolgt von Holland, DDR, CSSR, Ungarn und der Schweiz.

Mit J. Wimber war ein 180köpfiges Mitarbeiterteam aus USA und England gekommen; zusätzlich waren etwa 200 Deutsche als Seelsorgehelfer anwesend und weitere 150 Helfer waren tätig, um für einen reibungslosen Ablauf der Konferenz zu sorgen.

Veranstalter des Kongresses war die "Geistliche Gemeinde - Erneuerung in der Evangelischen Kir‑
che" in Zusammenarbeit mit dem Missionswerk "Projektion J".

Man erwartete von dem Kongreß "entscheidende Impulse für eine positive geistliche Veränderung in unserem Land und eine Ermutigung der kirchlichen Mitarbeiter für ihren missionarischen Dienst"» So war es in dem Einladungsschreiben zu lesen.


Zur Person John Wimber

Wer ist nun John Wimber, der von seinen Freunden als "eine Leitfigur innerhalb der Christenheit des Westens" (1) bezeichnet wird?

Wimber selbst erzählt, daß er als Heide in der 4. Generation erzogen wurde und als junger Mann Mu­sik zu seinem Lebensinhalt wählte. Er stieg ins Musikgeschäft ein und machte als Jazz- und Rock-'n'-Roll-Musiker Karriere.

1962 geriet er in eine Krise, als sich seine Frau Carol mit ihren drei Kindern zunächst von ihm trennte und mit Scheidung drohte. Vor Kummer begann John eine religiöse Erfahrung zu suchen und fing an zu beten. Seine Frau gab ihm darauf eine neue Chance, verband aber als Katholikin ihr An­gebot mit der Forderung, sich als Ehepaar in der katholischen Kirche erneut trauen zu lassen.

Kurze Zeit später kamen Wimber und seine Frau durch einen Hauskreis zum Glauben und traten darauf in eine Quäker-Gemeinde ein, in der John bald zweiter Pastor und Carol Älteste wurde. John begann kurz nach seiner Bekehrung in Zungen zu reden, wurde damals aber durch seine Frau ge­warnt. Siebzehn Jahre später hatte Carol Wimber einen Traum, in dem sie eine Predigt gegen den Gebrauch von Geistesgaben hielt. Beim letzten Punkt wurde sie jedoch von einem Hitzeschlag ge­troffen:
"Die Hitze durchlief meinen ganzen Körper und kam schließlich aus meinem Mund heraus. Ich wachte auf und sprach in einer anderen Sprache" (2).
Während dieser Zeit war John am Fuller-Institut für Evangelisation und Gemeindewachstum tätig.

1976 begannen die Wimbers innerhalb der Quäker-gemeinde einen Hauskreis, dem bald 125 Personen angehörten. 1977 verließ Wimber mit etwa 150 Leuten die Quäker und gründete eine Gemeinde, die sich heute "Vineyard Christian Fellowship" nennt, deren Pastor er wurde und zu der heute über 235 Gemeinden mit etwa 80.000 Mitgliedern gehören.

In den folgenden Monaten hatten die Wimbers den Eindruck, daß ihnen die Kraft Gottes noch fehlte und so begannen sie darum zu beten.

Eines Tages, nachdem John über Geistestaufe ge­lehrt hatte, betete er auf Wunsch der Zuhörer mit ihnen unter Handauflegung:
"Von seinen Händen strömte eine unglaubliche Kraft. Wenn er Menschen berührte, fielen diese einfach um. Für John war es, als ob aus seinen Händen eine geistliche Kraft ausströmte, ähnlich wie Elektrizität. Es war das erste Mal, daß John tatsächlich fühlte, wie Kraft von ihm ausging" (3).
Wenige Tage später erlebte John, daß auf sein Ge­bet hin ein junges Mädchen geheilt wurde - ihr zu kurzes Bein begann zu zittern und zu zucken, bis es die normale Länge hatte. Als sich John nach dieser Heilung zu Hause mit seiner Frau austauschte, sagte er zu ihr, während er sich ein Glas Milch einschenkte: "Ich glaube, wenn man das Wort Got­tes lehrt, dann wird der Heilige Geist Weiter kam John nicht; nachdem er "Heiliger Geist" gesagt hatte, sackten ihm plötzlich die Beine weg und er konnte sich nur noch gerade an der Theke festhal­ten. Er schaute erstaunt und lachend zu Carol auf und sagte:
"Ich glaube, wir werden noch einiges erleben, Ca­rol" (4).

Kurze Zeit später machte Wimber weitere Erfah­rungen, die bis heute einen wesentlichen Inhalt seines Dienstes ausmachen:

Worte der Erkenntnis

Wenn Wimber vor einer Versammlung von Menschen steht, sieht er über einigen leuchtende Lichtkegel, die für ihn ein Zeichen dafür sind, daß Gott diese Personen mit seiner heilenden und erneuernden Kraft durchströmen will.

Weitergabe von Geistesgaben

"Wir hatten noch nicht erlebt, daß man das, was Gott einem selbst gibt, durch Handauflegung weit­ergeben kann"(5).
John bekam dann angeblich von Gott den Auftrag, solche, die mehr Vollmacht haben möchten, für ih­ren Dienst zu salben. Er ließ sie ihre Schuhe aus­ziehen und salbte sie nach dem Vorbild der Priester in 3. Mose 8, indem er das rechte Ohr, den rechten Daumen und die rechte große Zehe mit Öl salbte und ihnen die Hände auflegte, um die Gabe der Heilung zu übertragen.

»Power Evangelism«

Muttertag 1981 war dann die Geburtsstunde der "Power Evangelism". Die Gemeinde war auf 700 Mitglieder angewachsen und erlebte, daß auf das Gebet eines jungen Mannes hin Hunderte von jun­gen Leuten plötzlich zitterten, umfielen und in Zungen redeten. Als Carol in die Nähe dieser "Erschlagenen" kam, spürte sie die Kraft, die von ihren Körpern ausging: "...es war so etwas wie Hitze oder Elektrizität" (6). John, der zunächst sehr unsicher war, wie er diese Geschehnisse be­urteilen sollte, verbrachte die folgende Nacht da­mit, in Büchern und in der Bibel zu lesen, um eine Erklärung zu finden. Schließlich, um fünf Uhr mor­gens, schrie er zu Gott: "Herr, wenn dies alles von dir ist, dann laß es mich bitte wissen". Unmittelbar
danach klingelte das Telefon und ein befreundeter Pastor meldete sich mit den Worten:
"Verzeih, daß ich dich schon so früh anrufe, ober ich muß dir etwas Merkwürdiges sagen. Ich weiß auch nicht, was es bedeutet, aber Gott hat mir gesagt, ich soll dir sagen: Es ist von mir, John" (7).
Diesen Anruf sah John als die Bestätigung Gottes an, und alle Zweifel wichen. Seitdem sind "Zeichen und Wunder das erste, was den Besuchern unserer Gemeinde ins Auge fällt" (8).

1983 gründete Wimber die Organisation "Vineyard Ministries International", die Veranstaltungen im In-und Ausland zum Thema Gemeidewachstum, Power Evangelism, Heilungsdienst und Vollmächtiges Gebet durchführt. In Europa fanden in den vergangenen Jahren Konferenzen in England, Schottland, Irland, Frankreich, Schweden, Schweiz und Deutschland statt.

Die »dritte Welle«

Wimber selbst sieht in dieser Bewegung - ebenso auch in ähnlichen - die "dritte Welle" .des Heiligen Geistes. Nachdem die erste Welle um die Jahrhun­dertwende zur Bildung der Pfingstgemeinden und die zweite Welle etwa 1960 zur Bildung der Charisma­tischen Bewegung führte, erreicht nach Wimbers Überzeugung die dritte Welle die bisher nichtcha­rismatischen Fundamentalisten und Evangelikalen, und für diese Aufgabe scheint Wimber ideal geeig­net zu sein.

Wimber kennt die Denk- und Argumentationsweise der Fundamentalisten, kann sich hervorragend auf sie einstellen und bezeichnet sich selbst sogar als "Dispensarionalist" (so in Idea, Schweiz, 21/88), obwohl er in seinen Büchern die Dispensationalisten als die "hartnäckigsten Vertreter der Lehre vom Aufhören der Zeichen und Wunder" bezeichnet (9).

Inzwischen arbeiten Organisationen wie "Campus für Christus" und bekannte Evangelikale wie Michael Green und John White usw. mit Wimber zusammen.

Eindrücke von Frankfurt

Am 17.11.88 um 9.30 Uhr beginnt der Kongreß in der fast gefüllten Festhalle mit einer "Anbetungs­zeit". Ein Team aus Bern sorgt für "Anbetungsmu­sik"; die üblichen Lieder wie "Du bist der Höchste ...", "Heilig, heilig, heilig ...", "Die Güte des Herrn ...", "Ich lieb dich, Herr..." usw. werden gesungen_ Viele Teilnehmer singen mit erhobenen Händen und verklärten Augen, einige wiegen sich im Takt, einzelne reden in Zungen. Trotzdem ist es für eine charismatische Veranstaltung noch eine recht "nüchterne", gemäßigte Stimmung.

Wimber selbst hält sich im Hintergrund und taucht nur kurz auf, um die Leute zu begrüßen. Lässig gekleidet, begrüßt er ungezwungen und freundlich die Anwesenden. Die Beschreibung "Teddybär" trifft tatsächlich auf ihn zu, er ist ein gemütlich-väter­licher Typ, vertrauenerweckend, in keiner Weise arrogant. Die sonst übliche Show auf charismati­schen Versammlungen fehlt, keine Extase, kein Aufpeitschen und was besonders auffällig ist: Es wird nicht um Geld gebettelt. Das kann allerdings daraus resultieren, daß die Teilnehmer pro Kopf 180.-- bis 220.-- DM an Tagungsgebühren (ohne Unterbringung und Verpflegung) zu bezahlen hat­ten.

Ab 10 Uhr folgt ein 1 1/2stündiges Referat von einem Mitarbeiter Wimbers zum Thema "Befrei­ungsdienst". Sätze wie: "Wo immer das Königreich Gottes verkündigt wird, werden Dämonen sich melden und ausgetrieben werden", zeigen den Standpunkt des Referenten, der ansonsten sachlich und in keiner Weise extrem auftritt. Viele Beispiele von Dämonenaustreibungen werden erzählt, teilweise auf eine sehr bedenklich humorvolle Art: "... nach zwei Stunden Kampf verließ der Dämon den Men­schen; vielleicht war er müde geworden, oder er konnte unseren schlechten Atem nicht ertragen". Auffallend - wie bei den meisten Därnonenaustrei­bern - der recht lockere Umgang mit dem Teufel und seinen Dämonen.

Allerdings wird auch differenziert und gelehrt, daß Christen wohl unter dem Einfluß von Dämonen ste­hen können, daß auch Dämonen in einem Gläubigen wohnen können, daß aber nicht eine Form von Be­sessenheit möglich ist wie z.B. bei dem "Gardare­ner".

Am Schluß des Vortrages werden alle Anwesenden gebeten, aufzustehen. Es breitet sich eine erwar­tungsvolle Stille im Saal aus, und der Referent lädt den "Heiligen Geist" ein, in diese Halle zu kom­men. Plötzlich wird die Stille in der riesigen Halle durch Schreien und Kreischen zerrissen. Leute fan­gen an zu zittern, eine ältere Dame in meiner Nähe beginnt wie ein Maschinengewehr zu reden und wild zu gestikulieren. Aus den Lautsprechern kommen Sätze wie: "Der Herr reinigt sein Volk" und schließlich werden alle, die eine dämonische Bela­stung fühlen, oder meinen, durch okkulte Sünden der Vorfahren belastet zu sein, aufgefordert, nach vorne zu kommen. Hunderte strömen zur Bühne, wo bald kein Platz mehr ist. Die vielen Helfer beginnen mit den Leuten zu reden und zu beten, überall sind Schreie zu hören, viele weinen, immer mehr Leute beginnen zu husten und zu würgen ("manche wer­den merken, daß die Dämonen den Hals hoch aus dem Mund herausfahren"). Die ältere Frau, die neben mir immer noch wie ein Maschinengewehr redet, hat eine Traube Helfer um sich gesammelt, doch jeder Versuch sie zu beruhigen scheitert, zumindest während meiner Anwesenheit.

Nach etwa einer Stunde hat sich alles beruhigt; es ist Mittagspause und ich habe Zeit mich zu wun­dem, wie viele Mitarbeiter sich offensichtlich dä­monisch belastet oder gebunden fühlen.

Am Nachmittag findet dieses Thema in einem kleineren Saal mit etwa 2000 Leuten seine Fort­setzung. Wieder ein relativ sachlicher, ruhiger Vor­trag und anschließend, nachdem der "Heilige Geist" eingeladen wird: "Komm jetzt, Heiliger Geist", kommt Bewegung in die Menge. Hunderte fangen an zu husten ("Das sind die Dämonen, die es nicht mehr aushalten können") und suchen seelsorgerliche Hilfe. Ein junger Mann neben mir steht minutenlang unbeweglich mit erhobenen Händen und geschlosse­nen Augen, bis zwei Seelsorger kommen und ihn nach seinen Wünschen fragen. Die Antwort: "Ich möchte mit Feuer und Geist getauft werden". Daraufhin werden ihm die Hände aufgelegt und es wird - teilweise in Zungen - mit ihm gebetet.

Innere Heilung

Das anschließende Seminar über Innere Heilung fand wieder in der Festhalle statt. Auch hier referierte ein junger, symphatischer Mitarbeiter Wimbers er­staunlich ausgewogen über dieses heikle Thema. Die Zuhörer wurden aufgefordert, die Verantwortung für ihre Schuld selbst zu übernehmen und nicht bei anderen zu suchen. Es wurde keine Selbstannahme oder gar Selbstliebe gepredigt, in den Unterlagen wurde sogar vor der Selbstliebephilosophie gewarnt.

Aber auch hier schienen alle auf die Zeit nach dem Vortrag zu warten. Wieder wurde der "Heilige Geist" angerufen und eingeladen. Die bisher sach­liche Atmosphäre wurde plötzlich sehr seelisch, die Stimme des Redners sanft und süß und diejenigen, die sich angesprochen fühlten, wurden aufgefordert, die Hand zu heben, und solche, die sich von Gott aufgegeben fühlten oder sich selbst aufgegeben hätten, wurden aufgefordert, aufzustehen. Gebete wie; "Heiliger Geist, ich bitte dich, daß du dich über sie ergießest" wurden gesprochen und an­schließend strömten die Massen wieder nach vorne. Die auf ihren Sitzen blieben, wurden aufgefordert, ihre Hände auszustrecken und zu segnen.

Jetzt wurde nicht, wie nach den ersten Veranstal­tungen, geschrieen, sondern geweint und ge­schluchzt. Leute fielen sich um den Hals, aufge­staute Gefühle, Enttäuschungen und Verbitterungen konnten sich entladen. Auch hier staunte ich, wie vielen der anwesenden Mitarbeiter, trotz aller Geist­erfahrungen, zum Heulen zumute war. Interessant fand ich ein Gespräch neben mir. Eine Frau wurde nach der Seelsorge und Handauflegung gefragt, wie sie sich fühlte. "Wunderbar", sagte sie, "hoffentlich hält das Gefühl nur ein paar Tage an!"

Heilung

Die Abendveranstaltung begann mit einer großen Verheißung: "Gott hat es beschlossen, die Kirche bis in die tiefsten Fundamente zu segnen".

Die übliche "Anbetungszeit" folgte und Wimber bat anschließend diejenigen, die auf einem Auge blind waren und für die am Vorabend gebetet wurde, ihre Heilung zu bezeugen. Keiner meldete sich, es herrschte eine fast peinliche Stille. Wimber wie­derholte etwas erstaunt die Aufforderung, und end­lich meldete sich jemand am anderen Ende der Halle, worauf spontaner Applaus folgte. Doch der­jenige, der sich gemeldet hatte, gab nur bekannt: "Nicht geheilt!". Diese Begebenheit wiederholte sich; aber Wimber reagierte darauf gelassen und versuchte auch nicht die Situation irgendwie zu beschönigen.

Dann wurden die zum Zeugnis aufgefordert, die von anderen Krankheiten geheilt worden waren. Einige bezeugten Heilung von WirbelsäuIenleiden, andere hatten keine Magen-, Kopf- und sonstige Schmer­zen mehr. Jedes Zeugnis wurde mit Applaus bedacht.

Dann folgte der Vortrag von John Wimber über Krankenheilung, wobei er größtenteils die Ausfüh­rungen ablas, die jeder Teilnehmer in Händen hatte. Die Müdigkeit der meisten Zuhörer war deutlich zu erkennen, nur selten wurde der Vortrag durch App­laus unterbrochen. Man sparte wohl seine Energien für den Abschluß. Nach dem Vortrag war dann tatsächlich alle Müdigkeit vorbei. Wimber machte die Sache recht spannend: "Ich will sehen, was Gott tun will", und nach einer Pause folgten "prophetische" Worte wie: "Hier ist jemand, zu dem in den vergangenen Wochen ein prophetisches Wort geredet wurde, daß er in Frankfurt geheilt wird" usw. Das übliche Gebet um Heiligen Geist folgte und dann kam Bewegung in die Menge. Schreie waren zu hören und Hunderte strömten nach vorne, und da die Menge unüberschaubar groß ge­worden war, wurde empfohlen, sich gegenseitig die Hände aufzulegen.

"Streckt die Hände aus und ihr werdet ein Ge­schenk von Gott bekommen."
"Im Namen Jesu brechen wir jede Macht der Kankheit."
"Und jetzt empfangt!"
"Komm, Heiliger Geist, mehr, mehr Kraft!"

Ich saß in der ersten Reihe und es war mir vor lauter Menschen unmöglich, meinen Platz zu ver­lassen. Um mich herum fielen Menschen plötzlich auf den Rücken, "erschlagen vom Heiligen Geist". Teilweise redeten sie dabei in Zungen, und zum er­sten Mal erlebte ich live, was ich bisher nur in den Büchern Wimbers gelesen hatte, das sogenannte "heilige Lachen". Eine Frau mittleren Alters lag vor mir auf dem Rücken und lachte schallend, ohne Unterbrechung, mehrer Minuten lang.

Mir war nicht zum Lachen zumute und ich mußte an die Begebenheit denken, die Murray Robertson in Wimbers Buch "Die Dritte Welle" erzählte. Er hatte für sich beten lassen und erlebt, daß überall im Raum Menschen begannen, zu lachen. Auch er wurde davon angesteckt, konnte aber nicht wie die anderen nach zehn Minuten aufhören, sondern lag auf dem Boden, rollte sich hin und her und hielt sich die Seiten vor Lachen. Als er nach 45 Minuten aufhörte, kam ein Freund von ihm, legte ihm die Hände auf und sagte: "Herr, gib ihm noch mehr davon" - und er mußte noch einmal eine dreivier­tel Stunde lang lachen. Am nächsten Tag berichtete Wimber öffentlich, er sei der erste "Heilige La­cher", den er aus den Reihen der Baptisten ken­nengelernt habe (10).

Nun, hier in Frankfurt hatte das "Heilige Lachen", zumindest an diesem Abend, nicht um sich gegrif­fen, aber überall in der großen Halle waren kleine Gruppen zu sehen, die sich die Hände auflegten, in Zungen beteten und dabei kranke Körperteile be­rührten.

Zwischendurch kamen Parolen aus dem Lautspre­cher: "Wenn ihr eure Hand ausstreckt, wird noch eine Welle des Heiligen Geistes kommen."

Kurz vor 23 Uhr wurde die Veranstaltung beendet und Wimber verabschiedete sich mit den Worten: "Es hat Spaß gemacht!"

Beim Verlassen des Messegeländes erlebte ich noch eine kleine, aber bezeichnende Begebenheit. Ein äl­terer Mann, der an Krücken ging, bat den vorbei­gehenden Wimber, mit ihm zu beten. Dieser legte ihm die Hände auf und befahl der Krankheit oder den "Krankheitsmächten" zu weichen. Immer wieder hörte ich die Worte: "In the name of Jesus!" Das ging so eine Weile weiter, bis der Mann, etwas re­signierend, sagte: "Komm, es ist genug!" und dann weiter humpelte.

Ich war froh, an die frische Luft zu kommen und nach Hause fahren zu können. Aber mein tiefes Mitempfinden und Mitleid blieb bei den vielen Menschen in Frankfurt, unter denen sich viele aufrichtige Christen befanden, die sich nach einem erfüllten Leben mit Christus sehnen, aber unter einer von der Bibel abweichenden Verkündigung und Praxis in einen entsetzlichen Streß von Erfahrungs­sucht geraten sind.

Ich konnte micht nicht mehr über die vielen Kran­ken in der Charismatischen Bewegung wundern, auch nicht über die vielen angeblichen Krankenheilungen. In dieser Atmosphäre und unter einer solchen Ver­kündigung wird man - so scheint mir - krank, um anschließend wieder geheilt werden zu können.

Ich hatte inzwischen auch Kopfschmerzen bekommen (was sehr selten passiert), fuhr aber mit neuer Dankbarkeit nach Hause, daß mein geistliches Le­ben nicht abhängig sein muß von solchen kräfte- ­und nervenraubenden Veranstaltungen. Wie froh bin ich, Den zu kennen, Der vor 2000 Jahren einer re­ligiösen, erfahrungssüchtigen Menschenmenge zuge­rufen hat: "Wenn jemand dürstet, der komme zu mir und trinke. Wer an mich glaubt, gleichwie die Schrift gesagt hat, aus dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen" (Joh. 7,37-38).

Abschließend, aus meiner Sicht, eine kurze Beurtei­lung John Wimbers (eine ausführliche biblische Be­urteilung seiner Lehren und Praktiken wird noch folgen):

John Wimber bringt ein Gemisch aus biblischer und unbiblischer Lehre, verbunden mit einer daraus re­sultierenden Heilungs- und Segnungspraxis, in wel­cher alttestamentliche, neutestamentliche und geist­heilerische Elemente vereinigt sind. Diese Mischung bietet er, seriös, ansprechend und symphatisch ver­packt, einem evangelikalen Publikum an, welches -wie mir wörtlich gesagt wurde - es leid ist, immer nur Worte zu hören, sondern endlich "Power" und "Aktion" erleben will.

 

Nachtext

Quellenangaben

(1) Ss W. Kopfermann in Wimber: Vollmächtige Evangelisatior,
(2) J. Wimber: Die Dritte Welle, S. 34 S.8
(3) Ebd., S. 40
(4) Ebd., S. 40
(5) Ebd., S. 41
(6) Ebd., S. 42
(7) Ebd., S. 43
(8) J. Wimber, Vollmächtige Evangelisation, S. 16
(9) J. Wimber, Heilung in der Kraft des Heiligen Geistes,
(10) J. Wimber, Die Dritte Welle, S. 176 S. 26