Zeitschrift-Artikel: Der "Platzregen" Gottes in der Mongolei

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Titel: Der "Platzregen" Gottes in der Mongolei
Typ: Artikel
Autor: Andreas Reh
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Titel

Der "Platzregen" Gottes in der Mongolei

Vortext

Text

Durch die Eroberungszüge des bekanntesten und vielleicht grausamsten aller Mongolen, Dschinghis Khan, wurde im 13. Jahrhundert die Mongolei in das Bewusstsein Europas gerückt. Mit seiner „Goldenen Horde“ verließ er die mongolische Steppe – die zwischen dem heutigen China und Russland liegt – und errichtete in der Spanne eines Menschenlebens ein riesiges Reich, welches vom Gelben Meer bis nach Ungarn reichte, von der russischen Tundra bis nach Korea. Erst in Europa wurde die „Goldene Horde“ zum Umkehren gezwungen. Sie beherrschte aber lange Zeit Russland, dessen Zaren dem jeweiligen Khan in Tatarstan tributpflichtig waren, bis Ivan der Schreckliche auch diese Bastion der Mongolen (Tataren) erobern konnte. Nach seinem Tod zerfiel das Reich Dschinghis Khans in mehrere Teile, die eines nach dem anderen untergingen. Bald waren die Mongolen wieder in ihrer Steppenlandschaft angekommen und widmeten sich wie vorher ihrer Viehzucht. Aber bis heute sind die Mongolen nicht so sehr bekannt für Jahrhunderte friedlichen Nomadentums in ihrer Steppe, sondern die gewaltige Eruption unter Dschinghis Khan prägt unser Verständnis der Mongolen sowie deren Selbstverständnis. Die ca. 35 m hohe Dschinghis Khan–Statue in der menschenleeren mongolischen Steppe legt beredtes Zeugnis davon ab, wer bis heute das Idol dieses Volkes ist! Die Mongolen sind ein sehr genügsames Nomadenvolk, welches mit seinen riesigen Herden die Steppe durchstreift und sich fast ausschließlich von Fleisch- und Milchprodukten ernährt. Schafe, Ziegen, Rinder, Pferde und Kamele – davon leben die Mongolen. Gemüse und Obst wird kaum angebaut, da die natürlichen Gegebenheiten das nicht zulassen: Nur 0,76% der Gesamtfläche der Mongolei kann man für den Anbau von Gemüse und Obst verwenden (in Deutschland haben wir 33% landwirtschaftlich genutzte Anbaufläche), 99,24% der Mongolei sind Sandwüste, Steppe, riesige Kiesflächen und Berge. Deswegen braucht ein Mongole sehr viel Land als Weidefläche für seine Tiere, denen er ständig hinterherzieht. In der gesamten Mongolei gibt es nur zwei größere Seen, nur sehr selten trifft man auf Rinnsale. Der Wasserbedarf wird in der Mongolei hauptsächlich durch den Schneefall gedeckt. Einem Nomaden stehen pro Tag in der Regel 2-3 hohle Hände Wasser zur Körperpflege und ein paar Tassen Wasser zum Trinken zur Verfügung. Hauptsächlich trinkt man Milch von Ziegen, Kühen und Pferden. In der Mongolei kommen auf einen Quadratkilometer zwei Menschen – in Deutschland 224 Menschen! Auf jeden Mongolen kommt im Schnitt eine kleine Herde von 13 Tieren, das ist die gesamte Grundlage für seine Existenz! Deswegen muss der Mongole sehr selbstgenügsam sein, er muss unabhängig leben und sich versorgen können.

Die Stunde der Hoffnung

Seit vielen Jahrhunderten sind die Mongolen ein buddhistisches, genauer gesagt ein lamaistisches Volk. Die religiöse Sprache (Gebete, Liturgie) ist tibetisch, welches nur eine ganz einkleine religiöse Oberschicht versteht. Überlagert wird dieser Glaube von unzähligen Formen des Aberglaubens und von schamanistischen Praktiken. In den Zwanziger Jahren befreite sich die Mongolei mit sowjetischer Unterstützung von der Chinesischen Vorherrschaft und wurde ein kommunistischer Staat. Man meinte, den buddhistischen bzw. animistischen Glauben durch kommunistischen Atheismus und kommunistische Menschenverherrlichung ersetzen zu können. Aber Anfang der 90er Jahre wurde offenbar, dass der Kommunismus den Menschen genauso wenig Halt geben kann wie die Werksgerechtigkeit des Buddhismus. Und nun schlug die Stunde des Evangeliums, nachdem jahrhundertelang diesem Volk die Gute Nachricht vorenthalten worden war. Aus Südkorea, den USA und anderen Ländern kamen Missionare in das Land und durften ungehindert arbeiten. Das Ergebnis war überwältigend: Eine Erweckung, welche innerhalb von 20 Jahren über 300 Gemeinden entstehen ließ! Offiziell heißt es, dass 6% der Bevölkerung (zumindest nominell) Christen sind, das sind ca. 180.000 Menschen – in nur 20 Jahren!

Emmaus-Bibelkurse in der Mongolei
Unter den ersten Missionaren befanden sich auch Dong Hwan und Miriam Kim, ausgesandt von der Gefährdetenhilfe „Scheideweg“. Jahrelang kümmern sie sich schon in den Gefängnissen um mongolische Gefangene und um deren Eingliederung in die Gesellschaft nach ihrer Entlassung. Dazu brauchten sie Korrespondenzkurse, und so kam es, dass Dong Hwan sich darum mühte, Emmauskurse ins Mongolische übersetzen zu lassen. Inzwischen gibt es 15 Kurse auf Mongolisch, die in Gefängnissen und in Gemeinden verwandt werden. 2005 durfte ich das erste Mal die Mongolei besuchen, nachdem ich vorher nur über eMail und Telefon mit Dong Hwan bekannt geworden war. Seit 2005 versuchen wir nun, die Emmauskurse in den mongolischen Gemeinden bekannt zu machen. Wir sind überzeugt, dass sie ein einmaliges Mittel sind, die junge mongolische Christenheit ins Wort Gottes zu führen und darin zu gründen. Das gilt besonders für die Landgemeinden, die oft sehr einsam in schwer zugänglichen Gebieten leben und keinen Zugang zu christlicher Literatur haben. Die Gemeindeleiter haben nur selten die Möglichkeit gehabt, in der Bibel geschult zu werden.

Zu Besuch in den jungen Landgemeinden

Im März 2009 haben wir unsere dritte Reise zu mongolischen Landgemeinden unternommen. Dieses Mal hatten wir große Pläne: Wir wollten mit dem Geländewagen 3500 km weit durch die Mongolei reisen und dabei zehn Gemeinden besuchen und dort Emmaus-Seminare für sie und die Nachbar-Gemeinden durchführen. Diese Reise führte uns einmal mehr sehr einkleine drücklich vor Augen, mit welchen Problemen die Geschwister dort zu kämpfen haben und was auch unseren Emmausdienst dort sehr stark beeinflusst. Da ist zum Beispiel das Problem der Logistik. Die Kurse werden in der Hauptstadt Ulaanbaatar gedruckt, müssen aber zu den Instruktoren in den Landgemeinden kommen, und deren Quartalsberichte müssen wieder rechtzeitig ins Hauptbüro in die Hauptstadt zurückgelangen. Und das in einem Land, in dem es insgesamt nur ca. 2.000 km asphaltierte Straßen gibt, die übrigen 48.000 km sind gewalzte Pisten, Bachbetten oder Routen quer durch das Land ohne irgendwelche Befestigungen. Auf unserer Reise kamen wir nie über einen Durchschnitt von 40 km/h hinaus, oft ging es im Schritt-Tempo voran mit vielen Reifenwechseln. Unter diesen Bedingungen ist es äußerst schwierig, einen permanenten Kontakt mit den Instruktoren aufrecht zu halten. Das Team um Dong Hwan tut aber sein Bestes, trotz dieser schwierigen Umstände die entfernten Instruktoren und Gemeinden zu betreuen. Wir sind dem Herrn sehr dankbar, in einem Land mit solch einer jungen Christenheit unseren lieben Brüdern und Schwestern helfen zu dürfen. Der Herr tut Großes, wo Sein Wort gelesen und aufgenommen wird. Wir dürfen immer wieder erleben, wie Menschen durch das Lesen und Verstehen des Wortes Gottes mithilfe der Emmauskurse zum Glauben kommen. In der Stadt Chovd, ca. 1.500 km westlich der Hauptstadt Ulaanbaatar, trafen wir einen alten Bekannten von Dong Hwan wieder. Es handelt sich um einen früheren Häftling. Jahrelang hatte Dong Hwan dieses Gefängnis (ein Gefängnis ausschließlich für Totschläger) treu besucht und das Wort Gottes verkündigt, bis schließlich Frucht aufging, Häftlinge sich bekehrten und sich als kleine Gefängnis- Gemeinde trafen. Diese Häftlinge begannen, Emmauskurse durchzuarbeiten. Das war ihre Nahrung. Inzwischen ist dieser Häftling entlassen, er kehrte in seine Heimatstadt Chovd zurück, und dort bekehrte sich seine Frau, als sie die Veränderungen in ihrem Mann sah. Heute betreut dieser Bruder eine kleine Hausgemeinde.

Der „Jesus-Purubsarum“

Die Gemeinden in der Mongolei sind in der Regel kleine Gemeinden, die sich zum guten Teil in Jurten versammeln. Man kann fast sagen, dass die Mongolei gerade ihre „Apostelgeschichte“ erlebt: Die Gemeinden sind sehr jung, die meisten Christen sind erst seit ganz wenigen Jahren gläubig, es gibt noch keine christlichen Traditionen, sondern so, wie das Wort Gottes verstanden wird, so wird es gelebt. Für uns ist es ein großes Vorrecht, in dieser Phase einer gerade heranwachsenden Christenheit durch die Emmauskurse ein wenig daran beteiligt zu sein, wie die Weichen für eine zukünftige mongolische Christenheit gestellt werden. Die Emmausarbeit in der Mongolei ist zwar noch jung und nicht sehr groß, aber sie ist wichtig! Gemeindeleiter haben sich bedankt für die Kurse, weil sie ihnen helfen, ihre „Herde“ auf gutes „Weideland“ zu leiten. Die Emmauskurse sind für viele Christen zusammen mit der Bibel die einzige christliche Literatur. Besonders die kleinen Landgemeinden sind uns sehr ans Herz gewachsen. Auf der Reise von Chovd nach Uliastay fährt man 500 km weit durch Steinwüste, 16 Stunden braucht man für diese einsame Strecke. Auf diesen 500 km begegneten uns drei Fahrzeuge. Mittendrin in dieser Einöde liegt die Ortschaft Durgen – die einzige menschliche Ansiedlung im Umkreis von 100 km. Man könnte sich kaum jemanden vorstellen, der freiwillig dorthin ziehen würde. Aber ein junger Bruder aus Chovd zog mit seiner Frau vor drei Jahren in diese Siedlung, die dominiert wird von einem buddhistischen Kloster am Ortsrand. Der Bruder heißt Purubsarum, aber da es mehrere Purubsarums in dieser Ortschaft gibt, muss man Post an ihn mit dem Vermerk „für den Jesus-Purubsarum“ versehen, dann kommt die Post an! Dieses junge Ehepaar zog mit drei Kindern nach Durgen und schlug dort seine Jurte auf, um Gemeindegründungsarbeit zu beginnen. Wir waren sehr beeindruckt von der schlichten Hingabe dieser jungen Familie. Gott hat diese Hingabe mit Frucht gesegnet. Inzwischen versammelt sich in ihrer Jurte eine Gemeinde aus 20 Geschwistern, und wenn Kinderstunde ist, sitzen die Kinder nicht nur nebeneinander, sondern auch aufeinander, um Platz zu finden. Die Gemeinde heißt „Allmächtig“. Als wir zu Besuch waren, kamen gerade Geschwister und brachten die Utensilien ihres buddhistischen Götzendienstes, um sie zu verbrennen und damit zu dokumentieren, dass sie nun einem anderen Herrn dienen – nämlich dem Allmächtigen!

Ein Schneefall und seine Folgen

Auf der Weiterreise besuchten wir die kleine Gemeinde in Tariag, ca. 600 km östlich. Diese Gemeinde ist vier Jahre alt. Vor Jahren verteilten zwei Ausländer dort Traktate. Die Frau des jetzigen Gemeindeleiters bekam Traktate, aber noch bevor sie sie las, riet ihr der buddhistische Priester, die Traktate zu verbrennen, was sie auch tat. Aber sicher beteten die Ausländer, dass dort Frucht entstehen würde. Kurz darauf verlor die Familie dieser Frau innerhalb von drei Tagen ihren gesamten Tierbestand durch heftigen Schneefall und die Familie hatte keine Existenzgrundlage mehr. Der Mann begann zu trinken und die Familie drohte zu zerbrechen, bis eines Tages ein mongolischer Missionar an ihrem Haus stoppte, um eine Tasse Tee zu trinken. Dieser mongolische Bruder erklärte ihnen in wenigen Stunden das Evangelium, und an jenem Tag kamen diese Frau und ihr Mann zum Glauben. Das war vor vier Jahren. Heute ist die ganze Familie bis auf ein Kind gläubig und in ihrem Haus (eine Imbissstube mit Schlafkammer für die Gäste und Schlafkammer für die Familie) versammelt sich eine Gemeinde von 30 Mitgliedern. Von dieser Gemeinde wurde bereits eine Familie in eine andere Gegend der Mongolei als Missionare ausgesandt. Die Emmauskurse wurden und werden alle von einer Schwester namens „Sarra“ übersetzt. Diese Schwester leidet an MS, ihre Beine sowie ihre rechte Hand versagen bereits den Dienst und sie kann nur noch ihre linke Hand verwenden. Diese Schwester weiß, dass sie eine Körperfunktion nach der anderen verlieren wird. Die ihr verbleibende Zeit aber hat sie dem Herrn geweiht. Ihr Ziel ist es, gute christliche Literatur ins Mongolische zu übersetzen. Wir sind so dankbar für diese strahlende Schwester, die bereits 15 Kurse übersetzt hat und nun dabei ist, „Wahre Jüngerschaft“ von William McDonald zu übersetzen. Die zahlreichen jungen Gemeinden mit ihren hingegebenen Geschwistern sind Früchte der Arbeit und Liebe vieler Geschwister, die wie Dong Hwan, Miriam und ihre Kinder, Sarra und viele andere im Lande leben und dort dienen, oder die in Deutschland beten und geben und damit dieses ermutigende Werk möglich machen.

Nachtext

Quellenangaben