Zeitschrift-Artikel: Psychologie in der Gemeinde - Die heilige Kuh der Evangelikalen

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Titel: Psychologie in der Gemeinde - Die heilige Kuh der Evangelikalen
Typ: Artikel
Autor: William MacDonald
Autor (Anmerkung):

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Titel

Psychologie in der Gemeinde - Die heilige Kuh der Evangelikalen

Vortext

(Aus dem Engl. übers. von Andreas Lindner)

Text

Es ist ein Phänomen der heutigen Zeit, daß die Gemeinde sehr stark von der Psychologie infiltriert ist. Ganz im Widerspruch zu 2.Timotheus 3,16.17, genügt die Bibel jetzt nicht mehr als Grundlage für Seelsorge, sondern wir brauchen die Psychotherapie. Man verläßt sich nicht mehr auf den Heiligen Geist, der eigentlich die notwendigen Änderungen im Leben der Gläubigen bewirken sollte. Die Ältesten und Hirten sind nicht mehr zuständig für Seelsorge. Sie müssen die Ratsu­chenden an die Profis, die Therapeuten, weiterleiten. Ist es denn nicht tatsächlich so, daß Gott uns in Seinem Wort und mit dem Heiligen Geist alles gegeben hat, was zum Leben und zur Gottseligkeit notwendig ist (2.Petr. 1,3)?
Generationen von Gläubigen brachten ihre Probleme im Gebet zum Herrn. Nun werden sie zum Psychiater oder zum Psychologen gebracht. Junge Männer werden nicht mehr gedrängt: Predige das Wort. Jetzt werden sie angefeuert: Praktiziert psychologische Beratung! Professionelle Beratung ist eine "heilige Kuh" gewor­den. Dauernd wird sie verteidigt und beschützt. Was ist eigentlich daran verkehrt? Ich will neun Punkte anfüh­ren, die verkehrt sind.


EGOZENTRIK STATT CHRISTOZENTRIK

Die Aufmerksamkeit der Person wird auf sich selbst gerichtet anstatt auf Christus. Das ist ein mörderischer Makel. Es gibt keinen Sieg im Selbst. Selbsterkenntnis ist kein Heilmittel. Gute Matrosen werfen den Anker nie innerhalb des Bootes aus. Wir brauchen jemand, der größer ist als wir selbst, und dieser Jemand ist niemand anderes als Christus. Früher oder später müssen wir einsehen, daß die Beschäftigung mit dem Herrn Jesus der Weg zum Sieg im christlichen Leben ist (2.Kor. 3,18).
Der norwegische Dramaturg Ibsen berichtet von einem Besuch, den Peter Gynt in einer Irrenanstalt machte. Alle Leute schienen ganz normal zu sein. Keiner wirkte verrückt. Sie unterhielten sich ganz vernünftig über ihre Pläne. Als Peter das einem der Ärzte mitteilte, erwiderte dieser: "Sie sind verrückt. Ich gebe zu, daß sie sich ganz vernünftig unterhalten, aber es geht nur um sie selbst. Sie sind bei vollem Verstand geradezu von sich selbst besessen. Immer nur mit sich beschäftigt - morgens, mittags und nachts. Wir können das Ich hier einfach nicht loswerden. Wir schleppen es mit uns herum, sogar in unseren Träumen. Sie haben recht, mein Herr, wir reden ganz vernünftig, aber trotzdem sind wir verrückt."


MENSCHLICHES WISSEN STATT GOTTES WEISHEIT

Die moderne Psychologie gründet sich auf menschli­che und nicht auf göttliche Weisheit. Sie ersetzt Gottes vollmächtiges Wort durch menschliche Meinungen. Die Vielfalt der menschlichen Meinungen ist bemer­kenswert. Es gibt über 250 Systeme in der Psychothe­rapie und über 10.000 Techniken (auch eine für Schoß­tiere), und jede behauptet, besser zu sein als die anderen. Don Hillis sagt: "Dieser Trend beinhaltet mindestens ein gefährliches Element: menschliche Fol­gerungen nehmen beim Lösen von seelischen und geist­lichen Problemen den Platz von Gottes Wort ein. Rationale Lösungen...., die nicht auf geistlichen Prin­zipien beruhen, können zwar zu zeitweiliger Besserung führen, aber letzten Endes wirken sie enttäuschend und schädlich."


SOFA STATT KREUZ

Viele, wahrscheinlich die meisten Probleme, für die man Beratung wünscht, wurden durch Sünde verur­sacht - zerbrochene Ehen, kaputte Familien, Streit, Sorgen, Drogen, Alkohol und einige Formen von Depression. Für diese Probleme brauchen wir nicht die Couch, sondern das Kreuz. Nur der Sohn Gottes kann sagen: "Deine Sünden sind dir vergeben. Gehe hin in Frieden."


KRANKHEIT STATT SÜNDE

Moderne Beratung beschäftigt sich viel mit Schuld­verschiebung - Sünde sei Krankheit. Oder sie sei durch die Umwelt verursacht. Als Ergebnis haben wir, daß niemand mehr für sein Verhalten verantwortlich ist. John MacArthur berichtet z.B. über eine Frau, die jahrelang unter dem Zwang stand, Hurerei zu treiben: " Der Seelsorger fand heraus, daß ihr Verhalten von Wunden verursacht wurde, die sie durch einen passiven Vater und eine arrogante Mutter erhalten hatte."
Henry Sloan Coffin faßt die Situation geistreich zusammen: "Die heutige Psychologie schafft .... mora­lische Alibis. Männer und Frauen lassen sich analysie­ren und finden Befreiung, indem sie die scheußlichen Namen, welche energische Christen mit Sünden ver­bunden haben, abschaffen und neue, akzeptable Etiket­ten aufkleben, die nicht mehr an Schuld erinnern. Sie sind jetzt milieugestört oder introvertiert, anstatt unehrlich und egoistisch. Ein Vater im mittleren Alter wird seiner Frau müde und geht mit einer Frau ins Bett, die halb so alt ist wie er. Ein junger Seelsorger erklärt ihm, daß er an einem "Anfall von Readoleszens" leide, anstatt ihm ins Gesicht zu schlagen mit den Worten : Du sollst nicht Ehebrechen. "


SELBSTACHTUNG STATT SÜNDENER­KENNTNIS


Psychotherapie arbeitet dem Heiligen Geist genau entgegen. Sie betont die Wichtigkeit eines guten Bildes von sich selbst und vermittelt eine gute Portion Selbst­achtung. Der Heilige Geist versucht, Sünder von Sünde zu überführen und sie zur Umkehr zu bewegen. Er versucht, zurückgefallene Gläubige wieder herzustel­len und sie zum Bekennen zu bringen. Jede Selbstach­tung, die nicht Vergebung und unsere Stellung in Christus zur Grundlage hat, ist ein Schwindel.


GESCHÄFT STATT DIENST

Dann kommt natürlich die finanzielle Seite dazu. James M. Boice erläutert dazu: "In unseren Tagen haben wir das einzigartige Phänomen, daß Leute andere bezahlen, damit sie ihnen zuhören. Das ist alles, was hinter den ganzen psychiatrischen, psychologischen und seelsorgerlichen Berufen steckt. Seelsorge ist ein Milliardengeschäft. Aber in den allermeisten Fällen geben die Berater keinen Rat oder keine wirkliche Hilfe. Sie hören hauptsächlich zu. Sie werden bezahlt für etwas, das die Menschen früher freiwillig getan haben."
Als eine Dame sich beschwerte, daß zwanzig Jahre Beratung ihr nicht geholfen hätten, fragte sie ein Bekannter: "Hast Du Dich jemals an die Gemeinde um Hilfe gewandt?" "Nein, die Gemeinde will nur Dein Geld." "Wieviel hast Du dem Psychologen bezahlt?" " Ich habe zwanzig Jahre lang 60.-DM pro Woche bezahlt, von einem Gehalt von 2400.-."
60.- DM die Woche macht 240.- im Monat. Das ist ein Zehntel ihres Einkommens. Sie hat ihrem Psycho­logen den Zehnten gegeben, aber der Gemeinde würde sie nichts geben. Und sie gab zu, daß es ihr nicht besser ging. Eine andere Frau beklagte sich über den unglei­chen Maßstab, den ihr Psychanalytiker anlegte: "Sechs Jahre lang besuchte ich meinen Analytiker fünf mal die Woche. Ich gab viele der kleinen Extras im Leben auf - schöne Kleider, Urlaubsfahrten usw.- um mir die Be­handlung leisten zu können. Als ich krank wurde und eine Sitzung versäumte, geschah etwas Komisches. Mein Analytiker bestand darauf, daß meine Krankheit eine Art psychosomatischer Rache sei, mit der ich mich der Behandlung unbewußt widersetzte. Natürlich mußte ich immer zahlen. Aber als er wie gewöhnlich im August Urlaub machte und mich am Boden zerstört zurückließ, allein und in Panik wegen all meiner ungelösten Proble­me, erwartete er von mir, daß ich verstand, daß sein Urlaub die Analyse nicht unterbrechen würde."
Rollo May ist seit den fünfziger Jahren eine führende Stimme in diesem Berufszweig. Er trauert darüber, daß die Psychotherapie zur Geldmacherei mit Mätzchen heruntergekommen ist. "Die Psychotherapie", so sagte er, "ist zu einem Geschäft geworden, wo man Klienten hat und Geld verdient." Viele Analytiker behaupten, daß die Behandlung nur dann wirksam ist, wenn sie ein finanzielles Opfer für den 'Patienten'darstellt. Er würde die Behandlung als unwirksam betrachten, wenn sie billig wäre. Da wundert man sich nicht über den verbreiteten Witz: Ein Neurotiker ist einer, der Luft­schlösser baut, ein Psychopath ist einer, der darin wohnt, und ein Psychotherapeut ist derjenige, der die Miete dafür kassiert. Manchmal geben die Leute ein kleines Vermögen für Psychoanalyse aus, wenn sie eigentlich nur einen praktischen Arzt bräuchten. Ein Autor hatte Sehbeschwerden wann immer er lesen wollte und wurde zwei Jahre lang behandelt. Der Therapeut sagte, er habe "eine Unfähigkeit zur Konzen­tration, ein typisches Syndrom von Menschen mit unbestimmten Ängsten". Der Autor hatte Schwierigkei­ten, genug Geld zu verdienen um den Psychologen zu bezahlen, ünd so ging er zum Augenarzt. Der schlug eine Lesebrille vor, um das Syndrom zu heilen. Es half.


VERMISCHUNG STATT EINDEUTIGKEIT


Christliche Seelsorger behaupten, die besten Einsich­ten von Ungläubigen wie Freud, Rogers, Maslow und Jung mit den Lehren der Bibel kombinieren zu können. Das ist eine gottlose Kombination. 1988 sagte Jay Adams auf einem Kongreß für christliche Seelsorge: "Mit all meiner Kraft bitte ich Sie inständig, die unfruchtbare Aufgabe aufzugeben, die ich erläutert habe, nämlich den Versuch heidnische und biblische Wahrheit zu vereinigen... Bedenken Sie die vielen Millionen von Stunden, die Leben von mehr als einer Generation, die schon in diese hoffnungslose Aufgabe investiert worden sind. Warum gibt es keine erkennba­ren Ergebnisse? Ich werde Ihnen den Grund sagen. Weil es undurchführbar ist...S eelsorgedreht sichdarum, Menschen zu verändern. Und das ist Gottes Sache."


UNTERSCHÄTZUNG DES GEBETS

In großen Bereichen der christlich-psychologischen Seelsorge wird Gebet nicht als eine lebensfähige "Technik" akzeptiert. Bestenfalls wird es geduldet, schlimmstenfalls weggelassen. Wenige christliche Therapeuten verbringen bedeutsame Zeit im Gebet mit den Ratsuchenden. Sollen wir glauben, daß Gebet nur eine Randbedeutung bei der Bewältigung von Lebens­problemen hat? Lagen wir all diese Jahre falsch, als wir glaubten, daß Gott unsere Gebete beantworten wird, wenn wir die entsprechenden Bedingungen erfüllen? In vielen Gemeinden ist der Inhalt der Verkündigung Psychologie mit einem Überzug aus biblischem Voka­bular. Menschen kommen und suchen nach Brot, aber sie bekommen Steine.


VOM REGEN IN DIE TRAUFE

Offen gesagt hat die Psychologie sich nicht als sehr erfolgreich, und in vielen Fällen sogar als schädlich erwiesen. In den vergangenen Jahren haben einige mutige christliche Autoren die Warnflaggen gegen den ganzen Bereich von psychologischer Seelsorge erho­ben:

Jay Adams: Befreiende Seelsorge
Paul C. Vitz: Psychology as Religion: the Cult of Selfworship
Martin u. Deidre Bobgan: Psychotherapie oder bibli­sche Seelsorge
Martin u. Deidre Bobgan: Prophets of Psychoheresy
Dave Hunt/T.A. McMahon: Die Verführung der Christenheit
Dave Hunt: Rückkehr zum biblischen Christentum
W.K. Kilpatrick: Psychological Seduction

Gegner haben diese Bücher entweder mit einer ele­ganten Handbewegung weggewischt oder sie haben den Autoren Streitsucht oder böse Absichten vorgeworfen. Nun müssen sie sich aber der Tatsache stellen, daß Ungläubige, die Fachleute auf dem Gebiet sind, große Zweifel und Enttäuschungen anmelden, was die Psy­chotherapie betrifft. Hier sind einige:

Dr. Thomas Szasz: The Myth of Psycotherapy
Bernie Zilbergeld: The Shrinking of America
Jefferey Masson: Against Therapy: Emotional
Tyranny and the Myth of Psychokogical Healing

Dr. Szasz, ein Professor der Psychiatrie an der State University in New York, ist seit Jahren ein offener Kritiker gewesen. Er nannte Psychiatrie eine Pseudo­wissenschaft, wie Astrologie und Alchemie. Er be­zeichnete Geisteskrankheit als Mythos, als ein beque­mes Etikett, das man zum Verschleiern benutzt und so die bittere Pille der moralischen Konflikte in zwischen­menschlichen Beziehungen schmackhafter zu machen. Er behauptet, daß keine Form von annormalem Verhal­ten eine Krankheit ist, und deshalb auch nicht von einem Arzt behandelt werden kann.
Er geht sogar noch weiter. Er sagt, daß die meisten psychotherapeutischen Behandlungen für die soge­nannten Patienten schädlich sind. " Alle diese Eingriffe und Ratschläge sollten deshalb als verkehrt betrachtet werden, bis das Gegenteil bewiesen ist." Zilbergeld sagt, daß es im allgemeinen egal ist, ob der Ratsuchende sich an einen Laien oder einen Professionellen wendet.
Jeffrey Masson ist Absolvent des Psychologischen Instituts in Toronto und Mitglied der Internationalen Vereinigung für Psychoanalyse. Er arbeitete als Pro­jektleiter in den Siegmund-Freud-Archiven. Im Vor­wort von "Against Therapy" schreibt er: Dieses Buch gibt die Gründe an, warum ich überzeugt bin, daß jede Art von Psychotherapie falsch ist. Obwohl ich viele einzelne Psychiater und Therapien kritisiere, ist doch mein Hauptanliegen, zu zeigen, daß die bloße Idee der Psychotherapie verkehrt ist."
Dr. Hans Eysenck, Professor der Psychologie an der Unversität von London, fand heraus, daß zwischen 66% und 77% der neurotischen 'Patienten' mit oder ohne Psychotherapie gesund werden oder entscheiden­de Verbesserungen erfahren. Es tritt eine spontane Besserung ein.
0. Hobart Mowrer, Professor für Psychologie an der Universität von Illinois, sagte: "Während die Zeit in unserem Jahrhundert immer weiter fortschritt, haben wir nach und nach entdeckt, daß Freud's großes Postu­lat uns vom Regen in die Traufe gebracht hat - nämlich, daß an unserem ganzen Verhalten andere schuld sind und daß es nicht das Ziel des Lebens ist, sich moralisch zu benehmen, sondern sich selbst von Schuld zu befrei­en.
Die Behauptung, daß Psychotherapie eine hohe Er­folgsquote hat, beruht nicht auf Tatsachen. In der Cambridge-Sommerville Studie stellte sich heraus, daß potentielle Jugendstraftäter, die in psychologische Behandlung kamen, sich schlimmer entwickelten als die Kontrollgruppe, die nicht behandelt wurde.
Wir sollten auch festhalten, daß in der Psychothera­pie ein psychosomatischer oder Placebo - Effekt wirkt. "Eine hohe Erwartung von Besserung, angefeuert von dem Versprechen des Psychologen, daß er das Problem wirkungsvoll behandeln kann, führt zu einem Erfolgs­gefühl und begeistertem Lob, obwohl keine wirkliche Veränderung stattgefunden hat."


SCHLUSSFOLGERUNGEN


Wir schließen daraus, daß "eine große revolutionäre Bewegung, die versprach, alle neurotischen Krankhei­ten wissenschaftlich zu erklären und viele davon zu heilen" überhaupt nicht helfen konnte. Und während viele weltliche Psychologen zugeben, daß es praktisch keine dramatischen Durchbrüche oder Heilungen gibt, wenden sich evangelikale Gläubigemehr und mehr statt der Bibel der Psychotherapie zu, als einem viel verspre­chenden Wundermittel für Spannungen, Ängste und andere Probleme.
Don Hillis bemerkt dazu: "Vielleicht ist es an der Zeit, daß die Gemeinde sich selbst prüft, warum religiöse Leute sich eher an Psychologen und Psychia­ter wenden als an die Gemeinde. Vielleicht sollte sich jemand mal Gedanken darüber machen, daß junge Christen denken, sie könnten als Psychiater oder als Psychologen mehr für die Menschheit tun als solche, die als Hirten und Evangelisten arbeiten. Vielleicht wird ein neuer Blick in das Wort Gottes eine geistliche Lehre über die Psyche ergeben, die zu geistlichen Antworten auf die seelischen und geistigen Nöte im Volke Gottes führt."
Seelsorge hat ihren berechtigten Platz, aber es muß biblische Seelsorge sein. Sie darf die Bibel nicht ersetzen, und auch nicht den Heiligen Geist oder das Gebet. Sie darf auch nicht Sünde entschuldigen oder Menschen ihre Verantwortung abnehmen. 

Nachtext

Quellenangaben