Zeitschrift-Artikel: Max Lucado - Der Bestsellerautor und seine Botschaft

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Titel: Max Lucado - Der Bestsellerautor und seine Botschaft
Typ: Artikel
Autor: Thorsten Brenscheidt
Autor (Anmerkung):

online gelesen: 3735

Titel

Max Lucado - Der Bestsellerautor und seine Botschaft

Vortext

Text

Max Lucado – ein bekannter Name, ein Bestseller-Autor. Laut Reader’s Digest der beste Prediger Amerikas(1), laut Christianity Today Magazine „der Pastor Amerikas“ (2) und laut Neues Leben-Magazin Nr. 11/1998 der „wahre Meister der Wortmalerei“.
Seine Popularität und sein Einfluss werden immer größer – mittlerweile auch in Deutschland. Seine Bücher erreichten bisher eine Gesamtauflage von über 50 Millionen Exemplaren und gewannen bedeutende Preise.
Eine Mitautorin der Zeitschrift Aufatmen, Anke Pagel, bekennt, dass biblische Geschichten, die sie „schon längst zu den Akten gelegt hatte“, durch Lucado „lebensnah und ermutigend“ wurden.(3)
Dies scheint das Geheimnis seines Erfolgs und seiner überaus großen Beliebtheit zu sein.
Lucado erzählt biblische Geschichten auf seine ganz eigene Weise und unbefangen nach. Geistliche Wahrheiten werden durch Alltagsszenen illustriert und zudem so ausgedrückt, dass sie für jeden zu verstehen sind. Diese Übertragungen und dieser Stil sind es, die ihn zum Bestseller Autor machten.


Lucados Anliegen und sein Menschenbild

„Gottes Sache groß raus zu bringen“ (4), ist Lucados Anliegen. Wie ihm dies gelingt, sollen die nachfolgenden Auszüge aus seinen Büchern veranschaulichen.
Einige seiner Buchtitel machen deutlich, worum es ihm geht: „Leichter durchs Leben“, „Ganz du selbst“, „Der Himmel applaudiert“, „Gott findet, du bist wunderbar!“, „Du bist große Klasse!“ und „Du bist einmalig“. Zu letzterem heißt es in einer Rezension: „Es vermittelt, dass jeder Mensch gut ist, wie Gott ihn gemacht hat und schenkt ein positives Selbstwertgefühl.“(5) Durch Buchtitel wie „Es geht
nicht um mich“
macht Lucado jedoch ebenso deutlich, dass es ihm in erster Linie um die Ehre Gottes geht. Die Bibel ist für ihn die Grundlage des Glaubens und Jesus Christus der einzige Weg zu Gott.
Bei näherem Hinsehen erscheint jedoch einiges Befremdliche. So sei Gottes Motiv zur Errettung des Menschen nicht nur seine Liebe. Nach Lucado glaubt Gott an ihn, respektiert, achtet und ehrt ihn. (6) Zudem spekuliert Lucado, dass im Himmel der Herr Jesus folgendes sagt:
„Ich bin so stolz, dass du dich von mir gebrauchen ließest. Wegen dir sind andere heute hier.“ (7) Gebührt die Ehre dem Menschen, oder allein Gott, zumal alle guten Taten auch von ihm bewirkt sind (Eph 2,8-10)?
Nach Lucado dachte Gott bei der Schaffung des Menschen: „Doch dieser wird sein wie ich.“ (8)
Die Folge: „Der Schöpfer hatte nicht ein Geschöpf, sondern einen anderen Schöpfer geschaffen.“(9)
Und durch eine weitere Geschichte suggeriert Lucado folgerichtig Selbstannahme:
„Kein Wunder, dass der Himmel Beifall klatscht, wenn Sie aufwachen. Ein Meisterwerk ist aufgestanden. ‚Pst’, flüstern die Sterne. ‚Wie großartig dieses Kind ist.’ ‚Oh’, hauchen die Engel. ‚Was für ein Wunderwerk Gott geschaffen hat!’ Während Sie also stöhnen, ist die Ewigkeit fast
sprachlos vor Staunen. Während Sie stolpern, sind die Engel hingerissen. Was Sie im Spiegel als morgendliche Katastrophe sehen, ist in Wirklichkeit ein morgendliches Wunder. Heiligkeit im Bademantel.“
(10)
Während bei Lucado Gott begeistert und stolz auf den Menschen ist, stellt die Bibel dessen Erbärmlichkeit und Sündhaftigkeit sowie dessen Abhängigkeit von Gottes unverdienter Gnade dar (Jes 6,5-7; Offb 1,17) – und die Notwendigkeit, von Gott begeistert zu sein.


Lucados Schreibweise und sein Umgang mit der Bibel

Detailliert beschreibt Lucado, was nach Jesu Tod geschehen sein soll:
„Drei Tage lang verweste der Leichnam Jesu. Denken Sie daran, er lag nicht einfach da. Er verweste. Die Wangen sanken ein und die Haut wurde bleich.“ (11)
Die Bibel bezeugt das Gegenteil, nämlich dass er die Verwesung nicht sah (Apg 13,37; vgl. Ps16,10; Apg 2,27+31; 13,34).
Dieser neue Erzählstil Lucados geht manchmal sogar auf Kosten des biblischen Zusammenhangs
und der korrekten Reihenfolge. So haben zum Beispiel bei ihm nicht nur Adam und Eva von der verbotenen Frucht gegessen:
„Doch Eva ist hereingelegt worden, und die Frucht wurde gepflückt, und nur wenige Absätze später folgen Mann und Sohn ihrem Beispiel, und die Ehrlichkeit
aus paradiesischen Zeiten ist nur noch eine schöne, ferne Erinnerung.“
(12)
Demnach ist auch der erste Sohn Kain aus dem Paradies vertrieben worden, auch wenn dieser erst im nächsten Kapitel (1Mo 4,1a) geboren wird.


Lucados Hilfs- und Stilmittel zum Verständnis der Bibel – und ihre Gefahren

Lucado arbeitet immer wieder mit fulminanten Bildern, wenn er zum Beispiel 1. Korinther 13 als „den Mount Everest der Liebesbriefe“ bezeichnet.(11) Das Heil bzw. die Bekehrung bezeichnet er
sogar als Kur: „Und die einzige Kur hat Gott in Johannes 3, 16 beschrieben: Er liebt. Er gibt. Wir
glauben. Wir leben.
“ (12)
Irgendwie erwarten wir vielleicht einen zornigen Gott.“ (15) Aber diesen gibt es bei Lucado nicht. Wenn überhaupt, dann spricht er höchstens von einem „zärtlichen Zorn Gottes“. (16)
Der Begriff „Zärtlichkeit“ spielt bei Lucado eine große Rolle: „Von seiner Zärtlichkeit trennt dich nur ein Gebet.“ (17) Nach einer Aneinanderreihung von leidenschaftlichen Sehnsüchten Gottes findet sich sogar eine Verniedlichung der Eigenschaft des Menschen als Sünder:
Obwohl wir alle kleine Strolche und Lausebengel sind, hat er uns schon gesehen, bevor wir geboren wurden. Und er mag, was er sieht. Von Gefühlen überwältigt und von Stolz übermannt wendet sich der Schöpfer der Sterne uns, einem nach dem anderen, zu und sagt: ‚Du bist mein Kind. Ich liebe dich von ganzem Herzen.'" (18)
Diese Sicht impliziert, dass Sünde nicht so ernst genommen werden müsse und dass sie fast schon nicht der Rede wert sei. Es relativiert zudem den Wert der Erlösung durch Jesu stellvertretenden Tod am Kreuz.
Auf die Dauer wird diese einseitige Sichtweise und Verzärtlichung von Gott und seinem Wort jedoch dazu beitragen, es in seiner Gesamtheit miss zu verstehen. Der unkundige Leser ahnt nicht, dass er nur eine Seite der Medaille gezeigt bekommt, und dass vieles über das Geoffenbarte hinausgeht. Lucado erweckt den Eindruck eines bequemlichen Christentums, das weniger mit Wachen und Beten zu tun hat, sondern mit Schlafen und Kuscheln. So heißt es in seinem Buch mit „Inspirationen aus Psalm 23“:
Eine Herde von Schafen liegt im Kreis um ihren Hirten herum. Sie haben sich wohlig in das grüne Gras gekuschelt. ... Wenn wir die Augen auf den Hirten gerichtet haben, können wir beruhigt schlafen. ... Ändern Sie Ihren Blickwinkel und entspannen Sie sich.“ (19) „Kuscheln Sie sich ein, bis Sie ganz geborgen sind, umgeben und eingehüllt von den Halmen seiner Liebe.“ (20)


Lucados Darstellung des Sohnes Gottes

In einer Übertragung der Auferweckung der Tochter des Jairus (Mk 5,22-43) beschreibt Lucado Jesus wie folgt:
„Er sah wie ein ganz normaler Mensch aus, etwas zu normal. Er trug eine Cordjacke mit aufgesetzten Lederstücken an den Ellbogen. Seine Hose war nicht neu, sah aber ordentlich aus. Kein Schlips. Der erste Ansatz einer Stirnglatze war zu sehen, das braune Haar war gelockt. ... Er hatte schlanke, kräftige Hände. Jemand hatte mir erzählt, Jesus sei in Mississippi aufgewachsen,
als Sohn eines Automechanikers.
“ (21)
Dann heißt es, dass Jesus „am frühen Ostermorgen lächelnd aus seinem dunklen Loch heraustrat
und dem besiegten Lucifer die Frage stellte: ‚War das alles, was du auf Lager hattest?
‘“ (22)
Auf flapsige Art wird auch ein möglicher Gedanke von Nikodemus nach Jesu Auferstehung dargestellt:
Was meinen Sie, wie Nikodemus reagiert hat, als sich die Kunde davon, dass Jesus aus dem Grab heraus und wieder auf den Beinen sei, auf den Straßen verbreitete? Hat er gelächelt und an das nächtliche Gespräch gedacht? Wiedergeburt? Aha. Wer hätte gedacht, dass er damit bei sich
selbst anfängt?“
(23)
Dass Jesus „Ringkämpfe mit seinen Brüdern“ (24) und eine „erste Schlägerei mit dem Nachbarjungen“ (25) gehabt hätte entspringt ebenfalls ausschließlich der Phantasie Lucados.
Den späteren König David beschreibt Lucado als „pickeligen Jüngling“. (26) Und Josef wird Unfähigkeit bescheinigt:
„Josef? Ein kleiner Zimmermann aus einem Dorf mit nur einem Kamel. Gibt es für Gott denn nichts Besseres? Jemanden mit einer Ausbildung, einem etwas erlauchteren Stammbaum? Jemanden mit etwas mehr Schlag? Dieser Typ schafft es ja noch nicht einmal, sich ein Hotelzimmerzu besorgen. Glauben Sie, der hat das, was man braucht, um Vater des Herrn des
Universums zu sein?“ (27)
Aus Jesus, dem „schlaksigen Jungen“ (28) und „dürren Burschen“ 29 wird bei Lucado „der kräftige,
junge Zimmermann
“ (30) und „der Eine, der mit den Sternen Murmeln spielte“ (31).
Vielleicht war das Mädchen am anderen Ende der Straße in ihn verknallt oder umgekehrt. Womöglich hatte er knochige Knie. Eines ist jedoch sicher: Er war völlig Gott, aber auch völlig Mensch.“ (32) Dies gebraucht Lucado immer wieder als Rechtfertigung für seine Jesus- Phantasien.
Wie ergeht es dem bibeltreuen Leser bei solchen über die Bibel hinausgehenden, spekulativen
Beschreibungen? Statt sich damit zu beschäftigen, was Jesus Christus gedacht, gesagt oder getan haben könnte, ist es vielmehr die Aufgabe des Menschen, allein das über ihn Geoffenbarte zu verstehen und im Glauben und Leben anzuwenden. Fängt man, wie Lucado, einmal damit an, stellt sich die Frage, wo die Grenzen für die Ausschmückungen in den biblischen Berichten liegen.


Kann man Gott zu ernst nehmen?

Außergewöhnlich – und das unterscheidet Lucado von den meisten evangelikalen Buchautoren
– ist seine Prägung durch Bilder:
„Ich habe ein Bild von Jesus, auf dem er lacht. Es hängt an der Wand gegenüber von meinem
Schreibtisch. Es ist eine eindrucksvolle Zeichnung. Jesus wirft den Kopf nach hinten. Sein Mund ist offen. Seine Augen funkeln. Er grinst nicht nur. Er lacht nicht nur stillvergnügt in sich hinein. Er lacht aus vollem Halse. Er hat Schwierigkeiten, Atem zu schöpfen. Ich bekam es von einem Priester der Episkopalkirche geschenkt, der immer Zigarren in der Tasche hat und Bilder sammelt, auf denen Jesus lächelt. ‚Ich schenke jedem Menschen eines, wenn ich denke, dass er dazu neigt, Gott zu ernst zu nehmen’, erklärte er, als er mir das Geschenk überreichte.“
(33)
Lucado kommentiert dieses Anliegen nicht großartig, sondern schreibt nur: „Er hat den Nagel auf den Kopf getroffen.“ (34) Aber kann man Gott zu ernst nehmen? Es geht nicht um Fanatismus, zwanghaftes oder krampfhaftes Christsein. Aber wie weit sind wir von Gottes Vorstellungen und Plänen und damit auch von seinem Charakter, ja von ihm selbst entfernt, wenn wir die Gefahr sehen, ihn und sein Wort zu ernst zu nehmen? Es ist ein Angriff auf Gottes Souveränität, seine Allmacht und alle seine vollkommen guten Eigenschaften, wenn dieses vermeintliche „Gebot“ „Du sollst Gott nicht zu ernst nehmen!“ Beachtung findet.


Verschobene Maßstäbe

Wenn Sie Probleme mit der Zeichnung des lachenden Jesus in meinem Büro haben, dann haben Sie auch Probleme mit dieser Geschichte“, meint Lucado schließlich in Bezug auf die Heilung der blutflüssigen Frau.(35) In dem Gespräch mit dieser Frau sieht Lucado eine „satirische Neckerei“.(36)
Soviel zu einem christlichen Bestsellerautor, der in Zukunft möglicherweise noch viele Christen prägen wird. Mit seinem Gottesbild ist Max Lucado gewissermaßen ein Prototyp der Neo Evangelikalen und auch Repräsentant eines sinnlichen Christentums ohne die Lehre über die Verdorbenheit des Menschen und die Notwendigkeit der Buße. Gottes Zorn und Gericht werden weitgehend ausgeblendet. Die Autorität der Heiligen Schrift wird relativiert durch Hinzufügungen und Phantasien. Die Ehre Gottes verblasst vor dem Anliegen, den Menschen Selbstvertrauen und Selbstliebe zu vermitteln.
Sind wir schon in der Zeit, in der „sie die gesunde Lehre nicht ertragen, sondern sich selbst nach ihren eigenen Lüsten Lehrer beschaffen, weil sie empfindliche Ohren haben; und sie werden ihre Ohren von der Wahrheit abwenden und sich den Legenden zuwenden.
(2Tim 4, 3-4)?

Nachtext

Quellenangaben

1 (www.acu.edu/events/news/archives 2005/050415_best_preacher.html).
2 (www.christianitytoday.com/ ct/2004/march/8.58.html).
3 („Aufatmen“ Nr. 03/2005, S. 18).
4 (Ebd., S. 19).
5 Anonym. Rezension bei Amazon. <http://www.amazon.de/productreviews/ 3775142851>
6 („Liebe im Überfluss“, S. 71-72, 153, 157-158).
7 („Wenn Christus wiederkommt“, S. 85-86).
8 („Ruhe im Sturm“, S. 149).
9 (Ebd., S. 152).
10 (Ebd., S. 145).
11 („Wenn Christus wiederkommt“, S. 35+38).
12 („Werden wie Jesus“, S. 120).
13 („Liebe im Überfluss“, S. 16).
14 („3:16 für Teens“, S. 18).
15 (Ebd.).
16 („Ruhe im Sturm“, S. 104).
17 („3:16 für Teens“, S. 42).
18 („Gott findet, du bist wunderbar“, S. 91-94).
19 („Leichter durchs Leben für Mütter“, S. 50-51).
20 (Ebd., S. 56).
21 („Ein Tag, der alle veränderte“, S. 124-125).
22 („Ein Geschenk für dich“, S. 46).
23 („3:16 - Zahlen der Hoffnung“, S. 19; Hervorhebung im Original.
24 („Ruhe im Sturm“, S. 108).
25 („3:16 - Zahlen der Hoffnung“, S. 173).
26 („Ganz Du selbst!“, S. 56).
27 (Ebd., S. 172-3).
28 („Das 3:16-Versprechen“, S. 14; „3:16 - Zahlen der Hoffnung“, S. 52).
29 („3:16 für Teens“, S. 51).
30 („Er versetzt immer noch Berge“, S. 110).
31 („Ein Geschenk für dich“, S. 45).
32 („Ruhe im Sturm“, S. 24).
33 („Ruhe im Sturm“, S. 128).
34 (Ebd.).
35 (Ebd., S. 130).
36 (Ebd., S. 132).