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Autor: Stefan Grzenia
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Es gibt viele Methoden, wie wir anderen Men­schen das Evangelium weitersagen können. Denken wir nur an Büchertischarbeit, Stra­ßeneinsätze, Freizeitarbeit oder andere Formen der Evangelisation.

Ich möchte hier über eine weitere Möglichkeit berichten, wie man das Evangelium verbreiten kann.

Im letzten Sommer bekam ich die Einladung, bei einem evangelistischen Einsatz mitzumachen. Weil ich die Idee gut fand und vorher noch nicht kannte, bin ich der Einladung gefolgt und fuhr am nächsten Morgen mit.

Es handelte sich um die Möglichkeit, auf Au­tobahnrastplätzen den Reisenden während ihrer Pause Bibeln oder christliche Literatur zu überreichen. Im Sommer fahren die meisten mit dem Auto in den Urlaub, so daß zu dieser Zeit viele Rastplätze gut frequentiert sind. Aber auch in der Nachsaison, im Herbst oder Winter, bieten sich Gelegenheiten an, mög­lichst viele Menschen zu erreichen, z.B. die vielen Trabbis aus der DDR.

Ich denke, daß es viele Vorteile beim Verteilen auf Rastplätzen gibt:

1. Die Reisenden haben normalerweise Zeit und Ruhe, sie sind nicht angespannt, haben keinen Streß und sind dadurch ansprechbarer und auch eher zu einem Gespräch bereit_ Wenn ich an Büchertischarbeit denke, fällt mir die manch­mal vorhandene Hektik der Leute ein, die ge­rade von einem zum anderen Geschäft rennen, um ihre Einkäufe schnell zu erledigen. Sie haben kaum Zeit, um sich am Büchertisch ein Buch auszusuchen oder gar für ein Gespräch. Auf dem Rastplatz breiten manche zum Früh­stück oder Mittagessen ihre Decke auf der Wiese aus und lassen sich gemütlich nieder. Hier hat man Zeit für ein sich eventuell erge­bendes Gespräch. Nach meinen Erfahrungen lehnen nur sehr wenige ab, weil sie nicht ge­stört werden wollen.

2. Wenn die Leute dann an ihrem Urlaubsziel angekommen sind, haben sie genug Zeit, die Bibel aufzuschlagen und darin zu lesen, wenn auch nur aus Langeweile.

3. Die Urlauber kommen aus allen Richtungen. Man kann also Leute aus allen Gebieten Deutschlands und sogar Ausländer von nur ei­nem Punkt aus erreichen. Am effektvollsten ist es, wenn man sich die Tage heraussucht, an denen mehrere Bundesländer gleichzeitig Fe­rienbeginn haben. Dann kommt ein großer Strom aus dem Norden und verteilt sich in die verschiedensten Urlaubsländer im Süden. (Ge­nauso kann man auch die Zeit ausnutzen, die man selber im Stau steht.)

4. Es kommt praktisch nie vor, daß man die­selben Leute noch einmal anspricht, da der Rastplatz gewöhnlich nur Durchgangsstation ist.

Wir gingen wie bei einer Umfrageaktion vor, also Strichliste und Bleistift in der Hand. Die Urlauber sollten nicht gleich merken, worauf wir hinaus wollten. Vielleicht hätten sie sonst sofort abgeblockt. Wir wollten nur zwei Fragen stellen; die Ergebnisse trugen wir dann in un­sere Liste ein. Die erste Frage hieß: "Haben Sie eine Bibel in ihrem Gepäck?" Wenn diese Frage verneint wurde, fragten wir sie, ob sie eine geschenkt haben wollten. Oftmals erüb­rigte sich die zweite Frage, denn an der Reak­tion auf die erste Frage konnten wir schon erkennen, ob sie interessiert waren oder nicht.

Interessant war zu beobachten, wie sich die Gefragten in den ersten Sekunden verhielten. Durchweg konnte man sagen, daß alle nicht mit einer solchen Frage gerechnet hatten. Wann begegnet man auch dieser Art. von Fragen während einer Reise?

Die negativen Reaktionen auf die erste Frage konnten wir leicht in mehrere Gruppen eintei­len. Bei ca. 20% war es ganz offensichtlich, daß sie die Bibel als lächerliches Märchenbuch abqualifizierten. Sehr viele zeigten keine be­sonderen Reaktionen, so, als hätte man eine "normale" Frage gestellt. Sie ließen sich ihr Erstaunen nicht anmerken. Einige wiederholten vor lauter Verwunderung die Frage, um den Irrtum auszuschließen, daß sie sich verhört hätten, oder sie wollten die Frage wiederholt haben. Der geringste Teil wurde cholerisch und aggressiv (meistens sowieso die Leute, die sich immer leicht aufregen).

Es war bemerkenswert, welche Antworten ge­geben wurden. Die meisten sagten, sie hätten keinen Bedarf. Man merkte sofort, daß sie ab­solut nicht mit der Bibel konfrontiert werden wollten. Andere ließen durchblicken, daß sie im Urlaub etwas Besseres zu tun hätten, "als sich mit Religiösem zu beschäftigen". Daß sie so­wieso nicht darin lesen würden, sagten die we­nigsten. Sehr viele antworteten, daß sie zu Hause zwei oder drei Bibeln im Regal stehen hätten und sich nicht noch eine weitere an­schaffen wollten.

So ziemlich am Anfang fragten wir ein älteres Ehepaar, welches gerade den Rastplatz erreicht hatte und sich ein stilles Plätzchen suchte. Offensichtlich fühlten sie sich durch uns ge­stört, denn sie wollten erst gar nicht gefragt werden. Auf die vorsichtige Nachfrage, ob wir sie denn später fragen dürften, wurden sie zornig und sagten, sie wollten endlich in Ruhe gelassen werden. Anscheinend hatten sie vorher ziemlich viel Streß gehabt. Zum Glück hatten wir nur noch einmal solch einem Wutausbruch standzuhalten. Dabei fuhr uns ein jüngerer Mo­torradfahrer an, der zuerst scheinbar ruhig zu­hörte, aber keine Antwort gab, dann aber recht deutlich zu verstehen gab, daß wir gehen soll­ten.

Bis heute denke ich noch an eine Frau, die felsenfest behauptete, sie hätte den richtigen Weg alleine zu Gott gefunden. Sie brauchte nicht unsere Hilfe, fand es aber gut, daß wir auf Jesus hinwiesen. Sie war so sehr von sich überzeugt, daß ich es bis heute nicht vergessen habe. Wir haben etwa 15 Minuten mit ihr ge­redet, d.h. sie mit uns, dann haben wir das Gespräch abgebrochen, weil es keinen Sinn mehr hatte. Sie nahm dann aber doch ein Neues Testament.

Am Ende des Rastplatzes hielt später ein Bus, aus dem eine Anzahl Männer ausstiegen. Wie ich später feststellen konnte, waren es Ar­beitskollegen, die zusammen in Urlaub fuhren. Sehr wahrscheinlich kamen sie aus dem Ruhr­gebiet. Sie hatten rauhen Umgang untereinan­der, so wie es unter "Malochern" üblich ist. In derselben Weise redeten sie auch mit uns.

Zwischendurch begegneten wir zwei Jugend­gruppen, die auf dem Weg zu einer Freizeit waren. Als wir sie fragten, ob sie Bibeln dabei hätten, gaben sie freudig zu Protokoll: "Meh­rere". Später hatten wir ein gutes Gespräch mit einem Schwaben, der uns auch ein Te­stament abnahm.
Dreimal waren die Leute erstaunt, daß wir die Testamente verschenkten. Eine Frau war sehr mißtrauisch. Sie dachte, wir wollten für irgend­etwas werben und dabei ihre Autonummer oder ihren Namen aufschreiben. Nachdem wir alles verneinten, hat sie total verwundert ein Neues Testament angenommen.

So unterschiedlich die Reaktionen auch waren, wir konnten viele Leute erreichen. Ich finde es wichtig, daß wir Phantasie entwickeln, um un­seren Mitmenschen Gottes Wort wichtig zu machen und sie zum Lesen zu ermuntern.
Gott hat uns die Verheißung gegeben, daß Sein Wort nicht leer zurückkommt. Unsere Aufgabe besteht darin, das Wort zu verbreiten.



Nachtext

Jean Gibbson erzählt:

"Ich traf zwei Brüder aus den spanischen Versammlungen, die jetzt in der Türkei missionierten. Ich sagte: 'Es überrascht mich, euch hier in der Türkei zu sehen, die ihr aus Spanien kommt. Wir schicken aus Amerika Arbeiter nach Spanien. Fünf unserer Bibelschul-Absolventen arbeiten dort in Gemeindegründung. Warum seid ihr in der Türkei?' Sie gaben mir eine interessante Antwort. Sie sagten: 'Es gibt 40 Millionen Spanier. Aber wir haben 30.000 Gläubige. In der Türkei gibt es 50 Millionen Leute und nur 300 Gläubige. Die Not ist größer in der Türkei als in unserem eigenen Land.'

Da begann ich das zu verstehen. Diese Menschen denken global. Sie denken an das Werk Gottes weltweit. Und Gott gebraucht solche Menschen."

Quellenangaben