Zeitschrift-Artikel: Hiskia

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Titel: Hiskia
Typ: Artikel
Autor: Wolfgang Bühne
Autor (Anmerkung):

online gelesen: 2073

Titel

Hiskia

Vortext

Text

Große Freude in Jerusalem!

Seit den Tagen Salomos – das heißt, seit 215 Jahren – war nicht mehr eine derartige Fülle von Freude im Volk Gottes wahrgenommen und dokumentiert worden. Vier Mal wird wir in diesen wenigen Versen von „Freude“ berichtet:

-> „Und die Kinder Israel … feierten das Fest der ungesäuerten Brote sieben Tage lang mit großer Freude“ (V. 21)
-> „Und die ganze Versammlung beschloss, noch sieben weitere Tage zu feiern; und sie feierten die sieben Tage mit Freuden.“ (V. 23)
-> „Und so freute sich die ganze Versammlung von Juda, und die Priester und die Leviten …“(V.25)
-> „Und es war große Freude in Jerusalem; denn seit den Tagen Salomos, des Sohnes Davids, des Königs von Israel, war so etwas in Jerusalem nicht gewesen.“ (V. 26)

Echte, tiefe und bleibende Freude ist das, wonach sich jeder Mensch sehnt! In den Wochen vor Weihnachten wird viel davon geredet und gesungen. Und doch weiß jeder aus Erfahrung, dass die Sehnsucht nach echter Herzensfreude durch stimmungsvolle Lichter, Geschenke und gefühlvolle Musik nicht gestillt werden kann.
Die große Anzahl von Depressionen und Selbstmordversuchen, die in und nach den Feiertagen
deutlich ansteigen, sind eindeutiger Beweis dafür.
Eine echte und ansteckende Freude, die unabhängig von äußeren Umständen ist, sollte eigentlich auch das Kennzeichen eines jeden Christen sein. Wir werden dazu in der Bibel immer wieder aufgefordert und wir haben auch allen Grund dazu.
Tatsache ist allerdings, dass man heutzutage Christen mit einer ungeheuchelten und überströmenden Freude mit der Lupe suchen muss. Unsere Ausstrahlung ist meist alles andere
als eine Werbung für das Christentum und eignet sich eher für eine Bewerbung bei einem Bestattungs-Unternehmen.
Der Philosoph und Spötter Friedrich Nietzsche hat das sehr genau beobachtet:
„Eure Gesichter sind immer eurem Glauben schändlicher gewesen als unsere Gründe!
Wenn jene frohe Botschaft eurer Bibel euch ins Gesicht geschrieben wäre, ihr brauchtet euren Glauben an die Autorität nicht so halsstarrig zu fordern … eine neue Bibel sollte durch euch
fortwährend entstehen!“

Auch damals – zur Zeit Hiskias – war Freude selten zu finden. Generationen von Israeliten hatten gelebt, ohne eine solche Freude am Herrn gekannt zu haben. Aber nun explodierte Jerusalem fast vor jubelnder Freude. Woran lag das und was können wir daraus lernen?


1. Freude und Götzendienst vertragen sich nicht!

In Vers 13 wird berichtet, dass sich eine „sehr große Volksmenge“ in Richtung Jerusalem bewegte, um dort das Passah-Fest zu feiern. Der Zusammenhang scheint anzudeuten, dass es
sich hier um Leute aus dem Nordreich handelt, die sich auf den Weg nach Jerusalem machten, und solche, die aus den Städten Judas in Richtung Jerusalem aufbrachen.
In Jerusalem angekommen sahen sie die Götzenaltäre aus alten Zeiten und ‚entsorgten‘ sie im Bach Kidron.
Waren die Bewohner von Jerusalem „betriebsblind“, dass sie die heidnischen Überreste in der eigenen Stadt nicht wahrnahmen?
Oder hatte Hiskia bei seinen Aufräumarbeiten in Jerusalem (2Kö 18,3) einiges übersehen?
Diese Fragen bleiben offen, weil die historische Reihenfolge der Reformation unter Hiskia nicht eindeutig zu erkennen ist.
Wir müssen uns aber an dieser Stelle fragen, warum wir oft Heidentum und Verweltlichung in der etwas entfernten Nachbarschaft sehr schnell und wie mit einem Vergrößerungsglas erkennen und verurteilen, aber bei uns zu Hause oftmals blind für Fehlentwicklungen in den eigenen Reihen sind. Eine „Betriebsprüfung“ von außen würde mancher unserer Gemeinden gut tun.
Götzendienst, ganz gleich welcher Art, verträgt sich nicht mit Gottesdienst. Das wurde den Besuchern aus dem Nordreich damals klar und offensichtlich wurden sie von den Bewohnern Jerusalems bei der „Entsorgung“ nicht gestört, sondern unterstützt. Das erlebt man selten!

2. Demut – die Voraussetzung für Segen und Freude

Interessant, dass der Eifer der Besucher Jerusalems den anwesenden Priestern und Leviten die Schamröte ins Gesicht trieb (Vers 15)! Diejenigen, die auf Grund ihrer Bibelkenntnis und Position eigentlich mit gutem Beispiel hätten vorangehen sollen, fühlen sich durch die Treue der Pilger nicht in ihrer Würde verletzt, sondern reagieren mit Demütigung und Kurskorrektur („Reinigung“).
Das zeigt wahre geistliche Größe!


3. Ohne Aufrichtigkeit keine Freude!

Eine äußerst positive Kettenreaktion geistlicher Ereignisse wird in den folgenden Versen in Gang gesetzt: Nach der Demütigung der Priester und Leviten wird berichtet, dass ausgerechnet viele von denen, die aus dem „ungeistlichen“ Nordreich kamen und Entschiedenheit in der Ausrottung des Götzendienstes in Jerusalem zeigten, plötzlich erkannten, dass sie selbst unrein waren und daher die mitgebrachten Opfertiere nicht schlachten wollten. Ihre Sanierungsaktion hatte sie nicht blind für eigene Fehler und Sünden gemacht. Im Gegenteil, ihre Aufrichtigkeit half ihnen, sich vor
denen zu demütigen, die sich zuvor geschämt und gedemütigt hatten.
Welch beeindruckende Illustration von Jak 5,16: „Bekennt nun einander die Sünden und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet …“


4. „Wo Gnade ist, da ist auch Friede!“

Vor vielen Jahren machte ein alter Bruder darauf aufmerksam, dass alle Gemeinde-Briefe des Paulus mit dem Gruß beginnen: „Gnade euch und Friede von Gott“ (vgl. Röm 1,7; 1Kor 1,3; 2Kor 1,2; Gal 1,2 usw.). Sein kurzer Kommentar dazu hat sich bei mir unvergesslich
eingeprägt: „Wo Gnade ist, da ist auch Friede!“
Ein Blick in die Kirchengeschichte und auf die gegenwärtigen Probleme in vielen Gemeinden bestätigt diese Beobachtung.
Hiskia erkannte sehr wohl die Mängel im Volk Gottes in Bezug auf Reinigung und Heiligung. Es lagen genügend Fakten auf der Hand, um ernsthafte Diskussionsrunden, „Brüderstunden“ und Sitzungen abzuhalten.
Aber Hiskia wandte sich im Gebet an die richtige Adresse und wurde von einem Wesenszug Gottes geprägt, an den wir uns in ähnlichen Situationen erinnern sollten: „Der Herr, der Gütige,
möge einem jeden vergeben, der sein Herz darauf gerichtet hat, Gott zu suchen … wenn auch nicht der Reinheit des Heiligtums entsprechend! Und der Herr erhörte Hiskia und heilte das Volk.“
(Verse 18-20)
Mit Recht fragt der bekannte Ausleger C.H. Makintosh in seinen Betrachtungen über Hiskia: „Warum ist bei uns so wenig von der gewinnenden Kraft der Gnade zu finden?“


5. Es kommt auf das „Herz“ an!

In Vers 19 betet Hiskia für diejenigen im Volk Gottes, die bei allem Mangel an schriftgemäßer Reinigung dennoch ihr „Herz darauf gerichtet haben, Gott zu suchen.“ Und in Vers 22 redet Hiskia
zum „Herzen aller Leviten, die gute Einsicht in Bezug auf den Herrn bewiesen.“
Mangel an Erkenntnis war für Hiskia ein Grund zur Fürbitte und nicht zu einem Disziplinar Verfahren. Er hatte ein Auge und ein Anliegen für solche, deren Herzen trotz vieler Fehler und
Mängel auf Gott ausgerichtet waren.
Aber Hiskia redete auch zu den Herzen der Leviten, die Gottes Reinheitsvorschriften sehr gut kannten, die aber vielleicht in Gefahr standen, zu sehr auf formale Frömmigkeit zu achten. Solchen Leuten fällt es oft schwer, sich über die Gnade Gottes im Leben der vermeintlich nicht so treuen Geschwister zu freuen.


Gottes Güte bewirkt Freigiebigkeit!

Die Kenntnis der Güte Gottes wirkte sich positiv prägend auf Hiskia aus. Er schenkte der Versammlung 1.000 Stiere und 7.000 Stück Kleinvieh. Seine Großzügigkeit wiederum färbte auf die Obersten im Volk ab: Sie spendeten ebenfalls 1.000 Stiere und sogar 10.000 Stück Kleinvieh!
Wenn Herzen auf Gott ausgerichtet sind und sich über die Güte und Barmherzigkeit des Herrn freuen können, sind keine Spendenaufrufe nötig.
Dann erlebt man: „Geben ist seliger als Nehmen!“ (Apg 20,35).


Überströmende Freude!

Sieben Tage lang feierte das Volk Gottes das Fest der ungesäuerten Brote mit „großer Freude“ (Vers 21). Doch am letzten Tag dieses Festes hatten alle nur noch einen Wunsch: „Wir wollen noch eine Woche dranhängen!“ Und so finden wir in diesem Kapitel das einzige Beispiel in der Bibel für ein 14tägiges Fest der ungesäuerten Brote!
Dieses einmalige, von überströmender Freude geprägte Fest konnte kaum schöner enden: Die Priester und Leviten segneten das Volk „und ihre Stimme wurde erhört, und ihr Gebet kam zu seiner heiligen Wohnung, in den Himmel.“ (V. 27)


Und die Konsequenzen?

„Und als sie dies alles vollendet hatten, zogen alle Israeliten, die sich dort befanden, hinaus zu den Städten Judas; und sie zerschlugen die Bildsäulen und hieben die Ascherim um und rissen die Höhen und die Altäre nieder in ganz Juda und Benjamin und in Ephraim und Manasse, bis sie fertig waren.“ (2Chr 31,1)
Die erlebte Freude in der Gegenwart Gottes gab den Israeliten Motivation und Kraft, nun auch im Alltag und in gewohnter Umgebung jeden Götzendienst zu zerstören, von dem man früher nicht lassen konnte. Gerne ermuntern wir uns gegenseitig mit den Worten Nehemias: „… die Freude am Herrn ist eure Stärke.“ (Neh 8,10)
Wirkliche Freude am Herrn wird es unseren Herzen leicht machen, weltliche „Freuden“ loszulassen und unsere Hände zu stärken, auch für unsere Umgebung sichtbare Konsequenzen zu ziehen und deutlich zu machen, wer die einzige Quelle unserer Freude ist:

 

Nachtext

„Radikale Freude an Gott zerstört die Sünde und verherrlicht Christus!“
( John Piper)

Quellenangaben