Zeitschrift-Artikel: Neues aus Israel

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Titel: Neues aus Israel
Typ: Artikel
Autor: Hans-Werner Deppe
Autor (Anmerkung):

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Titel

Neues aus Israel

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Text

Jerusalem — geschichtsträchtigste und meistzitierte Stadt der Welt. Allein in der Bibel zählt eine computergestützte Wort­suche 769 Verse, in denen die Stadt des Friedens insgesamt 820mal genannt wird. Wie steht es aber mit dem Koran? Wie oft kommt die Stadt, wo Mohammed in den Himmel aufgefahren sein soll und die im Islam die drittwichtigste Wallfahrtsstätte ist, in diesem Buch vor? 50mal? 500mal?

Kein einziges Mal! Die einzige Stelle, die auf Jerusalem gedeutet wird, ist Sure 17,1, wo von einer »fernsten Moschee« die Rede ist (in manchen deutschen Übertragungen ist hier »Jerusalem« eingefügt). Dort hat Mohammed dem Koran zufolge seine Nachtreise gen Himmel erlebt. Unter den vielen Koranversen, die sich als Inschriften im Innern des Felsendoms befinden, fehlt dieser Schlüsselvers allerdings. Das hat einen guten Grund: Der Glaube, Jerusalem sei der Ort »Mohammeds Himmelfahrt«, beruht nämlich nicht auf einer traditionel­len islamischen Lehre, sondern vielmehr auf einer neueren »Erfindung«, die Jassir Arafats Onkel Haj Amin el-Husseini, ein vormaliger Großmufti von Jerusalem, ein­geführt hat. In den 20er und 30er Jahren unseres Jahrhunderts brachte er diesen Mythos in Umlauf, um die arabische Stim­mung gegen die wachsende jüdische Be­völkerung in Jerusalem anzufachen und den Standort des Felsendoms auf dem Ge­lände des einstigen jüdischen Tempels zu rechtfertigen.«(1)

Ein anderer vielsagender Vergleich: Während die Nationen um das Heilige Land stritten, wurden 321 Resolutionen der UN-Vollversammlung sowie 49 Reso­lutionen des UN-Sicherheitsrates gegen den Staat Israel erlassen. Wieviele UN-Re­solutionen richten sich nun gegen die am Nahostkonflikt beteiligten arabischen Län­der? Nicht eine einzige! Ist dieses erstaunli­che Ungleichgewicht von 370:0 vielleicht schon eine Vorerfüllung von Sacharja 12,3: »Alle Nationen der Erde werden sich ge­gen es [Jerusalem] versammeln?« Die Bibel spricht hier buchstäblich von einer »Voll­versammlung vereinter Nationen«!

1998 wird Jerusalem vollends zur »Taumelschale« und zum »Stemmstein für alle Völker« (Sach 12,2.3), denn dann muß sich laut Oslo-Friedenspakt zwischen Isra­el und PLO die Frage um die Stadt der drei Weltreligionen klären. Israels neuer Pre­mier Netanjahu legt zwar eine dreiste, selbstsichere Politik an den Tag, in dem er z.B. den unter der Aksa-Moschee verlau­fenden Tunnel in der Jerusalemer Altstadt öffnet, so daß der islamische Mufti berech­tigterweise die Tempelbau-Absichten der Juden fürchtet und sich sorgt, »daß einige Verrückte ... Sprengstoff in den Tunnel einschleusen«2 könnten. Und auch mit sei­ner in Hebron verhängten Ausgangssperre hat Netanjahu den Friedensprozeß ins Stocken gebracht und den Fahrplan des Oslo-Abkommens (bereits im März dieses Jahres sollte der größte Teil der israelischen Truppen Hebron geräumt haben) nicht eingehalten. Aber all das veranlaßt Palästinenserführer Arafat zu um so größe­rem Nachdruck in bezug auf die Klärung der Jerusalem-Frage. Dazu hat er sich —man höre und staune — sogar Rückendek­kung im Vatikan geholt.(3) Und auch der is­lamische Mufti von Jerusalem hofft, wie er sagt, »auf eine neue Friedensinitiative —vielleicht des Papstes in Rom. Wir wollen eine gemeinsame Abwehrfront gegen Israel bil­den: Moslems, gemeinsam mit Christen.«(4) Diese Vision einer katholisch-islamischen Allianz gegen den Judenstaat und gegen das Anrecht des Volkes Israel (und damit des Messias) auf Jerusalem ist keineswegs weit hergeholt, sondern politisches Tages­geschehen. Denn auch der Vatikan macht seine eigenen religiösen Interessen im Blick auf die künftigen Verhandlungen um Jerusalem geltend und pocht auf sein Recht, »selbst an den Verhandlungen be­teiligt zu werden«, wenngleich er seine einstige Forderung auf Internationalisierung der Stadt als »überholt« fallengelas­sen hat.(5)

In seinem Buch »Jerusalem — Spielball der Völker« berichtet Dave Hunt sogar von einem äußerst bemerkenswerten Brief­wechsel zwischen dem damaligen israeli­schen Außenminister Peres und dem Papst, in welchem Peres anbot, »die Souve­ränität über Jerusalems Altstadt dem Vati­kan zu übergeben«.6Das sind nur Beispiele dafür, welche Rolle die römische Kirche, die den Staat Israel bis heute nicht aner­kennt, hingegen »die Muslim, die den allei­nigen Gott anbeten«, »mit Hochachtung betrach tet«7, im Nahost-Friedensprozeß spielt und auf wessen Seite sie dabei steht.

Hunt schrieb sein Buch Mitte 1995; die deutsche Übersetzung brachte er mit ei­nem eigens für diese Ausgabe geschriebe­nen Epilog im Februar 1996 auf den neusten Stand, denn binnen weniger Mo­nate hatten sich die Ereignisse in Israel überschlagen: die Ermordung Rabins, die Wahl zum Palästinenser-Rat, die Welle von Selbstmord-Attentaten durch die Hamas, schließlich die Zustimmung des Palästi­nenser-Rates zur Streichung des zur Ver­nichtung Israels aufrufenden Passus aus der PLO-Charta. Ist jetzt, da mit Netanjahu in der Knesset8 ein gänzlich anderer Wind weht, das Buch, das die »Land-für-Frieden­Politik« Rabins aufs Korn nimmt, doch be­reits überholt? Nein, denn der derzeitige Kurs Israels ist nur eine Variation in der im­mer gleichen Melodie des Klageliedes ei­nes geplagten Volkes, das sich nach »Frie­den und Sicherheit« sehnt — und sich dabei ein ums andere Mal an den falschen Retter hängt.

»Jerusalem wird zertreten von den Na­tionen, bis die Zeiten der Nationen erfüllt sein werden« sagt der Herr Jesus in Lukas 21,24. Das dramatische Zuspitzen des Nahostkonflikts und der bevorstehende Streit um die Stadt des Friedens ist ein dringlicher Aufruf, daß die Zeit, da Gott den Nationen seine kostenlose Gnade an­bietet, sich zum Ende neigt.

 

Nachtext

Quellenangaben

(1) Dave Hunt, Jerusalem — Spielball der Völ­ker, CLV 1996, S. 10.
(2) »Der Spiegel«, Nr. 41/96, S. 176
(3) ebd., S. 174; L'Osservatore Roman° dt., 13. 9. 96, S. 2.
(4) »Der Spiegel«, Nr. 4 1/9 6, S. 177, Hervor­hebungen zugefügt
(5) Herder Korrespondenz, 9/96, S. 484
(6) Dave Hunt, a.a.O., S. 353
(7) Rahner/Vorgrimler: Kleines Konzilskompendium, Herder 1 9 9426, S. 357
(8) Das Parlament des Staates Israel