Zeitschrift-Artikel: Adam

Zeitschrift: 133 (zur Zeitschrift)
Titel: Adam
Typ: Artikel
Autor: William Kaal
Autor (Anmerkung):

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Titel

Adam

Vortext

Text

Bei seiner ersten Erwähnung erfahren wir erstaunlich wenig über Adam, den ersten Menschen.
Vieles im Leben unseres Urahnen bleibt geheimnisvoll und unsere Neugier wird kaum befriedigt. Und doch werden wir im Neuen Testament ermutigt, uns mit Adam zu beschäftigen – er wird uns dort als Parallele oder Gegensatz zu unserem Herrn Jesus vorgestellt. Dabei werden uns mindestens drei Anregungen gegeben, unter welchem Blickwinkel wir Adam studieren sollen und was wir daraus über Christus lernen können. Diese Vergleiche sollen kurz angerissen werden.


Adam und Christus – Häupter eines Menschengeschlechts

In den Briefen des Paulus wird Adam in drei Passagen explizit erwähnt und dem Herrn Jesus
gegenübergestellt. Dabei bilden Adam und Christus jeweils die Spitze einer Menschenmenge.
Sie sind so etwas wie Sippenoberhäupter, Gründerväter oder Anführer. Es gibt zwei Geschlechter – das des Adam und das des Christus.
Beide haben Nachfahren, die sogar nach ihnen benannt sind: Die zu Adam (= „Mensch“) Gehörenden nennt man Menschen, die zu Christus Gehörenden Christen!


Adam und Christus – Natürlich und Geistlich, Irdisch und Himmlisch

In 1Korinther 15 behandelt Paulus die Frage nach der Auferstehung und kommt gleich zweimal auf Adam zu sprechen. Ab Vers 34 schreibt er über unseren Auferstehungsleib:
„Es wird aber jemand sagen: Wie werden die Toten auferweckt? Und mit was für einem Leib kommen sie? […] Es gibt himmlische Leiber und irdische Leiber. Aber anders ist der Glanz der himmlischen, anders der der irdischen; […] es wird gesät in Schwachheit, es wird auferweckt in Kraft; es wird gesät ein natürlicher Leib, es wird auferweckt ein geistlicher Leib.
Wenn es einen natürlichen Leib gibt, so gibt es auch einen geistlichen. So steht auch geschrieben: ‚Der erste Mensch, Adam, wurde zu einer lebendigen Seele’, der letzte Adam zu einem lebendig machenden Geist. Aber das Geistliche ist nicht zuerst, sondern das Natürliche, danach das Geistliche. Der erste Mensch ist von der Erde, irdisch; der zweite Mensch vom Himmel. Wie der Irdische, so sind auch die Irdischen; und wie der Himmlische, so sind auch die Himmlischen. Und wie wir das Bild des Irdischen getragen haben, so werden wir auch das Bild des Himmlischen tragen.“
(1Kor 15,35-49)

Hier geht es Paulus um einen Vergleich zwischen dem Natürlichen und dem Geistlichen, zwischen Adam, einer lebendigen Seele und Christus, einem lebendig machenden Geist, zwischen dem ersten Menschen von der Erde und dem zweiten Menschen vom Himmel.
Adam war aus dem Staub des Erdbodens gemacht – er war irdisch. Jesus aber hatte einen himmlischen Ursprung, er war das lebendige Brot, das aus dem Himmel herab kam. Durch die Abstammung von Adam sind wir irdisch, durch den Glauben an Jesus haben wir Anteil am
Himmlischen.
Nachfahre Adams wird man durch die natürliche Geburt. „Nachkomme des Herrn Jesus“ wird man durch die geistliche Geburt . Adam hat uns sein Leben vererbt – jeder Mensch hat letztlich das Leben Adams in sich. Gott selbst hauchte ihm das Leben ein. Aber es ist nur irdisches Leben (Seele), und Adam hatte es nicht aus sich selbst heraus.
Jesus vererbt auch Leben – ewiges, geistliches Leben – aber er hat es in sich selbst. Er hauchte seine Jünger an und sagte: „Empfangt heiligen Geist“ (Joh 20,22). Jeder, der ihm gehört, hat dieses geistliche Leben „vererbt“ bekommen.
Adam und seine Nachkommen bekamen den Auftrag, sich zu vermehren und die Welt zu bevölkern, sich die Schöpfung untertan zu machen und über sie zu herrschen. Die Menschen
haben diesen Auftrag auf ihre Weise erfüllt – die Welt ist bis in die entlegensten Winkel von Menschen bewohnt, und tatsächlich beherrscht der Mensch zweifelsfrei die Erde wie kein anderes Geschöpf. Christus dagegen hat seinen Jüngern einen geistlichen Auftrag weitergegeben. Der Ausgangspunkt dafür ist, dass er die Erde geistlich beherrscht: Er sagt: „Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden“ (Mt 28,18) – und sendet dann seine Jünger bis an die Enden der Erde, um Menschen zu seinen Jüngern zu machen.

Adam und Christus – der Todbringer und der Lebensspender!

In einem vorhergehenden Abschnitt in diesem Kapitel benutzt Paulus einen anderen Vergleich
zwischen Adam und Christus:
„Nun aber ist Christus aus den Toten auferweckt, der Erstling der Entschlafenen; denn da ja durch einen Menschen der Tod kam, so auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten. Denn wie in Adam alle sterben, so werden auch in Christus alle lebendig gemacht werden. Jeder aber in seiner eigenen Ordnung: der Erstling, Christus; sodann die,welche Christus gehören bei seiner Ankunft.“ (1Kor 15,20-23)
Im zuvor erwähnten Text zeigte Paulus, dass Adam irdisches Leben, Jesus aber geistliches Leben bringt. An dieser Stelle setzt er einen anderen Kontrast: Adam brachte den Tod, aber Jesus bringt das Leben durch die Auferstehung aus den Toten.
Beide werden dabei als Urbilder, Vorläufer oder Prototypen gesehen, deren Eigenschaften und
Erfahrungen unausweichlich für die folgenden Menschen charakteristisch sind. Paulus benutzt das
Bild eines Erstlings, denn eine gute, vollmundige Erstlingsfrucht gibt einen Vorgeschmack auf eine gute Ernte, ebenso deutet eine schlechte Erstlingsfrucht eine drohende Missernte an.
So beginnt das frustrierende Kapitel 1Mose 5 mit dem Tod Adams („und alle Tage Adams, die er lebte, waren neunhundertdreißig Jahre, und er starb.“ 1Mo 5,5) , und der in dieser Ahnentafel immer wiederkehrende Kommentar„und er starb“ klingt wie ein Echo dieser Worte über Adam. Ähnlich zu 1Mo 5 könnten wir uns einen Stammbaum vorstellen, in dem die Aussage:
„und er wird auferweckt“ den hoffnungsvollen Refrain für alle Christen bildet.
So sicher, wie Adams Tod, ist der Tod eines jedes Menschen, denn wir haben von ihm den Leib des Todes geerbt. Von Jesus aber bekommen wir den Auferstehungsleib. Er ist der Erstling
derer, die aus den Toten auferstanden sind – seine Auferstehung garantiert unsere Auferstehung und gibt uns sozusagen einen Vorgeschmack auf das, was uns erwartet.


Adam und Christus – Ungehorsam und Gehorsam

Den letzten und vielleicht faszinierendsten Vergleich stellt uns Paulus in Römer 5 vor.
„Darum, wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod und so der Tod zu allen Menschen durchgedrungen ist, weil sie alle gesündigt haben, denn bis zum Gesetz war Sünde in der Welt; Sünde aber wird nicht zugerechnet, wenn kein Gesetz ist. Aber der Tod herrschte von Adam bis auf Mose selbst über die, welche nicht gesündigt hatten in der Gleichheit der Übertretung Adams, der ein Bild des Zukünftigen ist.
Mit der Übertretung ist es aber nicht so wie mit der Gnadengabe. Denn wenn durch des einen Übertretung die Vielen gestorben sind, so ist viel mehr die Gnade Gottes und die Gabe in der Gnade des einen Menschen Jesus Christus gegen die Vielen überströmend geworden. Und mit der Gabe ist es nicht so, wie es durch den einen kam, der sündigte. Denn das Urteil führte
von einem zur Verdammnis, die Gnadengabe aber von Vielen Übertretungen zur Gerechtigkeit.
Denn wenn durch die Übertretung des einen der Tod durch den einen geherrscht hat, so werden viel mehr die, welche die Überschwenglichkeit der Gnade und der Gabe der Gerechtigkeit empfangen, im Leben herrschen durch den einen, Jesus Christus.
Wie es nun durch eine Übertretung für alle Menschen zur Verdammnis kam, so auch durch eine Gerechtigkeit für alle Menschen zur Rechtfertigung des Lebens. Denn wie durch des einen Menschen Ungehorsam die Vielen in die Stellung von Sündern gesetzt worden sind, so werden auch durch den Gehorsam des einen die Vielen in die Stellung von Gerechten gesetzt werden.“
(Röm 5,12-19)
Paulus erklärt hier, dass die Taten beider Personen rechtmäßige Konsequenzen für ihre Nachfahren haben. Der Ungehorsam des Einen – gemeint ist Adam – hat viele in die Stellung von Sündern versetzt, während der Gehorsam des Einen – Christus – viele rechtlich in die Stellung von Gerechten versetzte. Dabei nimmt Paulus natürlich Bezug auf Adams Sündenfall, auf den einen historischen Augenblick im Garten Eden, als Adam Gottes Gebot missachtete und von der verbotenen Frucht nahm. Christus war seinem Gott während seines ganzen Lebens gehorsam,
aber gerade in den Stunden vor seinem Tod wurde dieser Gehorsam besonders deutlich, und vielleicht denkt Paulus hier gerade an den Augenblick im Garten Gethsemane, als Jesus seinen Willen dem seines Vaters unterstellte.
Diese beiden Gartenszenen sind auf jeden Fall einen Vergleich wert: Eden und Gethsemane sind die beiden einzigen namentlich erwähnten Gärten der Bibel.
Eden (=„Freude“ oder „Genuss“) war der von Gott für den Menschen zum Genuss bestimmte
Lebensraum, den der Mensch durch sein Handeln verwirkt hat. Gethsemane (=„Ölkelter“,
„Presse“) war der Ort, an dem der Sohn Gottes sich ganz bewusst in die Hände von sündigen
Menschen gab, sich „auspressen“ ließ und für seine Geschöpfe blutete.
Adam (der hier als der Verantwortungsträger auch immer mit für Eva steht) sagte in Eden:
„Nicht wie du willst, sondern wie ich will!“ – während Christus in Gethsemane sagte: „Nicht wie ich will, sondern wie du willst!“ Adam, der erste Mensch, wollte hoch hinaus, er wollte sein „wie Gott“ – denn das hatte die Schlange in Aussicht gestellt. Christus hielt nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern „…erniedrigte sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,7.8).
Adam und Eva bekamen von der Schlange eine attraktive Frucht angeboten – und sie nahmen und aßen. Christus bekam von seinem Vater einen bitteren Leidenskelch gereicht – und er nahm ihn und trank.
Adam musste als Folge seiner Sünde im Schweiße seines Angesichts den Erdboden bearbeiten. Christus nahm diesen Fluch im Garten Gethsemane auf sich, als er mit schweißerfülltem Angesicht zur Erde niederfiel.
Adam versteckte sich, als er im Garten Eden von Gott gesucht wurde. Jesus wurde im Garten Gethsemane von den Soldaten gesucht – und gab sich selbst zu erkennen.
Adam stellte sich, als er angeklagt wurde, feige hinter Eva und gab ihr die Schuld, obwohl er selbst schuldig war („Die Frau, die du mir gegeben hast …“ 1Mo 3,12). Christus stellte sich schützend vor seine Braut(gemeinde) und nahm, obwohl selbst schuldlos, alle Schuld auf sich
(„Wenn ihr mich sucht, so lasst diese gehen“ Joh 18,8).
In Eden versperrte ein gezücktes Schwert den Weg zurück in den Garten – zum Baum des Lebens, damit der Mensch nicht ewig lebe. Auch in Gethsemane wurde ein Schwert gezückt. Es wollte den Weg heraus zum Baum des Todes versperren, damit der Ewige nicht sterbe. Aber es wurde auf Anweisung des Herrn Jesus wieder zurückgesteckt. Die in Eden errichtete Trennung
wurde von göttlicher Seite beseitigt!
In dem allen liegt eine unmittelbare praktische Lektion. Denn in jedem Augenblick der Versuchung zur Sünde stellt sich uns die Frage, wie wir reagieren werden. Folgen wir Adam, dem
„Anfänger unseres Geschlechts“, und ignorieren rebellisch und stolz den Willen des Schöpfers?
Oder folgen wir dem Beispiel des Herrn Jesus, dem „Anfänger unseres Glaubens“, und beugen
im Gebet unseren Willen unter den unseres himmlischen Vaters?
Interessanterweise werden beide – Adam und Christus – in ihrer Identität heute besonders angegriffen. Adam wird nicht als der erste, von Gott geschaffene Mensch, akzeptiert – Christus nicht als der von Gott gesandte Sohn Gottes. Sowohl Adams Sündenfall und seine Konsequenzen
als auch der sühnende Tod Christi mit allen Folgen wird geleugnet.
Die Vergleiche zeigen, dass die Geschichte Adams im ersten Buch der Bibel letztlich nur im Blick auf den letzten Adam verstanden werden kann, dass aber auch das Evangelium von Jesus Christus, dem Sohn des Menschen, erst in Bezug auf den ersten Menschen umfassend verständlich wird.

Nachtext

Quellenangaben