Zeitschrift-Artikel: Hiskia

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Titel: Hiskia
Typ: Artikel
Autor: Wolfgang Bühne
Autor (Anmerkung):

online gelesen: 2503

Titel

Hiskia

Vortext

Text

Bibeltext: 2Kö 18,13-20

Vierzehn Jahre waren vergangen – also etwa die Hälfte der Regierungszeit Hiskias. Es waren Jahre gewaltiger Veränderungen und Reformen. Die Entschiedenheit des Königs hatte Kreise gezogen.
Der Götzendienst war abgeschafft und der Tempel und Jerusalem von allem Unrat gereinigt worden. Der Gottesdienst im Tempel konnte wieder gefeiert werden, die Priester und Leviten hatten sich gereinigt und schließlich wurde das Passahfest und das anschließende Fest der ungesäuerten Brote in einer Freude gefeiert, wie man es seit Jahrzehnten nicht erlebt hatte.
Dieser gewaltige geistliche Aufbruch wirkte sich – wie in jeder Erweckung – auch auf die Gebefreudigkeit des Volkes Gottes aus. Es kam so viel zusammen, dass man Vorratskammern
für den Überfluss bauen musste. Und die Priester und Leviten brauchten keine Spendenaufrufe zu organisieren, weil sie reichlich materiell unterstützt wurden. So konnten sie sich voll und ganz
auf ihre geistlichen Aufgaben im Haus Gottes konzentrieren und verwalteten die anvertrauten
Gaben mit großer Treue.
Dieser lange Abschnitt im Leben Hiskias wurde mit einem wunderbaren „Zwischenzeugnis“ Gottes bewertet, in dem bezeugt wurde, dass Hiskia in allem Werk mit „ganzem Herzen“ handelte „und es ihm gelang“. (2Chr 31,21)

Der Härtetest
Nach vierzehn Jahren der Ruhe und der Aufbauarbeit wurden das sprichwörtliche Vertrauen und die Entschiedenheit Hiskias einem Belastungstest ausgesetzt. Gott ließ zu, dass der Assyrerkönig Sanherib, dessen Vorgänger bereits vor einigen Jahren das Nordreich Israels in die Gefangenschaft geführt hatte, ein Auge auf den aufmüpfigen König Judas warf, der sich gegen ihn empört und sich nun schon jahrelang geweigert hatte, die fälligen Tributzahlungen zu entrichten (vgl. 2Kö 18,7).
Sanherib mobilisierte nun seine Heerscharen, marschierte in Juda ein, eroberte „alle festen Städte Judas“ und nahm Kurs auf Jerusalem.
Wie wird Hiskia nun reagieren, der wie bisher kein zweiter König vor ihm Gott vertraut hatte?
Wird er – wie am Anfang seines Glaubenslebens – alle Hilfe von Gott erwarten, egal wie bedrohlich die irdischen Machtverhältnisse aussehen?

Prüfungen offenbaren, was wir in der Schule Gottes gelernt haben
Der Parallel-Bericht in 2Chr 32 leitet die Belagerung der Assyrer mit den Worten ein: „Nach diesen
Dingen und dieser Treue kam Sanherib …“
Nach besonderen Segenszeiten lässt Gott manchmal Prüfungen in Form von bedrohlichen Lebensumständen zu, damit unser Vertrauen und unsere Beständigkeit getestet werden. Wir sollen unsere trügerischen Herzen kennenlernen, die in Segenszeiten nur zu schnell in Gefahr stehen, stolz zu werden und alle Siege und Fortschritte auf das eigene Konto zu buchen.
Ein ungeprüfter Glaube ist kein Glaube. Oft prüft der Herr auch gerade die Eigenschaften, die wir oder unsere Mitgeschwister für unsere besonderen Stärken halten. Er möchte uns bewusst machen, dass auch der frömmste und erfahrenste Christ zu jeder Torheit fähig ist, wenn er sich nicht durch Gottes Gnade bewahren lässt.
Mose, der „sanftmütigste Mann auf Erden“, musste das schmerzlich erfahren: Ihm „platzte der Kragen“ und er schlug im unheiligen Zorn den Felsen, anstatt nach Gottes Gebot zu ihm zu sprechen.
Männer wie Elia und Petrus können ein Lied davon singen, wie tief man fallen kann, wenn man auf sich selbst vertraut. Der Ginsterstrauch in der Wüste und das Kohlenfeuer im Hof des Hohenpriesters waren Zeugen davon.

Gefährliche Rückblende?
Man kann sich gut vorstellen, dass Hiskia als König in Jerusalem nach so vielen Jahren positiver
innenpolitischer Erfahrungen von diesem unerwarteten feindlichen Angriff völlig überrascht war. Prüfungen kommen oft von einer Seite, von der man es am wenigsten vermutet.
Hat er sich in dieser kritischen Situation mit seinen Obersten beraten? Oder hat er sich spontan zum Gebet zurückgezogen, um Gottes Weisung zu erfahren?
Sehr wahrscheinlich nicht. Vielleicht hat er sich an die Taktik seines gottlosen Vaters Ahas erinnert, der in einer ähnlichen Situation den König von Assyrien erfolgreich mit dem Gold und Silber des Tempels gnädig gestimmt hatte.
Hiskia, der sich in jungen Jahren den König David zum Vorbild genommen hatte, orientiert sich in der Mitte seines Lebens plötzlich an anderen Maßstäben. Er greift zu sehr menschlichen Mitteln, um der drohenden Gefahr zu entrinnen und biedert sich dem Sanherib auf eine fast kriecherische Weise an: „Ich habe gefehlt, kehre um von mir, was du mir auferlegen wirst, will ich tragen.“
Anstatt dem Gott Israels seinen Kleinglauben zu bekennen und Ihn um Hilfe zu bitten, kehrt er reuig und bedingungslos zu dem zurück, dessen Joch er vor Jahren entschieden und erfolgreich
abgeschüttelt hatte. Paul Humburg schreibt an dieser Stelle sehr treffend:
Hiskia sinkt in der Stunde der Not in seinem Glaubensleben auf ein tieferes Niveau, als wir es sonst bei ihm beobachten. Er wählt seine Ideale niedriger. In den Stunden des Glaubens hatte sein Herz für die Furcht keinen Raum.
Im Augenblick der Not und Bedrängnis greift er aus Angst zu diesem unwürdigen Mittel der Selbsthilfe.“
(1)
Und der Preis war hoch: Der Assyrer fordert 30 Talente Gold und 300 Talente Silber – umgerechnet etwa eine Tonne Gold (1.000 kg) und 10 Tonnen Silber (10.000 kg). Heute wie damals ein ungeheuer großer Preis, den Hiskia zu zahlen bereit war.
Unbiblische Kompromisse im geistlichen Leben fordern immer einen hohen Preis und erfüllen nicht die in sie gesteckten Erwartungen.

Der Preis unbiblischer Kompromisse
Um diese enorme Summe herbeizuschaffen blieb Hiskia nichts anderes übrig, als seinen persönlichen Besitz an Gold und Silber herzugeben und zudem noch alles Gold und Silber, das sich im Tempel befand.
Mit wenigen, aber inhaltsschweren Worten beschreibt die Bibel diese tragische Szene:
Zu jener Zeit brach Hiskia von den Türflügeln des Tempels des Herrn und den Pfosten, die Hiskia, der König von Juda, überzogen hatte, das Gold ab und gab es dem König von Assyrien.“
Wahrscheinlich hatte Hiskia jahrelang durch mühevolle Arbeit diesen Schatz und Vorrat an Gold und Silber gesammelt. Und nun war er bereit, in wenigen Stunden das abzureißen und abzugeben, was – typologisch gesehen – von der Herrlichkeit Gottes und dem Preis der Erlösung
sprach.
Welche Erinnerungen mögen Hiskia durch den Kopf gegangen sein, als er die goldenen Tür- und Pfostenüberzüge, die er selbst vor Jahren angebracht hatte, nun abriss und alles den Händen der Assyrer übergab?
Nie werde ich vergessen, wie mir eines Tages ein ehemaliger, geschätzter und begabter Mitarbeiter in der evangelistischen Jugendarbeit einige Kartons mit wertvollen Büchern, Kommentaren und Biographien, die er sich in jüngeren Jahren erspart, gekauft und mit großem
Gewinn gelesen hatte, mit sinngemäß folgenden Worten übergab: „Ich kann damit nichts mehr anfangen. Vielleicht hast Du Verwendung dafür – oder Du gibst sie einem, der sich dafür interessiert!“
Immerhin wollte er kein Geld mehr für diese „Entsorgung“ oder „Auslagerung“ haben …

„Kaufe Wahrheit und verkaufe sie nicht …“ (Spr 23,23)
Es ist überaus deprimierend, in unserer Zeit ähnliche Entwicklungen zu beobachten. Nicht wenige Brüder, die jahrelang durch ihre Treue, Hingabe und Gottesfurcht für viele Christen Orientierung
und Vorbild waren, scheinen in relativ kurzer Zeit biblische Überzeugungen, die sie jahrelang gelebt und gepredigt haben, aufzugeben.
Unterschiedliche Krisensituationen, die Gott zulässt, um uns zu prüfen, führen leider oftmals
dahin, dass man geistliche und moralische Werte wie überflüssigen Ballast über Bord wirft.
Nur in den Stürmen unseres Lebens, in Krisensituationen der Gemeinde, wo z.B. der Wind der Postmoderne uns ins Gesicht bläst und alles relativiert, zeigt sich, ob unsere bisherige Theologie
nur Kopfsache und übernommene Dogmen war, oder eine von Gott geschenkte, biblisch
gegründete Überzeugung ist, die wir mit allen Kräften verteidigen.
Anerkennungssucht, Erfolgsstreben, Harmoniebedürfnis, Machthunger und leider oft auch purer Materialismus sind die tieferen Ursachen, warum in unserer Zeit manche geistlichen Führer
jede Orientierung zu verlieren scheinen.
Biblische Grundpositionen, für die viele Reformatoren auf dem Scheiterhaufen zu sterben bereit waren, werden heute als „alte Hüte“ mit einer Leichtigkeit und Schnelligkeit als „Sperrmüll“ aussortiert, dass man nur staunen kann. Man denke z.B. nur daran, wie nicht nur in der liberalen Theologie, sondern inzwischen auch innerhalb der evangelikalen Emerging- Church-Bewegung spöttisch und herablassend über den stellvertretenden Sühnetod des Sohnes Gottes am Kreuz gesprochen und manchmal auch gelästert wird.
Einige Missionsgesellschaften, die vor Jahrzehnten als Glaubenswerk begonnen und damit positive Maßstäbe gesetzt haben, scheuen sich heute nicht, „ihre weinerlichen Bettelorgien vor
einer zynischen Welt
“(2) auszubreiten.
Man möchte mit Jeremia ausrufen: „Wie wurde verdunkelt das Gold, verändert das gute, feine Gold! Wie wurden verschüttet die Steine des Heiligtums an allen Straßenecken!“ (Kla 4,1)

Verlorenes Gold!
Das, was sein gottloser Vater Ahas mit den ausgelieferten Schätzen des Hauses Gottes erreichte, funktionierte bei Hiskia nicht. Der König von Assyrien kassierte zwar gerne das Gold und Silber, dachte aber im Traum nicht daran, seine Belagerungspläne zu ändern. Hiskia musste praktisch erfahren, wie töricht es ist, auf Menschen zu vertrauen.
Gott sorgte dafür, dass der Herold des Sanherib laut und deutlich die für Hiskia und Jerusalem
unüberhörbare und spöttische Frage stellte:
„Was ist das für ein Vertrauen, womit du vertraust … nun, auf wen vertraust du?“ (V. 19.20)
Peinlich, wenn Gott uns aus dem Mund gottloser Menschen eine solche Frage stellen lässt.
Doppelt unangenehm, weil bisher gerade Gottvertrauen das Kennzeichen Hiskias war.
Wie beschämend, wenn Christen heute der säkularen Presse Gelegenheit bieten, spöttische Berichte über Machenschaften evangelikaler „Glaubenswerke“ und Führer zu veröffentlichen.
Wie recht hatte auch Paul Humburg, als er schrieb:
Die Wege in eigener Kraft und Weisheit bringen immer Demütigungen mit sich. Wenn wir so recht unsere Weisheit zeigen wollen, kommt Torheit ans Licht. Wenn wir unserer Kraft trauen, wird unsere Ohnmacht offenbar: Demütigungen, die uns Gott gerne ersparen wollte!“(3)

Nachtext

Quellenangaben

(1) Paul Humburg: Allerlei Reichtum, 1 Aussaat, S. 279
(2) Leonhard Ravenhill: Erweckung nach dem Herzen Gottes, Schulte & Gerth, S.27
(3) Paul Humburg: Allerlei Reichtum, Aussaat, S.285