Zeitschrift-Artikel: Missionsdienst in einer "christlichen Nation"

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Titel: Missionsdienst in einer "christlichen Nation"
Typ: Artikel
Autor: Renate Kögel
Autor (Anmerkung):

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Titel

Missionsdienst in einer "christlichen Nation"

Vortext

Text

Vor 20 Jahren (im Dezember 1991) erklärte der damalige Präsident F. Chiluba den südafrikanischen Staat Sambia zu einer christlichen Nation.
Doch wie sieht es heute in Sambia aus? Nach 47 Jahren Unabhängigkeit ist es ungewöhnlich, dass ein Land, in dem über 70 Stämme mit ca. 12 Millionen Einwohnern leben, keine Schlagzeilen macht und deshalb eher unbekannt ist. Selbst die Präsidentschaftswahlen 2011, aus
denen der Oppositionsführer als Gewinner hervorging, verliefen relativ friedlich. Das war und ist ein Grund zur Dankbarkeit!
Man kann nun viele Fakten und Zahlen finden, die eigentlich wenig aussagen über das alltägliche
Leben in den verschiedenen Ecken des Landes. Da es dort immer noch den „richtigen Busch“ gibt, sind viele dieser Zahlen geschätzt bzw. hochgerechnet. Auf jeden Fall gehört dieses afrikanische Land mit zu denen, die bei Statistiken über Armut, Korruption und AIDS auf den oberen Plätzen zu finden sind. Auch bestimmt die Angst vor bösen Mächten und Zauberei den Alltag mehr als zugegeben wird und von außen sichtbar ist.

Die Vorgeschichte
Ich hatte das Vorrecht, in einem christlichen Elternhaus im pietistischen Württemberg aufzuwachsen. Dort wurde nicht unbedingt viel über den Glauben geredet – aber er wurde gelebt. Wir Kinder besuchten den Kindergottesdienst und die Kinder-, Jungschar- und Jugendstunden der
Liebenzeller Mission. Mit neun Jahren übergab ich ganz bewusst mein Leben dem Herrn Jesus, was für mich die Bereitschaft beinhaltete, in die Mission zu gehen. Mit 14 Jahren begann ich in der Kinderarbeit mitzuhelfen: Sonntagschule und Schülerbibelkreis für die Unterstufe und bald darauf Mitarbeit in der Jugend.
Nach der Schule war es zunächst Gottes Weg für mich, die Krankenpflege zu erlernen. Danach führte mein Weg in die Nähe von Hannover in eine Gemeindegründungsarbeit der Deutschen
Inland Mission. Dort durfte ich nach einem Jahr als „Missionshelferin“ noch zwei weitere Jahre in
der Kinder- und Jugendarbeit mithelfen und viel lernen, was Gemeinde angeht.
Das Ziel Außenmission verschwand jedoch nie aus meinem Blick. Durch Vorträge lernte ich Martin Vedder kennen und bekam dadurch Kontakt zu seinem Sohn Marco und seiner Frau Steffi, die damals Mulongo „entdeckten“.

Gesegnete Umwege

So wurde es nach einiger Zeit unser Gebet und Fragen, ob Gott uns als Team in der medizinischen Arbeit im Kongo haben wollte. Um mehr Erfahrung in der Krankenpflege zu bekommen hatte ich mich in Bielefeld beworben, dort aber auch wieder im Bereich der Jugendarbeit in der Gemeinde mitgewirkt – und Gott sagte ganz klar „Nein“ zu mir, während Vedders ausreisten.
Der Kontakt blieb aber bestehen und zehn Jahre später brachte Gott uns in Sambia zusammen. In der Zwischenzeit war ich nicht nur in Bielefeld sondern dann auch in Hermeskeil in der nebenberuflichen Gemeindearbeit tätig.
Gott führte uns auf seine Weise unabhängig voneinander wieder zusammen, so dass ich Ende August 2003 das erste Mal als „Lernhelferin“ für Vedders nach Sambia ausreiste. Nach insgesamt
anderthalb Jahren Lernhelferin hatte Gott die Türen soweit geöffnet, dass ich (zunächst) als Missionarin für Kinder- und Jugendarbeit ausreisen durfte. In den darauffolgenden Monaten
und Jahren lernte ich zunehmend die Sprache, hatte Einblick in verschiedene Arbeitsbereiche (sowohl von Missionaren als auch von Einheimischen) und es kristallisierten sich einige Bereiche heraus, in denen ich mitarbeiten konnte.
Das war nun vorwiegend in der Frauenarbeit in den Dörfern, etwas in der Schulung von Kindermitarbeitern – meistens in Zusammenarbeit mit Child Evangelism Fellowship (CEF = KEB in Deutschland). Zusätzlich half ich zeitweise in einer Internatsschule im Büro aus.

Offene Türen:

In der Zusammenarbeit mit einer südafrikanischen Missionarsfamilie wuchsen die Beziehungen und es zeigten sich offene Türen und viele Möglichkeiten, vor allem in der Frauenund
Kinderarbeit. Seit zehn Jahren werden die männlichen Leiter und Mitarbeiter durch Kurse und Seminare geschult und es war ihnen selbst ein Anliegen, dass auch ihre Frauen eine Möglichkeit
bekommen zu lernen. So durfte ich vor drei Jahren einen kleinen Anfang starten.
Parallel dazu wuchsen meine Beziehungen zu CEF, die ebenso übergemeindlich im Bereich der Kinderarbeit und Mitarbeiterschulung tätig ist. Bisher war ich leider viel unterwegs, was eine beständige Mitarbeit bzw. Leitung in der Kinderarbeit bis auf eine Ausnahme unmöglich gemacht hat. Bis vor ca. anderthalb Jahren hatte ich meine
„Basis“ (sozusagen den ständigen Wohnsitz) auf dem Grundstück der Familie Vedder. Mitte 2011
sind sie nun nach Deutschland zurückgekehrt, damit die Kinder die Schule beenden können.
Damit kam die Frage auf, wie mein zukünftiger Dienst in Sambia aussehen wird.
Um eine Vorstellung von den Umständen und den Aufgaben in der Frauenarbeit in Sambia zu vermitteln, möchte ich kurz die Geschichte einer alleinerziehenden Freundin und Mitarbeiterin
berichten:

Joyce und Nkumbu
Joyce gehört zu denen, für die das Christsein nicht automatisch dazugehört, nur weil Sambia
zu einer „christlichen“ Nation erklärt wurde. Schon gleich zu Beginn meines Aufenthaltes 2003 lernte ich sie als treue, fleißige und zuverlässige Mitarbeiterin kennen – in einem kleinen
Missionsteam im Norden Sambias, im „Busch“.
Das Erstaunliche war, dass sie nach landesüblichem Denken schon lange das heiratsfähige Alter erreicht hatte, aber immer noch ledig war. (Es gab wohl Bemühungen, sie zu verheiraten, aber nachdem sie den Kandidaten laut ihrer eigenen Aussage „geprüft und nicht als wirklichen
Christen befunden hatte“, lehnte sie ab.)
So hatten wir trotz der unterschiedlichen Kulturen sehr viele Gemeinsamkeiten und ähnliche Erlebnisse, was uns in besonderer Weise verband.
Sie wohnte bei ihren „geistlichen Zieh- Eltern“ und machte den Haushalt neben ihrer Arbeit als Schneiderlehrerin – ohne zu murren oder zu klagen. Joyce ist sehr zurückhaltend, achtet andere höher als sich selbst und lässt sich (zumindest für meine Begriffe) manchmal ganz schön „ausnutzen“. Ihr ganzes Vertrauen gilt dem Herrn und es ist mir immer wieder ein unerklärliches Rätsel und Wunder, wie Gott sie tatsächlich bis heute durchgetragen und versorgt hat! Und das auch besonders in Bezug auf den kleinen Nkumbu.

Ein Traum platzt …
Als der kleine Nkumbu geboren wurde, war seine Ankunft in dieser Welt von dunklen Wolken überschattet.
Sein Name bedeutet „Erbarmung“ oder „Mitleid“ – und seine Mutter hat diesen Namen ganz bewusst für ihn ausgesucht. Mit seiner Geburt lösten sich meine Träume und Ideen von einem gemeinsamen Dienst mit Joyce im Bereich der Kinder- und Frauenarbeit in den Dorfgemeinden im Norden Sambias in Luft auf. Da seine Geschichte in einer Zeit begann, als ich im Heimataufenthalt in Deutschland war (und bezeichnender Weise auch ihr geistlicher Vater, zu dem sie großes Vertrauen hat, außer Landes war) lässt es sich nicht ganz nachvollziehen, was ihr wirklich passierte.
Wahrscheinlich sah es so aus: Sie arbeitete an mehreren Stellen, weil sie an dem Zentrum, wo sie Schneider unterrichtete, nicht immer bezahlt wurde.
In einem Laden am Markt bekam sie regelmäßig ihren Anteil für ihre Mitarbeit ausbezahlt, weshalb sie für diesen Job sehr dankbar war.
Leider hat dieser Inhaber, obwohl selbst verheiratet, Joyces Gutmütigkeit und Abhängigkeit ausgenutzt, wurde zudringlich und vergewaltigte sie im Haus ihrer Tante, wo sie Schutz und Hilfe gesucht hatte. Anscheinend verließ die Tante das Haus, als Joyce kam, gefolgt von dem Ladenbesitzer – vielleicht, weil es in ihren Augen gesellschaftlich besser ist, wenigstens ein Kind zu haben, wenn man schon nicht verheiratet ist?
Bekanntlich gibt es in diesen Fällen in Schamkulturen große Probleme, weil vieles nicht offen angesprochen werden darf und selbst Gemeindeleiter (vor allem in den Dörfern) nicht wissen, wie sie mit solchen Problemen umgehen sollen. Mit Hilfe ihres geistlichen Vaters wurde jedoch inzwischen alles geklärt und geregelt.
Heute ist Nkumbu drei Jahre alt und es ist ein Wunder zu sehen, wie er wächst und gedeiht. Joyce kümmert sich nach bestem Wissen und Gewissen um ihn. Natürlich ist er auch ein kleiner Gauner und seine Mutter braucht viel Weisheit, um sich nicht an der traditionellen Erziehungsweise zu orientieren, nach der man kleinen Kindern so gut wie alles gewährt, nur damit sie nicht schreien. Gespräche mit ihr über das, was die Bibel über Kinder und Erziehung
sagt, und mein Vorbild im Umgang mit ihm sind ihr scheinbar eine echte Hilfe.
Danke, wenn ihr mit dafür betet, dass Joyce weiterhin auf Gott vertraut und erlebt, wie er sie versorgt und ihr die Kraft und Weisheit gibt, Nkumbu nach Seinen Gedanken zu erziehen.
Die Dienstmöglichkeiten für Joyce sind durch Nkumbu noch sehr eingeschränkt. Aber meine Hoffnung ist, dass wir im nächsten Jahr – so Gott will – gemeinsam eine Kinderarbeit in ihrer
Nachbarschaft beginnen können.

Nur nicht zu sesshaft werden …!
Gott hat Türen geöffnet und scheinbar Unmögliches möglich gemacht. Die südafrikanische Familie, die ich eigentlich auch seit Anfang meiner Sambia-Zeit kenne und mit der ich seit drei Jahren im Bereich der Frauenarbeit etwas zusammenarbeite, wohnt auf einer großen Farm im Norden Sambias. Diese Familie nun (Grant und Lynne Schaefer) wohnt zur Miete, da Ausländer kein Land besitzen dürfen. Das ändert sich für Schaefers in Kürze, da man nach zehn Jahren eine Dauer- Aufenthaltsgenehmigung beantragen kann. Sie wurde genehmigt und damit dürfen sie offiziell Land besitzen (was Grant schon von einem alten weißen Farmer „geerbt“ hat) und dann möchten sie bauen, wenn es die finanziellen Mittel erlauben.
Auf diesem Hintergrund kam die Idee, ob es nicht sinnvoll für mich wäre, einen Wohnwagen aus Südafrika zu besorgen und ihn zunächst bei Schaefers aufzustellen. Es würde viel Zeit, Kraft und Nerven ersparen, nicht bauen zu müssen und hätte außerdem den Vorteil, dass ein Wohnwagen
Flexibilität ermöglicht, wenn Schaefers für längere Zeit in Heimataufenthalt nach Südafrika gehen und ich in Sambia bleibe. Zelte waren im Alten Testament die ideale Behausung für solche, die hier keine „bleibende Heimat“ haben.
Vielleicht entspricht in unserer Zeit ein Wohnwagen dieser Art von Unterkunft, um nicht zu sesshaft zu werden, sondern auf den Wink Gottes aufbruchbereit zu sein und ihm zu dienen, wo immer er Türen öffnet …

Nachtext

Quellenangaben