Zeitschrift-Artikel: "Weniger ist mehr

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Titel: "Weniger ist mehr
Typ: Artikel
Autor: William MacDonald
Autor (Anmerkung):

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Titel

"Weniger ist mehr

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Text

Das Streben nach Größe wird in unserer Gesellschaft so stark betont und ist so weit verbreitet, dass man es sich beinahe nicht mehr vorstellen kann, dass kleiner vielleicht besser sein könnte. Die Welt jagt dem Erfolg nach, und der wird an Zahlen gemessen. Dieses Denken hat auch in der Gemeinde Eingang gefunden. Aber was ist tatsächlich richtig? Die Philosophie ‚je größer, desto besser‘ soll angeblich Gottes Ziel sein. Aber dieser Gedanke findet sich nicht in der Bibel, er steht sogar ihren Prinzipien entgegen:
1. Die große Menge wurde in der Flut vernichtet.
Nur acht Menschen wurden gerettet.
2. Gideons Heer wurde von 32.000 auf 300 Leute reduziert, sodass der Sieg klar dem Wirken Gottes zugeschrieben werden musste.
3. Jesus erwählte zwölf Jünger, nicht 12.000
4. Die Vorstellung Voltaires, Gott stünde auf der Seite der größeren Bataillone, ist die Weisheit der Welt, in diesem Fall die Weisheit eines Atheisten.
5. In der Schrift liegt die Betonung mehr auf Qualität als auf Quantität.
6. Durch alle Zeitalter hindurch hat Gott in charakteristischer Weise durch das Zeugnis eines Überrestes gewirkt. In den vergangenen Jahrhunderten war die Mehrzahl der christlichen Gemeinden klein, und dies ist weltweit auch heute noch so.


Große Gemeinden erschweren den Hirtendienst


Je größer die Gemeinde, desto schwieriger ist es für die Leiterschaft, alle Mitglieder in einer wirksamen und persönlichen Weise als Hirten zu betreuen. Je größer die Gemeinde, desto schwieriger ist es für die einzelnen Gläubigen, sich gegenseitig zu kennen, Freud und Leid miteinander zu teilen und die Gemeinschaft des Leibes zu genießen. Jemand hat treffend bemerkt, dass eine Gemeinde, die nur eine Ansammlung von Fremden oder bestenfalls von Bekannten ist, im tiefsten Sinne des Wortes eigentlich keine echte Gemeinde ist. Je größer die Gemeinde, desto größer ist auch die Zahl der Geschwister, die keine Möglichkeit haben, ihre Gaben auszuüben. Wenn große Mitgliederzahlen das Ziel werden, dann wächst damit auch der Druck, das Evangelium abzuschwächen und die harten Aussagen über Jüngerschaft und die hohen Anforderungen von Gottes Heiligkeit zu entschärfen. Wenn Größe das wichtigste Ziel ist, wächst die Versuchung, Gemeindezucht zu vernachlässigen. Die Tendenz nimmt zu, Dinge anders zu sehen, damit man keine Mitglieder verliert. Aber der echte Erfolg einer Gemeinde wird nicht in der Anzahl ihrer Mitglieder ausgedrückt, sondern in deren Heiligkeit! Man merkt schnell, dass große Gemeinden der Eitelkeit des Menschen schmeicheln und dass sie mehr zum Wohl der Leiter bestehen als zum Wohl der Gemeinde. Kleine Gemeinden können in Zeiten der Verfolgung und Unterdrückung leichter im Untergrund verschwinden. Gemeinsames Gebet ist meist der erste „Todesfall“ in einer großen Gemeinde. Nachdem wir all das festgestellt haben, muss ich hinzufügen, dass es nichts Positives für eine kleine Gemeinde ist, wenn die geringe Zahl der Mitglieder ein Ergebnis von vernachlässigter Evangelisation, von Gleichgültigkeit oder von anderem Versagen ist.

Neue Gemeinden statt „Mega-Gemeinden“!

Kleine Gemeinden sollten wachsende Gemeinden sein. Aber anstatt Mega-Gemeinden zu sein, sollten neue Gemeinden gegründet werden. Wenn die Gemeinde eine bestimmte Größe erreicht hat, sollten sich die Leiter darüber Gedanken machen, die Gemeinde zu teilen. Welche Argumente werden allgemein zugunsten großer Gemeinden vorgebracht? •Man kann sich bessere Gebäude leisten.

•Es gibt mehr und verschiedenartige Angebote und Aufgaben.

•Mehr Menschen bedeutet mehr Geld für das Werk des Herrn.

•Eine bessere gesellschaftliche Akzeptanz.

•Für Kinder und Jugendliche bestehen mehr Möglichkeiten, mit Gleichaltrigen zusammen zu sein.

•Eine große Gemeinde bringt auch einen größeren missionarischen Wirkungskreis.

•Die Qualität der Lehre ist besser.

Einige dieser Argumente enthalten ein gewisses Maß an Wahrheit, andere aber treffen überhaupt nicht zu. Und keines der Argumente kann aus Gottes Wort begründet werden. Ich möchte einige angesehene christliche Leiter in den Zeugenstand rufen, die sich zu diesem Thema geäußert haben:

Im Zeitalter der Show und des Hokuspokus

Der erste ist Vance Havner, ein einsichtsvoller Prediger, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Er schreibt: „Die Gemeinde ist wegen ihrer Betonung großer Zahlen von den Katakomben ins Kolosseum umgezogen. Wir führen Mammutvorstellungen und gigantische Zusammenkünfte auf. Wir stellen die gefeierten Helden aufs Podium und ahmen Caesar nach, um das Banner Christi voranzubringen. In unserem Streben nach Größe sind wir ganz verrückt geworden. In Wirklichkeit brauchen wir eine Ausdünnung, keine Verdichtung. Vor langer Zeit lernte ich, dass man heranwachsende Pflanzen ausdünnen oder auslichten muss. Wir verringern dabei die Quantität, um die Qualität zu erhöhen. Gideon hat seine Armee ausgelichtet, und ein ähnlicher Prozess würde der Armee Gottes heute auch nicht schaden. Jesus hat die Menge ausgelichtet, wie es uns in Johannes 6 berichtet wird, und ohne Zweifel war dies nicht das einzige Mal. Heute aber ist die verfolgte Minderheit zur populären Mehrheit geworden. Wir leben im Zeitalter der Shows, der Tricks, des Hokuspokus, der Freaks und der geschickten Künstler. Alles wird mit Spiegeln und doppeltem Boden gemacht. Alles wird daran gemessen, wie groß oder wie laut es ist. Alles muss über-dimensional, gigantisch, kolossal oder ‚mega‘ sein. Alle neuen Mittel sind Wundermittel – du nimmst sie und wunderst dich, was nun wohl passieren wird. In solch einer Zeit ist es schwierig, jemanden mit altmodischem Gehorsam oder mit Treue zu begeistern. Sogar die Christen muss man im Gottesdienst unterhalten. Das Licht der Wahrheit wird bestaunt, aber man lebt nicht darin, und die Menschen erblinden aufgrund eines Übermaßes an unbenutztem Licht, weil sie zwar Hörer, aber nicht Täter des Wortes sind. Zu viel Licht macht genauso blind wie zu wenig!“

Keine anonyme Masse

In seinem wertvollen Buch „Kurswechsel – das Leben beginnt“ gibt Ralph Shallis folgenden Rat: „Wähle eine Gemeinde, die der Schrift treu und voll des Heiligen Geistes ist. Also eine Gruppe, wo Jesus wirklich anwesend ist. Ihre Größe oder ihr Reichtum spielen keine Rolle. Wenn Christus dort ist, bist du reicher als alle Banken der Welt zusammen. Außerdem wirst du in einer kleinen Gemeinde ein Ziel finden, für das du leben kannst. Du wirst ein wertvolles und wichtiges Mitglied der Familie sein. Du musst hier einen echten Beitrag leisten. Wenn du dagegen in einer sehr großen Gemeinde bist, wirst du wahrscheinlich in einer anonymen Masse untergehen, was sehr schlechte Auswirkungen auf deine geistliche Gesundheit haben wird. Du wirst faul und nutzlos oder enttäuscht werden.“

Größe und geistliche Kraft widersprechen sich!

Francis Schaeffer fügt sein Zeugnis mit diesen eindringlichen Worten hinzu: „Wie es in den Augen Gottes keine unbedeutenden Leute gibt, so gibt es auch keine unbedeutenden Gemeinden. Christen in Amerika sind heute mehr als irgendwo sonst von dieser Krankheit des 20. Jahrhunderts befallen: der Jagd nach großen Zahlen. Große Zahlen zeigen den Erfolg. Wenn ich wirklich hingegeben bin, dann ist die unausweichliche Folge eine große Menge von Gottesdienstbesuchern, von Geld usw. Aber das stimmt nicht. Gott sagt nichts davon, dass Größe und geistliche Kraft zusammengehören. Im Gegenteil, er widerspricht dem sogar (besonders in den Lehren Jesu) und warnt uns, dass wir besonders darauf achten sollen, uns nicht einen Ort oder eine Aufgabe auszusuchen, die zu groß für uns ist. Wir alle neigen dazu, große Werke und große Gemeinden zu bewundern. Aber all diese Bewunderung ist fleischlich. Wenn man in solchen Begriffen denkt, ist es nichts anderes, als zurückzugehen zum alten, unbekehrten, egoistischen und auf sich selbst gerichteten Ich. Diese Einstellung, die man aus der Welt übernimmt, ist für den Christen gefährlicher als weltliche Freude oder weltliche Gewohnheiten. Es ist das Fleisch."

Gott zählt die Herzen

James S. Stewart stimmt dieser Ansicht zu. Er schreibt: „Gottes Strategie hängt nicht von großen Zahlen ab. Wir zählen die Gottesdienstbesucher, Gott nicht. Gott zählt die Herzen. Wir reden darüber, das Reich Gottes auszubreiten und mehr Jünger zu machen. Gott zielt darauf, das Reich Gottes zu vertiefen und bessere Jünger zu machen. Wir reden über verschiedene Arten von Gemeinden, aber Gott will vor allem eine Gemeinde mit Tiefe sehen. John Wesley rief aus: ‚Gebt mir nicht die großen kirchlichen Bataillone. Gebt mir hundert Männer, die nur die Sünde fürchten und nur Gott lieben, und wir werden die Pforten der Hölle erschüttern.‘ Woher hat John Wesley diese Einstellung? Mit Sicherheit von seinem König, dem Herrn Jesus, der ein für alle Mal klargemacht hat, wie die Strategie Gottes aussieht, um diese Welt zu erreichen: Jesus hat immer lieber mit einer kleinen Minderheit von 5% entschlossenen Seelen gearbeitet als mit einer großen Mehrheit von 95% unentschlossenen und wetterwendischen Leuten.“

Die Gefahr der großen Zahlen

In seinem Kommentar über das Buch der Richter schreibt Samuel Ridout: „In uns allen steckt der verborgene Wunsch nach großen Zahlen. Woher kommt das ganze Streben nach einer guten Statistik, nach der Anzahl von Bekehrungen und der Zahl der Mitglieder, wenn der Mensch nicht die Überzeugung hat, dass in der Menge die Macht liegt? Im Gegensatz dazu ist die Schrift voll von Beispielen, die zeigen, dass das nicht stimmt. Große Zahlen waren oft sogar der Anlass für den Hochmut, der vor dem Fall kommt. Sobald die Zahl der Jünger wuchs, begann das Murren. Keinesfalls sollten wir große Mengen nicht einfach ablehnen, weil sie an sich schlecht wären. Wir sollten uns sicherlich freuen, wenn viele gesegnet werden. Aber unser Auge sollte nicht auf die Menge gerichtet sein, sondern auf den Herrn. Das trifft besonders in einer Zeit des Verfalls zu, in der Gott das Zeugnis eines Überrestes für seine Wahrheit aufgerichtet hat. Große Zahlen lähmen das Zeugnis nur. Die kleine Gemeinschaft, die von Gott selbst geprüft und getestet wurde, ist viel besser als die große und beeindruckende Gruppe, die von der Welt aufgrund ihrer Größe respektiert wird.“

Kollektiver Egoismus

E. Stanley Jones sagte: „Ich verabscheue diesen Kampf um große Zahlen, der zu kollektivem Egoismus führt.“ Und Charles Bing machte die folgenschwere Bemerkung: „Die Massen bringen Gottes Gericht über sich.“ Eine große evangelikale Gemeinderichtung wollte mehr Mitglieder werben und wählte den Slogan: „Eine weitere Million im Jahre 1984“ („A million more in ’84“). Als dieser tolle Werbespruch bekannt gegeben wurde, lehnte sich ein Pastor zu seinem Kollegen hinüber und flüsterte: „Wenn wir noch eine Million von der Sorte bekommen, die wir jetzt haben, gehen wir unter.“ Es ist in Ordnung, um der Herrlichkeit Gottes willen zu versuchen, viele Menschen zu erreichen und zu segnen. Aber es ist falsch, wenn man sich auf große Zahlen verlässt und hofft, Kraft daraus zu schöpfen. Es ist verkehrt, sich großer Zahlen zu rühmen. Es ist falsch, die Prinzipien aufzugeben, um große Mengen anzulocken. Es ist besser, kleine, wachsende und geistliche Gemeinden zu haben als große, träge Gemeinden ohne Prinzipien.

Nachtext

Quellenangaben

Aus: William MacDonald: „Seiner Spur folgen“, CLV