Zeitschrift-Artikel:

Zeitschrift: 138 (zur Zeitschrift)
Titel:
Typ: Artikel
Autor: Wolfgang B
Autor (Anmerkung):

online gelesen: 1932

Titel

Vortext

Text

Während unserer Besuchsreise nach China im April dieses Jahres wurde hinter vorgehaltener Hand viel gemunkelt:
„In Peking ist ein Putschversuch von Demokratie- feindlichen Alt-Kommunisten verhindert worden!“ – „Weil der jetzige Ministerpräsident Wen Jiabao nach zwei Amtsperioden nächstes Jahr nicht wiedergewählt werden darf, gibt es Machtkämpfe um den zukünftigen Posten!“ –
„Unter den höchsten Regierungsbeamten gibt es einige Christen – oder zumindest solche, die dem Christentum positiv gegenüberstehen, es aber nicht öffentlich bezeugen können, weil sie dann ihr Amt verlieren könnten!“ usw. Ob an diesen Gerüchten etwas war ist, ob absichtlich gestreute Gerüchte über das Internet in Umlauf gesetzt wurden oder aber Nachrichten verbreitet wurden, die dem Wunschdenken einiger Christen entsprachen können wir nicht beurteilen. Auffallend war nur, dass diese und ähnliche Neuigkeiten in den verschiedenen Provinzen ausgetauscht wurden, die wir in diesem Jahr besuchen durften.
Tatsache ist ebenfalls, dass zur gleichen Zeit in den deutschen Medien von Unruhen in Peking die Rede war.
Wahr ist aber auch, dass die Freiheiten und Aktionsmöglichkeiten der Christen in China mit jedem Jahr zunehmen und selbst einige hohe Staatsdiener anerkennende Worte über unsere Geschwister im „Untergrund“ verlauten lassen.
Dafür einige Beispiele:

„Double Blessing“
Als wir in der Nacht um etwa 22:30 Uhr ziemlich erschöpft mit dem Flugzeug in Nanjing landeten,
hofften wir auf zwei stressfreie und erholsame Tage bei unseren Freunden in dieser alten Kaiserstadt.
Doch daraus wurde nichts: Der Bruder, der uns abholte, erklärte uns am Flughafen, dass für den nächsten Tag eine kleine Konferenz von 8:30 bis 16:00 Uhr geplant sei und man von uns sechs Stunden Vorträge wünsche. Von dem „doppelten Segen“, der uns am nächsten Tag erwarten würde, ahnten wir zu dieser späten Abendstunde nichts – vielmehr fühlten wir uns ziemlich kraftlos und völlig unvorbereitet für diese Aufgabe.
Als wir dann aber nach einer sehr kurzen Nacht am nächsten Morgen zum Veranstaltungsort gebracht wurden, staunten wir nicht schlecht: Man hatte für diese Konferenz ein Restaurant mitten in dieser Großstadt gemietet, das weithin sichtbar den Namen „Double Blessing“ („Doppelter Segen“) trug! Erst nach und nach ging uns die tiefere Bedeutung dieses Namens auf: In diesem Restaurant konnte man tatsächlich „gesegnete“ Speisen zu sich nehmen und zusätzlich noch einen zweiten, geistlichen Segen mitnehmen!
Auf der rechten Wand war in großer Schrift und englischer Sprache 1Kor 13 zu lesen und auf der gegenüberliegenden Wand standen eine Menge christlicher Bücher in chinesischer Sprache, die zum Kauf oder zum Ausleihen angeboten wurden.
Tatsächlich ein „doppelter Segen“! An diesem Tag war allerdings das Restaurant für Fremde geschlossen und für unsere Veranstaltung gemietet. Welche eine unvorhergesehene, aber willkommene Vorlage für mich, über 2Kö 2,1-14 zu sprechen, wo Elisa von dem scheidenden Elia um einen „doppelten Segen“, ein „zweifaches Teil“ von dem Geist seines geistlichen Vaters bat!

Die „Elia-Schule“
Mit „Elia“ wurden wir am nächsten Tag wieder konfrontiert, als wir die illegale christliche Schule in Nanjing mit eben diesem Namen besuchten. Hier werden etwa 80 Kinder von 14 Lehrern und
Lehrerinnen unterrichtet, die alle überzeugte Christen sind und auf die Hälfte eines üblichen
Lehrer-Gehaltes verzichten, um für etwa 150 US-Dollar monatlich die anvertrauten Kinder Alicia, die Leiterin, erzählte uns die Geschichte dieser christlichen Schule, von denen es inzwischen über 100 weitere in China gibt, die natürlich vom Staat kritisch beäugt und beobachtet, aber immerhin geduldet werden.
In Abständen kommen sehr kritische Prüfer des Staates, um die Lehrinhalte der Schule zu untersuchen und ihr Missfallen zu äußern – aber die Schule wird irgendwie toleriert.
Ganz anders das Urteil der Beamten aus der Polizeistation in der direkten Nähe: Sie beobachten
die wachsende Schule schon seit einigen Jahren und sehen, dass diese Christen auch behinderte Kinder aufnehmen und betreuen. Sie erkennen den positiven Einfluss der Schule auf die Umgebung und ein hoher Polizeibeamter scheute sich nicht, ein erstaunliches Lob auf die
Christen auszusprechen: „Eine Gemeinde mehr bedeutet ein Gefängnis weniger!“

„Jehova-Nissi“ in Kunming
Wieder einen Tag später saßen wir im Flugzeug auf dem Weg nach Kunming, in den Süd-Westen
Chinas. Diese Hauptstadt der Provinz Yunnan besuchten wir zum ersten Mal.
Hier hatte man in einem Hotel mit dem erstaunlichen Namen „Jehova-Nissi“ Zimmer für uns gebucht. Dieses Hotel befindet sich in einer Einkaufsstraße dieser Millionenstadt und ein großes Plakat erklärt auch – für alle Passanten deutlich zu erkennen – was dieser seltene Hotel-Name bedeutet: „Der Herr mein Panier!“
Die Zimmer waren zwar nicht besonders sauber, aber incl. Frühstück für etwa 22 Euro recht billig und immerhin lag in jedem Zimmer eine Bibel. Das reichliche Frühstück wurde übrigens 200 Meter entfernt in dem Steakhouse „Jehova Jireh“ („Der Herr wird ersehen“) eingenommen und die freundlichen Angestellten antworteten auf Befragen immerhin, dass sie alle überzeugte Christen seien – auch wenn sie uns die Bedeutung des Namens „Jehova Jireh“ nicht erklären konnten.
In der Provinz Yunnan mit etwa 42 Millionen Einwohnern leben über 200 Minderheiten, also viele kleinere und größere Volksstämme, die meist eine eigene Sprache haben, aber auch chinesisch sprechen. Da aber viele dieser Minderheiten zwar die chinesische Sprache beherrschen aber nicht die chinesische Schrift lesen können, ist ein Großteil dieser Stämme nicht in der Lage die Bibel zu lesen, weil es in ihrer eigenen Sprache keine gibt. Laut „Gebet für die Welt“ gibt es die Bibel nur in neun dieser Sprachen!
In der gebirgigen Provinz Yunnan hat vor ca. 90 Jahren James Frazer, der „Bergsteiger Gottes“, unter den „Lisus“ gearbeitet und eine Erweckung erlebt. Bis heute gibt es unter ihnen viele Christen, während es in den anderen Stämmen oft keine, oder weniger als 1% Christen gibt! Also ein großes Missions-Gebiet.
Bitte betet für diese vielen Menschen und für die wenigen Missionare, die in den teilweise sehr schwer erreichbaren Regionen der Provinz arbeiten.

„Weltkultur-Erbe“ Lijiang
Diese wunderschöne, auf einer Höhe von 2.600m liegende Stadt ist für ihre über 800 Jahre alte
Altstadt berühmt und mit vielen Naturschönheiten ein Ziel zahlreicher Touristen aus aller Welt. Sie ist umgeben von Ausläufern des Himalaja mit über 5.600m Höhe.
Auch hier wurden wir in einem Hotel untergebracht, deren Besitzerin sich als Christin und Mitglied einer „Hauskirche“ ‚outete‘, die sich in dieser Stadt sehr offensiv präsentiert und durch evangelistische Veranstaltungen Menschen erreicht.
Lijiang und Umgebung ist das Zentrum der „Naxi“ – einer Volksgruppe, die mit etwa 290.000 Angehörigen zu den größeren ethnischen Minderheiten in Yunnan gehört. Sie bildet etwa 20% der Bevölkerung in Lijiang und Umgebung.
Von ihrer Tradition her sind es Animisten und Schamanisten, die dem „Dongba“-Kult angehören.
Wir lernten einen eifrigen und begabten Evangelisten kennen, der ein „Naxi“ ist und den besonderen Auftrag fühlt, unter seinem Volk das Evangelium zu verkündigen. Durch seine Arbeit
ist inzwischen eine Gemeinde entstanden und damit ist ein wichtiger Anfang unter dieser Minderheit gemacht worden. Auch für ihn sollten wir beten.

Christliche Buchhandlungen vermehren sich
In allen Städten, die wir besuchten – mit Ausnahme von Lijiang – konnten wir Christliche
Buchhandlungen ausfindig machen, deren Angebot an christlichen Büchern, die vom Staat offiziell genehmigt sind, von Jahr zu Jahr enorm wächst.
Alle klassischen christlichen Werke kann man dort kaufen, eine große Auswahl von Biographien aus der Zeit der Reformation und den Erweckungsbewegungen, wertvolle Bücher von
Oswald Sanders, J.I. Packer und neuerdings auch von John Piper usw. werden dort sehr preisgünstig angeboten. Bücher zum Thema Ehe, Kindererziehung, Lebenshilfe usw. sind reichlich
vorhanden. Leider aber auch Kitsch und Klüngel in allen Variationen.
Was allerdings total fehlt, sind eindeutig evangelistische, apologetische und creationistische Bücher. Diese werden bisher vom Staat komplett blockiert.
In der Stadt Wenzhou gab es – soweit wir wissen – im Jahr 2004 nur eine christliche Buchhandlung, die wir damals zu unserem Erstaunen entdeckten. Heute gibt es in dieser Stadt mindestens 10 verschiedene christliche Buchhandlungen, deren Bücher man auch online bestellen kann. Es boomt also in China in jeder Beziehung …
Wichtig scheint uns zu sein, dass Gott den enorm wachsenden Hauskirchen („Untergrundkirchen“), zu denen inzwischen mehr als geschätzte 100 Millionen Christen gezählt werden, gute Bibel-Lehrer schenkt, die dafür sorgen, dass die vielen, meist jungen Geschwister
gesunde, biblische Grundlagen bekommen.
Nur so kann die zur Zeit gewaltige Erweckung in China weiter wachsen und Bestand haben.
Beten wir besonders auch dafür!

Nachtext

Quellenangaben