Zeitschrift-Artikel: Der Umgang mit Gott - Stille Zeit

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Titel: Der Umgang mit Gott - Stille Zeit
Typ: Artikel
Autor: Peter Lüling
Autor (Anmerkung):

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Titel

Der Umgang mit Gott - Stille Zeit

Vortext

Text

Vor acht oder neun Jahren hätte ich wahrscheinlich sehr gerne über dieses Thema geredet, weil es für mich klar war, jeden Morgen eine oder auch zwei Stunden Stille Zeit zu haben. Jeder, der nicht wenigstens eine Stunde dafür übrig hatte, war in meinen Augen lau und ungeistlich.
Heute spreche ich auch noch gerne über dieses Thema, aber die acht dazwischenliegenden Jahre mit manchem Hoch und Tief haben mich in der Beurteilung anderer vorsichtiger werden lassen. Mal war die Stille Zeit sehr oberflächlich, mal fand ich sie sehr beglückend. Wir haben sicher alle gemerkt, daß der Teufel nichts so sehr versucht, wie uns die Zeit der persönlichen Stille vor Gott zu rauben. Er wird uns vieles lassen, z.B. die Bibelstunden, Zeugnisgeben, das "christliche Leben", aber die Zeit mit Gott am Morgen und am Abend, darum kämpft er.
Wenn ich heute über dieses Thema etwas sage, dann bin ich mir der Wichtigkeit dieses Themas, aber auch der vielen Kämpfe, die damit verbunden sind, bewußt. Wahrscheinlich werde ich nicht viel Neues sagen, denn es ist schon oft und ausführlich darüber geredet worden, und ich möchte nicht darüber reden als einer, der alles im Griff hat - im Gegenteil. Wir wollen uns Mut machen, neu und konsequent diese Zeit der persönliehen Gemeinschaft mit Gott zu pflegen, weil sie lebensnotwendig ist.
Zuerst muß ich mich und Dich fragen: Was ist das Ziel Deines Lebens, wofür willst Du Dein Leben einsetzen? Bitte antworte nicht zu schnell auf diese Frage. Überlege einmal, wonach Du Dich wirklich sehnst - nach Gott?
Gott möchte, daß wir ehrlich vor Ihm sind. Ich habe dem Herrn schon oft gesagt, daß ich im Moment nicht die richtige Freude zum Gebet habe und Er sie mir wiedergeben muß. Sage Gott aufrichtig, was Du mit Deinem Leben vorhast. Vielleicht mußt Du Dich ändern, aber sei ehrlich vor Gott, vor Dir selbst, vor anderen und spiele keine Frömmigkeit.
Der Herr hat die beiden Jünger in Joh. 1,37ff auch nach ihren Motiven gefragt - können wir aufrichtig die gleiche Anwort geben? Sehnen wir uns wirklich nach Ihm? Also, was hast Du vor? Möchtest Du wirklich das tägliche Einerlei in Schule, Beruf und Haushalt mit Ihm durchleben, oder trennen wir das geistliche vom natürlichen Leben?
Meine Einstellung zum Leben wird mein Interesse am vertrauten Umgang mit dem Herrn beeinflussen, und umgekehrt wird mein Umgang mit Gott, dem Vater, meine Einstellung zum Leben beeinflussen und prägen.

Das Vorbild des Herrn

Ich möchte nun einige Menschen der Bibel vorstellen, wie ihre Stille Zeit aussah, was sie mit ihrem Leben erreicht haben, bzw. was Gott aus ihrem Leben machen konnte. Das eindrücklichste Beispiel ist natürlich unser Herr. Er hörte jeden Morgen auf die Stimme Gottes (Jes. 50,4 ), um dann für den Tag gestärkt zu sein. Weil Gott zu Ihm geredet hatte, konnte Er "den Müden durch ein Wort aufrichten". Diese Verse zeigen uns, wie unsere Stille Zeit aussehen sollte. Jeden Morgen ließ Er sich das Ohr öffnen, um belehrt zu werden.
Vielleicht entsteht bei Dir jetzt die Frage: Wie redet Gott eigentlich? Ich mache zwar immer meine Andacht, aber ich höre wenig. Das Leben unseres Herrn war durch das Ohr geprägt. In Ps.40,6 lesen wir "Ohren hast du mir bereitet" und in Hebr. 10,5, wo diese Stelle zitiert wird, heißt es "einen Leib hast du mir bereitet". Wovon ist Dein Leben geprägt? Durch Ohren, durch den Mund, oder durch den Bauch? Das Leben unseres Herrn war also durch das Hören gekennzeichnet, und Er tat bedingungslos das, was Gott Ihm gesagt hatte. Welch ein Segensstrom floß deshalb aus Seinem Leben! Mark. 1,35 und Ps. 109,4 beschreiben uns Seinen Umgang mit dem Vater. Wir wollen von Ihm lernen, Tag für Tag zuzuhören und nach Seinem Wort zu tun, damit wir uns nicht selbst betrügen (Jak. 1,22).
Wenn wir das praktizieren, was wir in der Stillen Zeit aus Gottes Wort gelernt haben, erleben wir, wie lebensnah, realistisch und praktisch Gottes Wort ist. Liegt vielleicht der Grund für Dein eintöniges, langweiliges Christsein darin, daß Du keine wirklichen Erfahrungen mit Gottes Wort machst? Die Worte Gottes waren dem Herrn eine Wonne, eine Lust (Ps. 119,24.35). Nimm Dir wenigstens einen Vers mit in den Tag, lerne ihn auswendig oder schreibe ihn auf und lege ihn dahin, wo Du ihn öfters siehst. Ich weiß nicht, wie viele Stunden der Herr täglich in der Stille vor Gott verbrachte. Jedenfalls lesen wir in Luk. 6,12, daß Er, bevor Er die folgenschwere Wahl Seiner Jünger traf, eine Nacht im Gebet verharrte. Hatte Er es nötig? Er verzichtete auf Schlaf und betete. Wie wichtig sind Deine wichtigen Entscheidungen in Bezug auf Deinen Umgang mit Gott? Der Herr betete in Gethsemane dreimal dasselbe, doch der Wille des Vater war und blieb oberste Priorität, und dann ging Er entschlossen Seinen Feinden entgegen.
Für den Herrn waren die Gebete in Gethsemane eine Gewohnheit (Luk. 22,39; Joh. 18,2), so daß Judas genau wußte, wo Er zu finden war.
Sein kraftvoller Dienst, Seine "Worte der Gnade", Seine göttliche Liebe, Sein überzeugendes Auftreten, die Quelle Seiner Abhängigkeit, - finden wir sie nicht in Seinem verborgenen Umgang mit Gott?
Wenn wir den Wunsch haben, ein zeugnishaftes, herausforderndes und überzeugendes Leben zu führen, können wir das nur tun, wenn wir die Schwerpunkte setzen wie Er! Zu Martha sagte er: "Martha, Martha, du bist besorgt und beunruhigt über viele Dinge, eins aber ist not..." (Luk. 10,41)

Paulus, Daniel, David

Das erste, was Gott über den zerbrochenen Saulus sagt, ist: "Siehe, er betet!" (Ap. 9, 11) Daniel, der "vielgeliebte Mann", war ein Mann des Gebets. Er betete allein, selbst unter der Gefahr seines Lebens (Dan. 6,11). Er betete aber auch mit seinen Freunden (Dan. 2, 17-18), wobei man den Eindruck hat, daß diese Gebetsgemeinschaften für sie etwas sehr normales waren. Vielleicht fällt es Dir leichter, Dich mit David zu identifizieren. Auch er betete oft, denke an die vielen Psalmen und Geschichten in seinem Leben, wo wir ihn betend finden (1. Sam. 23,2; 30,4; 2. Sam. 2,1.5.19.23 usw.). Wir haben nur soviel Vollmacht, wie wir Echtheit vor dem Herrn haben in unserer Kammer, wo Gott im Verborgenen sieht!

Laß Dich nicht von Gefühlen leiten!

Der Herr ließ sich nicht - wie wir das zu sagen und zu tun pflegen - von Seinen Gefühlen leiten. "Heute bin ich zu müde, morgen werde ich..." Nie sollten wir uns durch den Mangel fühlbarer Freude von der regelmäßigen Stillen Zeit abbringen lassen. Im Gegenteil: Die sicherste Regel ist, je weniger Freudigkeit, umso nötiger der Umgang mit Gott. Das Aufgeben der Gemeinschaft mit Gott, welche Ursache es auch haben mag, macht die Wiederbringung und das Erlangen der Freude und des Gebetsgeistes nur umso schwieriger, während das Anhalten im Gebet und Lesen der Bibel in Verbindung mit fortgesetzter Tätigkeit im Dienst Gottes bald die verlorene Freudigkeit zurückbringt. Sobald wir uns der geistlichen Niedergeschlagenheit überlassen, oder die Verbindung mit dem Herrn und die Arbeit für Ihn unterbrechen, triumphiert der Teufel. Obwohl es nichts kostet, ein Christ zu werden, kostet es eine Menge, ein treuer Christ zu sein und den Weg des Opfers, der Heiligung und des Leidens um Jesu willen zugehen. Es ist eine Sache, den Lauf gut zu beginnen, aber es ist etwas ganz anderes, sich durchzukämpfen, tagein, tagaus, bei gutem und schlechtem Wetter, durch Gedeihen und Widerwärtigkeiten, durch Freude und Leid. Aber bedenke auch: Nicht nur für uns ist der tägliche Umgang mit Gott wichtig, auch Er sehnt sich nach Gemeinschaft mit uns!

Nachtext

"Wenn jemand meine Stimme hört und
die Tür auftut, zu dem werde ich eingehen
und das Abendbrot mit ihm essen, und er
mit mir."(Offb. 3,20)

Quellenangaben