Zeitschrift: 66 (zur Zeitschrift) Titel: Bitterkeit Typ: Artikel Autor: Charles Swindoll Autor (Anmerkung): online gelesen: 2459 |
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Titel |
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Bitterkeit |
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Während meiner Zeit im Marine-Corps mieteten meine Frau und ich in San Francisco ein Studio-Appartement von einem Mann, der seit seiner Verletzung im 2.Weltkrieg behindert war. Auf Wake Island gefangen genommen und später jahrelang in China festgehalten, war er teilweise gelähmt, nachdem ihn die Kugel aus dem geladenen Gewehr eines feindlichen Soldaten getroffen hatte. Als ich diesen Hauseigentümer besuchte, hatte er eine Geschichte nach der anderen zu erzählen, wie barbarisch er behandelt worden war. Mit harten Worten und leidenschaftlicher Gebärde sprach er von den Torturen, die er ausgehalten hatte, und von seinem ausgesprochenen Haß den Japanern gegenüber. Hier war ein Mann, dem man entsetzlich Unrecht getan hatte - ohne Frage. Das fortwährende Elend und den Schmerz, mit dem er lebte, konnte man nicht ermessen. Ich empfand tiefe Anteilnahme. Aber es gab einen Faktor, der seine Existenz noch beklagenswerter machte. Unser Hauseigentümer war ein bitterer Mann geworden. Obwohl inzwischen dreizehn Jahre vergangen waren, daß er vom Krieg zurückkehrte, obwohl er aus dem Konzentrationslager befreit und nun in der Lage war, rein äußerlich sein Leben weiterzuführen, obwohl er und seine Frau eine wunderschöne Bleibe besaßen und ein komfortables Einkommen hatten, war der gelähmte Mann von der Macht der Bitterkeit beherrscht. Er kämpfte immer noch einen Kampf, der Jahre zuvor hätte beendet sein müssen. In einem gewissen Sinne war er immer noch gefangen. Seine Bitterkeit zeigte sich in intensivem Vorurteil, einer scharfen Zunge und in einer Haltung, als ob ihm jeder Böses wolle. Ich bin davon überzeugt, daß er 1957 weitaus schlechter dran war als 1944. Es gibt keine größere Qual als die innere Qual eines nicht vergebungsbereiten Sinnes. Er lehnte es ab, wahrhaftig zu sein, er lehnte es ab, geheilt zu sein, er lehnte es ab, zu vergessen. Im neuen Testament kommt jede Erwähnung der Bitterkeit aus derselben griechischen Wurzel pic, was "schneiden, stechen" bedeutet. Der Gedanke ist ein Stechen oder Punktieren, das scharf und durchdringend ist. Wir lesen in Lukas 22,62: "Petrus weinte bitterlich". Er weinte, weil er sich in seinem Gewissen "geschnitten" fühlte. Er war "tief getroffen", so würden wir sagen. In Apostelgeschichte 8,23 wurde einem Mann gesagt, er sei "voll bitterer Galle", als er göttlich und geistlich mächtig erscheinen wollte. Er war schlichtweg ein religiöser Schwindler, bitter bis zum Gehtnichtmehr. Hebräer 12,15 stellt fest, daß eine Wurzel der Bitterkeit aufwachsen und Unheil anrichten kann, so daß viele verletzt werden. Man kann die Pflanze der Bitterkeit nicht pflegen und sie zugleich geheimhalten wollen. Die bittere Wurzel trägt bittere Frucht. Langsam, unerbittlich wird die scharfe, schneidende Spitze der Unversöhnlichkeit ihren Weg an die Oberfläche finden. Die Giftsaat wird heimtückische Wege finden, andere zu verletzen. Die Ironie dabei ist, daß derjenige, der um sich schlägt, der ist, der am meisten leidet. Er wird das Opfer des Riesen, den er verweigert zu erschlagen. Haben Sie gehört, was er sagte? Er sagte, daß wir, die wir es ablehnen zu vergeben - wir, die wir in der Bitterkeit wie Galle leben - Opfer der peinigenden, ätzenden, intensiven inneren Qual werden. Wenn wir Gefühle der Bitterkeit pflegen, sind wir nur ein bißchen besser dran als die Insassen eines Konzentrationslagers. Wir schließen uns selbst ein in ein isoliertes Zimmer, eingemauert in unsere Ablehnung der Vergebung. Um Ihretwillen - ich möchte Sie drängen, "alle Bitterkeit" wegzulegen - jetzt! Töten Sie diesen Riesen mit dem glatten Stein der Vergebung. Es gibt keinen Grund, eine Minute länger in dem eigenen Konzentrationslager zu bleiben. Der Fluchtweg ist klar markiert. Er führt zum Kreuz wo der Eine, der als einziger das Recht hatte, bitter zu sein, es nicht war. |
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Nachtext |
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Quellenangaben |
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(Aus Charles Swindoll: "Riesen und Dornen - vom Kampf und Sieg über sich selbst", CLV)
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