Zeitschrift: 31 (zur Zeitschrift) Titel: Christliche Popmusik? Typ: Artikel Autor: Gerrit Alberts Autor (Anmerkung): online gelesen: 2655 |
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Christliche Popmusik? |
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Christliche Popmusik? Ein heißes Eisen, zweifellos. Seitdem eine Flut von neuen LPs, Cassetten und Konzerten den christlichen Markt überfluten, ist das Thema „christliche Popmusik" für viele junge Christen aktuell geworden. Seit einigen Jahren gibt es eine Zeitschrift für christliche Popmusik (COGO). Die Festivals der Rock-Gruppen sind jetzt auch in „christlicher" Ausführung zu haben. In ihrem Stil eng an die „weltlichen" Kollegen angelehnt, produzieren die Solisten und Gruppen christliche Texte zu typischer Popmusik. Die enge Verknüpfung zwischen dem Stil „weltlicher" Gruppen und dem der „christlichen" Musiker wird in folgendem Auszug aus dem Bericht über ein „Gospelfestival" deutlich: „Festival ‚Made in Germany' am 11.2.78 im Kulturzentrum Herne mit ausschließlich deutscher christlicher Popmusik. Etwa zwei Drittel dessen, was in dieser Szene Rang und Namen hat, trat auf: Theophiles, Hartmut Nitsch, Salvation, Joy, Wir Leute, Trinitas, Semaja, Arno und Andreas . . . Joy eröffnete mit solidem Rock, Mischung aus Wishbone Ash und Byrds. - Salvation ebenfalls satt rockig, textlich manchmal etwas ungelenk, aber nette Ausstrahlung. - Theophiles mit Folk, guten Texten und einem mehrstimmigen Jungengesang, der schwer an Crosby, Stills, Nash and Young oder Beach Boys erinnert… Wir Leute voll professionell poppig rockig. Semaja, bekannt für härtesten Hardrock und bei Christen schier unerträgliche Lautstärke, wird erstaunlicherweise hier stürmisch gefeiert. Irre Perfektion bei freier Improvisation und ausgeflipptem Feeling. „Heavy, aber sauber", grinst ein Freak… Wir Leute beschließt den Abend mit heißer Stimmungsmusik ohne weitere Aussage. Leute high. - Bis auf Schluß ein vorbildliches Festival, auf dem sich begabte, geistliche Leute vorstellten und einander dienten …" (1) Viele werden hinter diesem Zitat ein großes Fragezeichen machen, vor allem hinter der Einschätzung, daß sich auf diesem Festival geistliche Leute vorgestellt haben. Um es vorweg zu nehmen, in diesem Aufsatz soll gezeigt werden, daß dieses Fragezeichen nur zu berechtigt ist. Wir wollen der Frage nachgehen, ob die Aussagen der christlichen Botschaft überhaupt mit den Aussagen der Pop-Musik zusammenpassen. Wieso? Hat denn die Popmusik an sich schon eine Aussage? Ist die Musik an sich nicht ausageneutral? Kommt es vielleicht mehr darauf an, welchen Text man verwendet? Nach meinem Dafürhalten ist Musik nicht neutral. Sie hat eine Aussage. Musik ist ein Kommunikationsmittel, d.h. sie übermittelt Mitteilungen, ähnlich wie andere Kunstwerke (Bilder, Skulpturen etc.) Mitteilungen der Künstler an ihre Mitmenschen sind. „Musik ist, wie alle anderen Kunstformen, zugleich das Ergebnis und die Grundlage der Philosophie ihrer Zeit." (2) Hinter der Musik als künstlerisches Ausdrucksmittel steckt also eine bestimmte Weltanschauung. „Die Ergebnisse ihres Denkens fließen durch ihre Finger oder über ihre Zunge in die äußere Welt." (3) Die Musik Johann Sebastian Bachs zum Beispiel war von dem Denken der Reformation geprägt. In der Reformation war die Tatsache der Erlösung durch den Herrn Jesus und die Möglichkeit des Friedens, der Harmonie in der Verbindung mit Gott wieder neu deutlich geworden. Diese Merkmale geistlicher Erkenntnis finden ihren Niederschlag in Bachs Musik. Francis Schaeffer schreibt über den Zusammenhang zwischen Weltanschauung und Komposition : „Bach versuchte bewußt, sowohl die Form als auch die Worte seiner Musik zu biblischer Wahrheit in Beziehung zu setzen. Aus dem biblischen Zusammenhang erwuchs eine reine Kombination von Musik und Worten, eine Vielfalt in einer umfassenden Einheit. Das beruhte auf der Tatsache, daß die Bibel das Allgemeine und das Besondere vereint, wodurch das Besondere seinen Sinn erhält. Musikalisch ausgedrückt, kann es endlose Vielfalt ohne Chaos geben. Es gibt Vielfalt mit Auflösung, Vielfalt in Harmonie." (4) Auch die Popmusik ist vor dem Hintergrund einer ganz bestimmten Philosophie entstanden. Wir wollen uns diesen weltanschaulichen Hintergrund einmal näher ansehen. Pop-Musik ist die Abkürzung für „populäre Musik". Im Laufe ihrer Entwicklung hat sie viele Anleihen gemacht bei anderen Musikrichtungen. So ist sie z.B. sehr beeinflußt worden von der Blues-Musik, einer weltlichen Richtung (im Gegensatz zu den christlichen Gospelsongs) der amerikanischen Negermusik, die ihrerseits wieder zurückgeht auf heidnische Musik-Kulte der Negerkulturen in Afrika. In den heidnischen Religionen in Afrika spielen monotone Rhythmen eine wichtige Rolle; sie bringen die Kultteilnehmer in Ekstase und schaffen so die Basis für die Kontaktaufnahme mit der dämonischen Welt. Diese okkulte Wurzel der Rock-Musik kommt im Laufe der modernen Entwicklung ganz offensichtlich zum Tragen. Davon wird noch die Rede sein. Wenn wir den weltanschaulichen Hintergrund der Popmusik untersuchen wollen, werden wir uns näher mit der sogenannten Gegenkultur beschäftigen müssen, denn die Rock-Musik ist ein Produkt der Gegenkultur. Diese Lebenshaltung der Beatniks wurde zur tragenden Idee der späteren Hippie-Bewegung. „Das Wort ,beat¸ bedeutet ursprünglich arm, heruntergekommen, herumlungern, übernachten in den Straßenunterführungen." (6) Die Weigerung der Gegenkultur bezog sich natürlich nicht nur auf die zivilisierten Lebensformen der westlichen Welt. Die Bewegung war und ist verbunden mit einer ethischen Revolution. Alle bisher anerkannten ethischen Werte, im wesentlichen geprägt durch das Christentum, wurden über Bord geworfen. Die neue Lebensphilosophie der Gegenkultur läßt sich in dem Grundsatz zusammenfassen, den der Okkultist Alester Crowley bereits 1904 formulierte: „Do what thou wilt shall be the whole law." (Tue was du willst, das ist das einzige Gesetz) (7). Norman Mailer, einer der prägenden Autoren der Gegenkultur, hat diesen Grundsatz so ausgedrückt: „ Wenn es das Schicksal des Menschen des 20. Jahrhunderts ist, von der Jugend bis zum frühzeitigen Greisentum mit dem Tod zu leben, dann heißt leben, die Bedingungen des Todes zu akzeptieren, mit dem Tod als unmittelbare Gewalt zu leben, sich selbst von der Gesellschaft zu trennen, ohne Wurzel zu existieren und sich auf eine ungeplante Reise in den rebellischen Imperativ seines Selbst zu begeben." (8) Dieser Grundsatz — nach dem Imperativ (Befehl) seines Selbst zu leben, das will meinen, nach dem, was man selbst für gut und richtig hält — ist die erklärte Lebenshaltung vieler Pop-Stars, die als Teil der Gegenkultur zu begreifen sind. „Janis Joplin (1943-1970) hielt sich stets an die Devise eines ihrer Songs: „Get It While You Can" (Nimm, solange du was kriegen kannst), oder mit ihren eigenen Worten: „Berausche dich, sei fröhlich und fühl dich wohl". Ihr Leben war eine überspannte Jagd zwischen Bühne, Bett und Bourbon- Whisky, den sie zeitweise bis zu einem Liter täglich konsumierte. Sie war die Verkörperung der Beatnik-Philosophie „Live fast, love hard, die young" (Lebe intensiv, liebe heftig, stirb jung)." (9) Janis Joplin ist hier nur als Beispiel genannt. Wer sich mit den Texten und Äußerungen von prägenden Pop-Musikern wie die Beatles, Rolling-Stones, Jimmy Hendrix etc. beschäftigt hat weiß, daß ihre Wertorientierung genau in der gleichen Richtung liegt. Es wäre einfach naiv zu behaupten, daß ihre Musik nichts mit ihrer Lebenshaltung zu tun hätte. Im Gegenteil: Die ganze Bewegung fußt auf dem Lustprinzip ; und die Musik dient dazu, die Triebe zu stimulieren, Hemmungen abzubauen und die Basis für die Verwirklichung ihrer Philosophie zu schaffen. Die Musik ist der künstlerische Ausdruck ihrer Weltanschauung. Am Anfang der Bewegung stand die Verzweiflung an der Gesellschaft. Die Welt stellt sich für die Ideologen der Rock-Kultur als chaotisch dar; dementsprechend wird ihre Musik geprägt von Dissonanzen und Disharmonien. Nach rationalen Kriterien ist das Leben für sie sinnlos, deswegen suchen sie Erlebnisse im Irrationalen, in „Tribs"; und die Stimulanz für diese „Tribs" liefert die Rock-Musik. Vor dem Hintergrund dieser Realitätsflucht ist auch gut zu verstehen, weshalb in der weiteren Entwicklung der Gegenkultur die Drogen und mehr und mehr auch der Okkultismus eine wichtige Rolle spielen. Es würde hier zu weit gehen, auf die Verknüpfung zwischen Drogenerfahrungen, Okkultismus und Rockmusik ausführlich einzugehen. Als einen Beleg für den enormen Einfluß des Okkultismus auf die Rockmusik zitiere ich Jimmy Page, den Leadgitarristen von der Gruppe „Led Zeppelin": „Ein Rock-Konzert ist in Wirklichkeit nichts anderes als ein Ritual, bei dem psychische Kraft freigesetzt und umgesetzt wird. Konzerte von ,Led Zeppelin' beruhen im wesentlichen auf Lautstärke, Wiederholung und Rhythmus. Sie haben viel Ähnlichkeit mit der Trance-Musik Marokkos, die in ihrem Ursprung und Zweck magischen Charakters ist. Die Pan flöten-Spieler von Joujouka sind zugleich Zauberer, die üble Dämonen austreiben. Aber schließlich ist jede Kunst -Musik, Malerei oder Literatur — ursprünglich Beschwörung und Magie, und jegliche Magie wird dazu benutzt, bestimmte Ziele zu erreichen. Im Led Zeppelin-Konzert ist das Ziel Energie bei den Spielern und beim Publikum. Um das zu erlangen, muß man die Quellen magischer Kraft anzapfen, so gefährlich das auch sein mag." (10) In dieser kurzen Beschreibung der Fundamente der Rock-Bewegung ist sicherlich deutlich geworden, daß die Weltanschauung dieser Bewegung absolut unvereinbar ist mit der Einstellung eines Christen. Die charakteristischen Merkmale der Bewegung erinnern stark an die Beschreibung, die die Bibel von den Menschen in den letzten Tagen gibt: „Dieses aber wisse, daß in den letzten Tagen schwere Zeiten da sein werden; denn die Menschen werden eigenliebig sein, geldliebend, prahlerisch, hochmütig, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, heillos, ohne natürliche Liebe, unversöhnlich, Verleumder, unenthaltsam, grausam, das Gute nicht liebend, Verräter, verwegen, aufgeblasen, mehr das Vergnügen liebend als Gott. .." (2. Tim. 2,1-4). Deshalb ist für mich der Versuch vollkommen unverständlich, diese Musik, die Ausdruck einer antichristlichen Weltanschauung ist, mit der christlichen Botschaft verknüpfen zu wollen. Zusammenfassend möchte ich einige Thesen zum Verhältnis von Christentum und Rock-Musik formulieren: In der Bibel heißt es: „Seid nüchtern, wachet; euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge" (1 .Petr .5 ,8) . Die Rock-Musik ist alles andere als nüchtern. Sie zielt darauf ab, in eine ,High-Stimmung¸ zu versetzen. Der Herr sagt: "Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen" (Mt. 11,29). In der Rock-Bewegung ist von Demut nichts zu spüren. Nach der „christlichen" Pop-Zeitschrift COGO zu urteilen, steht auch in der „christlichen" Pop-Szene nicht der Herr Jesus, sondern die Musiker im Mittelpunkt. (Sh. dazu auch das einleitende Zitat über das Festival.) In der Bibel steht: „Habet nun getötet eure Glieder, die auf der Erde sind: Hurerei, Unreinigkeit, Leidenschaft, böse Lust und Habsucht, welche Götzendienst ist, um welcher Dinge willen der Zorn Gottes kommt über die Söhne des Ungehorsams" (Ko1.3,5.6). Die Rock-Philosophie lehrt genau das Gegenteil, und die Rock-Musik ist darauf konzipiert worden, alle Gewissensbarrieren abzubauen und diese Leidenschaften zu stimulieren. Paulus schreibt: „Also ist der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber durch Gottes Wort" (Röm. 10,17). Rock-Musik lenkt die Aufmerksamkeit nicht auf den Text, sondern auf den Rhythmus und die Instrumentalmusik. Sicherlich sind trotz dieser Ausführungen viele Fragen zu dem Thema offengeblieben, wahrscheinlich auch neue entstanden. Manch einer hat vielleicht in einigen Punkten eine andere Meinung. Deswegen wäre es interessant, wenn weitere Stellungnahmen zu diesem Thema in den nächsten „Fest und Treu"-Ausgaben veröffentlicht werden können. |
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Nachtext |
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Quellenangaben |
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ANMERKUNGEN: 1) Andreas Malessa: Gospelfestival Made in Germany. In COGO Nr. 13, März-April 1978, S.17 2) Hal Lindsay: Sind wir die letzte Generation? Wetzlar 1976, zitiert in: Ernst Trachsel-Pauli, Geistliche Musik. Frutingen 1977, S. 104 3) Francis Schaeffer: Wie können wir denn leben? Neuhausen-Stuttgart 1977, S. 11 4) Francis Schaeffer. op. cit., S. 5) Os Guinness: Asche des Abendlandes. Neuhausen-Stuttgart 1976, S. 79 ff. 6) Jack Kerouac, zitiert in Guinness, op. cit., S. 82 7) Alester Crowley: Book o'f the Law. zitiert in: Siegfried Schmidt-Joos: Alester Crowley, Kenneth Anger und die Folgen. Rock Session 1, Reinbeck b. Hbg.1977,S.1 1 8) Norman Mailer:The White Negro.San Francisco zitiert in Os Guiness, op. cit., S. 81 9) Rock-Lexikon, Hamburg 1978, S. 197, zit. in: Walter Kohli: Popmusik und christliche Lebenshaltung. Genf, Zürich, Basel 1979, S. 15
10) Jimmy Page im Gespräch mit dem Schriftsteller William Burroughs („Naked Lunch") Crawdaddy 6/1975. zit. in: Siegfried Schmidt-Joos, op. cit., S. 10 |