Zeitschrift: 157 (zur Zeitschrift) Titel: Legen wir die Bibel richtig aus? - Ryries Standardwerk zur heilsgeschichtlichen Bibelauslegung Typ: Buchbesprechung Autor: Gerrit Alberts Autor (Anmerkung): online gelesen: 2349 |
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Legen wir die Bibel richtig aus? - Ryries Standardwerk zur heilsgeschichtlichen Bibelauslegung |
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Das Buch erschien erstmalig 1965 unter dem Titel „Dispensationalism Today“. 1995 und 2007 wurden jeweils erweiterte und überarbeitete Auflagen publiziert. Das Buch gilt als Standardwerk der heilsgeschichtlichen Bibelauslegung und verhalf diesem Deutungsmuster der Heiligen Schrift „zu einer wesentlichen theoretischen Fundierung“1. Ryrie (1925–2016) war von 1953 bis zu seiner Emeritierung 1983 mit kurzen Unterbrechungen Professor für Systematische Theologie am Dallas Theological Seminary. Darüber hinaus nahm er zahlreiche Gastdozenturen wahr. Nach seiner Emeritierung war er unter anderem Gastdozent in der Bibelschule Brake, und zwar von 1998 bis 2004. Im deutschen Sprachraum ist er vor allem durch eine allgemein-verständliche systematische Theologie bekannt geworden (dt.: Die Bibel verstehen, Dillenburg, 1996¹, 2015²) und durch die Ryrie-Studienbibel, die weltweit eine Auflage von über 2 Mio erreichte (dt.: Witten, Dillenburg, 2012). Um dem Leser eine bessere Einschätzung der Bedeutung dieses Buches zu ermöglichen, werden hier einige allgemeine Ausführungen zum Dispensationalismus eingefügt.
› Was bedeutet „Dispensationalismus“? Warum brachten Menschen nach dem mosaischen Gesetz auf Anordnung Gottes Tieropfer, während im Neuen Testament der Schreiber des Hebräerbriefes feststellt: „Wir haben einen Altar, von dem kein Recht haben zu essen, die der Hütte dienen“ (Hebr 13,10)? Mit dem erwähnten Dienst ist zweifellos der alttestamentliche Tempeldienst gemeint. Warum schreibt Paulus, dass niemand die Christen in Kolossä wegen der Einhaltung des Sabbats richten soll (Kol 2,16), während in 4. Mose 15,32 ein Mann, der am Sabbat Holz auflas, getötet werden sollte? Diese und viele andere Fragen führen zu der Überlegung, dass Gott zu unterschiedlichen Zeiten nach verschiedenen Grundsätzen und Anordnungen mit Menschen umgegangen ist. Gott verwaltet oder regiert die menschliche Geschichte in aufeinanderfolgenden Stufen, in denen er sich zunehmend offenbart und der Mensch geprüft wird und versagt, worauf Gott sowohl in Gnade als auch durch Gericht handelt. Dispensationalistische Bibelausleger versuchen, diese verschiedenen Phasen oder Epochen der Geschichte des Handelns Gottes mit den Menschen zu beschreiben und ihre Bedeutung für das Verständnis der Heiligen Schrift herauszuarbeiten. In Eph1,10 schreibt Paulus von einer Epoche, die er als die Fülle der Zeiten bezeichnet und erläutert, dass Gott für die Verwaltung (gr.: oikonomia, engl.: dispensation) dieser Zeit vorgesehen hat, alles unter ein Haupt zusammenzubringen in dem Christus. Nach heilsgeschichtlichem (dispensationalistischem) Verständnis ist damit die Zeit des 1000-jährigen Reiches gemeint. Somit reden dispensationalistische Bibelausleger in dem Zusammenhang von der „Dispensation“ oder Haushaltung des 1000-jährigen Reiches. In Epheser 3 erläutert der Apostel ein Geheimnis, das bis dahin verborgen war, nämlich dass „die aus den Nationen Miterben seien und Miteinverleibte und Mitteilhaber der Verheißung in Christus Jesus durch das Evangelium“ (3,6). Mit anderen Worten: Er zeigt, dass es zwischen den Gläubigen aus den Juden und denen aus den Nationen eine völlige Stellungsgleichheit gibt, ein spezifisches Merkmal der christlichen Gemeinde. In diesem Zusammenhang benutzt er erneut das Wort Verwaltung (gr.: oikonomia), indem er ausführt, dass ihm die Gnade gegeben wurde, „alle zu erleuchten, welches die Verwaltung des Geheimnisses sei“ (3,9). In Anlehnung daran sprechen Dispensationalisten von der Dispensation der christlichen Gemeinde. Darüber hinaus teilen Dispensationalisten das Handeln Gottes mit den Menschen in verschiedene weitere Epochen oder Haushaltungen oder Dispensionen ein. Die Anzahl dieser Phasen unterscheiden sich bei unterschiedlichen Autoren, bestimmte Prinzipien sind aber allen gemeinsam.
› Wie entstand die dispensationalistische Bibelauslegung? In der amerikanischen Literatur wird John Nelson Darby des Öfteren als „father of dispensationalism“ bezeichnet2. Zweifellos kommt Darby eine große Rolle zu, diese Art der Bibelauslegung systematisiert und gefördert zu haben. Er war allerdings nicht der erste und einzige, der die Heilsgeschichte in verschiedene Zeitalter und Phasen eingeteilt hat. In einer weniger stringenten Form findet man sie bereits bei den Kirchenvätern Justin dem Märtyrer (110– 165), Irenäus (130–200), Tertullian (160–220) und anderen. Irenäus z.B. unterscheidet die Phasen von Adam bis Noah, von Noah bis Mose, von Mose bis Christus, von Christus bis zur Ewigkeit und das 1000-jährige Reich (Millenium).3 Ryrie zeigt, dass eine wachsende Anzahl von Autoren in den 150 Jahren vor Darby unterschiedliche Phasen der Heilsgeschichte benannten, unter ihnen Isaac Watts (1674–1748). In seinem 40-seitigen Aufsatz „The Harmony of all the Religions which God ever Prescribed to Men and all his Dispensations towards them“ (Die Harmonie aller Religionen, die Gott den Menschen vorschrieb, und alle seine Haushaltungen in Bezug auf sie) beschreibt er folgendes Schema der Heilszeiten: 1. Die Haushaltung der Unschuld; Darby studierte an dem Trinity College in Dublin. Theologisch wurde er hauptsächlich beeinflusst von Prof. Richard Graves. Graves glaubte an ein buchstäbliches zukünftiges 1000-jähriges Reich und dass unerfüllte Prophezeiungen wörtlich interpretiert werden müssen. Er war überzeugt von einer nationalen zukünftigen Buße und Wiederherstellung Israels im verheißenen Land und unterschied zwischen der jüdischen und der christlichen Haushaltung.5 CHREZENSIO › Welche Merkmale kennzeichnen den Dispensationalismus? Ryrie und andere Autoren11 nennen drei unabdingbare Merkmale einer dispensationalistischen Bibelauslegung: 1. Die Unterscheidung zwischen Israel & der Gemeinde. In der reformatorischen Theologie und in der sogenannten Bundestheologie wird davon ausgegangen, dass die alttestamentlichen Verheißungen für Israel auf die Gemeinde übergegangen sind und eine geistliche, in vieler Hinsicht keine wörtliche Bedeutung haben. 2. Die wörtliche Schriftauslegung. Dieses Prinzip der Textinterpretation will sagen, dass der biblische Text im Sinn einer historisch-grammatischen Hermeneutik gedeutet wird oder anders formuliert: Es wird gefragt, welche Bedeutung der Text im ursprünglichen Zusammenhang hat. 3. Das einigende Prinzip des göttlichen Handelns mit der Schöpfung: Die Verherrlichung Gottes. Worin besteht die zentrale Absicht Gottes in den unterschiedlichen Heilsepochen oder Haushaltungen? Was ist das Ziel der Geschichte aus biblischer Sicht. Darauf geben unterschiedliche Erklärungsansätze der Bibel verschiedene Antworten. Für die bundestheologische Sicht ist es – so die Darstellung von Ryrie – die Errettung des Menschen.
› Weitere Inhalte des Buches von RyrieNeben der sorgfältigen Darstellung des Dispensationalismus, seiner wesentlichen Merkmale und seiner Entstehung, beschäftigt sich Ryrie mit den Auswirkungen in Bezug auf das Verständnis von Gemeinde, Errettung und Prophetie. Er stellt diese Art der Schriftauslegungen dem Konzept der Bundestheologie gegenüber.
› Zum Stil des BuchesObwohl die Thematik des Buches nicht die einfachste ist, zeichnet sich Ryrie durch eine allgemeinverständliche Ausdrucksweise und einen unpolemischen, sachlichen Stil aus. Er bezieht sich allerdings auf die Diskussion des Dispensationalismus im amerikanischen evangelikalen Milieu. Das macht die Lektüre für Leser des deutschen Kulturkreises manchmal etwas mühsam, weil sich die wenigsten damit auskennen. › SchlussbemerkungenDie wenigen Bemerkungen zum Dispensationalismus im Rahmen dieses Beitrages wollen andeuten, dass das Konzept der Bibelauslegung durchaus eine große Bedeutung für das Verständnis so wichtiger Themen wie Gemeinde, Prophetie und ewige Bestimmung hat. |
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Quellenangaben |
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Quellenangaben 1 https://de.wikipedia.org/wiki/Charles_C._Ryrie (04.01.2017) 2 Siehe z.B. die Dissertation von Crutchfield, L.,V.: The Origins of Dispensationalism – The Darby Factor, Boston, 1992, S. 1; Ice, Th.: A Short History of Dispensationalism, S. 6 http://www.pretrib.org/articles/view/short-history-of-dispensationalism (04.01.17) 3 Ice, op. cit., S. 2 4 Ryrie, Ch., C.: Dispensationalismus, Bielefeld, S. 92 5 Elmore, F.: J. N. Darby‘s Early Years, http://www.pre-trib.org/data/ pdf/Elmore-JNDarbysEarlyYears.pdf (05.02.17) 6 The Collected Writings of J. N. Darby, edited by William Kelly, elektronische Ausgabe bei www.presenttruthpublischers.com, Bd. 1, S. 124–131, Printausgabe S. 192–203 7 Darby, op. cit.,Bd.2, S. 278–383 (elektr. Ausgabe) 8 Darby, op. cit., Bd. 5. S. 383 ff. (elektr. Ausgabe) 9 Zitiert in Ice, op. cit., S. 6 10https://de.wikipedia.org/wiki/Finale_%E2%80%93_Die_letzten_Tage_der_Erde 11Siehe dazu die genannten Werke von Ice, Crutchfield und Elmore 12Darby, op. cit. Bd.2 S. 382 (elektronische Version)
13Zitiert in Ice, op. cit. S. 1 |