Zeitschrift-Artikel: H

Zeitschrift: 66 (zur Zeitschrift)
Titel: H
Typ: Artikel
Autor: Martin Heide
Autor (Anmerkung):

online gelesen: 2042

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Die Wiederherstellung der Schöpfung

Ist nicht Gottes Erhörung des "sehnsüchtigen Harrens der Schöpfung" ein Hinweis darauf, daß einst alle Geschöpfe (also auch alle Menschen) erlöst werden?

Denn das sehnsüchtige Harren der Schöpfung wartet auf die Offenbarung der Söhne Gottes. Denn die Schöpfung ist der Nichtigkeit unterworfen worden, (nicht mit Willen, sondern um deswillen, der sie unterworfen hat,) auf Hoffnung, daß auch selbst die Schöpfung freigemacht werden wird von der Knechtschaft des Verderbnisses zu der Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, daß die ganze Schöpfung zusammen seufzt und zusammen in Geburtswehen liegt bis jetzt. Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir die Erstlinge des Geistes haben, auch wir selbst seufzen in uns selbst, erwartend die Sohnschaff: die Erlösung unseres Leibes. (Röm 8,181f)

Das "sehnsüchtige Harren" könnte man vielleicht als die Seufzer der unerlösten Naturen gedeutet, die aber letztendlich durch Qualen und Drangsale zum Heil hingeführt werden.

"Die ganze Schöpfung" umfaßt aber offensichtlich nicht alle Menschen, denn Paulus differenziert hier zwischen der "ganzen Schöpfung" und den "Gläubigen": "Nicht allein aber sie, auch wir selbst..." (V23). Die Gläubigen gehören nicht zu der "Schöpfung". Auch umfaßt die Schöpfung nicht die Engelwelt, denn sie ist nicht der Vergänglichkeit unterworfen ("Knechtschaft des Verderbnisses"). Schließlich heißt es von der Schöpfung, daß sie unfreiwillig der Nichtigkeit unterworfen ist (V 20). Dies kann sich nur auf die Schöpfung exklusive der Menschen und Engel beziehen. Wären hier die ungläubigen Menschen im Blickfeld, müßte von ihrer Übertretung und Schuld die Rede sein (wie in Röm 1-3). In diesem Sinne hat man dieses Wort (griechisch ktisis) auch in der nachapostolischen Literatur verstanden. Schließlich wartet die Schöpfung nicht auf eine Läuterung im Totenreich oder Feuersee, sondern auf die "Offenbarung der Söhne Gottes". Diese wird bei der Ankunft des Herrn erfolgen und dann vollendet sein (vgl. Kol 3,4): Das "sehnsüchtige Harren der Schöpfung"

Man vergleiche dazu z.B. den sogenannten Hirten des Hermas, einer Schrift des frühen zweiten Jahrhunderts: Hennas Mand. 12,4: "Die ganze Schöpfung hat er dem Menschen unterworfen".

Die Wiederherstellung aller Dinge, durch die Propheten primär in den Rahmen einer zukünftigen Wiederherstellung Israels gesetzt, hat auch eine Kehrseite. Nachdem Jesaja die Wiederherstellung ausgerufen hat (Jes 1,26+27; s.o.), redet er auch von dem Gericht:

Aber Zerschmetterung der Sünder und der Übertreter allzumal... und die von Jahwe abweichen, werden untergehen. (Jes 1,28)

In ähnlicher Weise redet Daniel in Dan 11+12 und der Herr Jesus in Mt 24. Endzeitliche Errettung bringt auch immer endzeitliches Gericht mit sich.
Alle weitergehende Spekulationen sind "Argumente aus dem Stillschweigen" - keine Schriftstelle des AT oder des NT redet ausdrücklich davon, daß aus dem Totenreich oder dem Hades gottlose Menschen irgendwann einmal zu Gott umkehren könnten. Alles das jedoch, was die Schrift ausdrücklich über das Jenseits sagt, betont die Unveränderlichkeit des ewigen Zustandes.

In diesem Zusammenhang ist es vielleicht aufschlußreich zu beobachten, daß in der alten Kirche die Allversöhnungslehre zuerst in der stark philosophisch orientierten Theologenschule in Alexandrien auftrat. Genau diejenigen Theologen, die als erste den Versuch unternahmen, die gesamten zukünftigen Heilsverheißungen Israels systematisch auf die Gemeinde umzudeuten, haben auch als erste den Gedanken einer schlußendlichen Wiederbringung aller einschließlich des Teufels erwogen. Besonders Origenes (185-254 n.Chr.) hat Apg 3,21 als die Basis einer Theorie der "Apokatastasis" ("Wiederherstellung") verwendet. Kernpunkt dieses Konzepts ist die Idee, daß das letztendliche Ziel alles Heilswirkens Gottes die Beseitigung aller, durch die Sünde in diese Welt gekommenen chaotischen Zustände ist. So sollen denn auch alle geschaffenen Dinge in einer allumfassenden Neuordnung ihre Daseinsberechtigung finden.

' Siehe dazu "Theologisches Begriffslexikon zum NT", Artikel "Versöhnung / "apokatastasis".

Die Qualen des Feuersees - Gottes erzieherische Mittel?

Nach der Lehre der Allversöhnung signalisieren die in Verbindung mit dem ewigen Gericht verwendeten Worte wie "quälen", "strafen" oder "peinigen" nicht eine hoffnungslose Qual. Vielmehr implizieren sie die Hoffnung auf eine zukünftige Wiederherstellung - "quälen" etc soll also in den verschiedenen biblischen Kontexten einen positiven Beigeschmack besitzen.

Indem wir nun diese Worte hier vorstellen, mag der Leser selbst entscheiden, ob hier eine negative oder ein positive Besetzung dieser Worte vorliegt.

Zu beachten ist dabei,

a) daß körperliche Qualen natürlich immer zeitlich sind und von daher nicht auf die Zeit jenseits des Todes in ihrem Zeitaspekt übertragen werden dürfen. Auch mögen körperliche Leiden vor dem Tod immer noch einen gewissen Sinn haben. Nirgends jedoch begegnet die Wortfamilie von kolasis oder basanos im Zusammenhang mit ausdrücklich züchtigenden Maßnahmen, die Menschen zur Umkehr bewegen sollen.

b) daß die Qualen in Mt 18,34, Offb 12,2 und Offb 18,7-15 ihren Sitz in einem symbolhaften Geschehen haben und nicht ohne weiteres etwas über die Qualen jenseits des Todes aussagen.

1.) kolazo strafen, züchtigen

Apg 4,21;
Die Sadduzäer "fanden keine Strafe" für die Apostel

2Petr 2,9
Der Herr weiß die Gottlosen aus der Versuchung zu retten, die Ungerechten aber aufzubewahren auf den Tag des Gerichts, um bestraft zu werden...
[nicht: um durch Gerichte errettet zu werden]

2.) kolasis Züchtigung Strafe

Mt 25,46
Und diese werden hingehen in die ewige Pein, die Gerechten aber in das ewige Leben.
Die Gegenüberstellung zeigt zwei Extreme, die sich überhaupt nicht aufeinander zubewegen.

1Joh 4,18
"Strafe (oder Furcht) ist nicht in der Liebe"
Im Gegensatz dazu heißt es in Hebr 12,6 "wen der Herr liebt, den züchtigt (paideuo: s.u.) er".

3.) basanizo foltern, quälen

Mt 8,29; Mk 5,7; Lk 8,28;
Die Furcht der Dämonen, schon vorzeitig - also vor dem Tag des Gerichts - gequält zu werden.

Mt 14,24; Mk 6,48
Das Schiff litt Not von den Wellen; oder: sie quälten sich mit den Rudern ab.

2Petr 2,8
Lot quälte seine gerechte Seele, als er tagtäglich die gottlosen Taten der Sodomiter mitansehen mußte [dies ist alles andere als erzieherisch, denn er setzte sich selbst völlig unnötigen Qualen aus].

Offb 9,5;
Ein Posaunengericht der Offenbarung: Die Menschen wurden 5 Monate gequält. Es gilt denen, "die nicht das Siegel Gottes an ihren Stirnen haben". Von den gleichen Menschen heißt es in Offb 14,10, daß sie "mit Feuer und Schwefel gequält werden vor den heiligen Engeln und vor dem Lamme. Und der Rauch ihrer Qual steigt auf von Ewigkeit zu Ewigkeit..."

Offb 11,10;
Die Gottlosen empfinden die Predigt des Evangeliums als Qual

Offb 12,2;
Qualen in Geburtswehen.

Offb 20,10;
Und der Teufel, der sie verführte, wurde in den Feuer-und Schwefelsee geworfen, wo sowohl das Tier ist als auch der falsche Prophet; und sie werden Tag und Nacht gepeinigt werden von Ewigkeit zu Ewigkeit

3.1.) basanismos das Quälen bzw Gequältwerden

Offb 9,5 (2x; s.o.);

Offb 14,11 (s.o.);

Offb 18,7+10+15
Die Qualen der Hure Babylon.

3.2.) basanistes der Folterknecht Mt 18,34.

3.3.) basanos die Folter, die Marter

Mt 4,24; körperliche Qualen

Lk 16,23+28
Der reiche Mann im Hades (s.o.)

Keines dieser Worte steht im Zusammenhang einer von Gott auferlegten Züchtigung, um bei dem Betroffenen eine Umkehr zu erreichen. Dafür hat die Schrift andere Begriffe, die vor allem der Wortfamilie "paid-" entstammen (etymologisch von pais > *paids: Knabe, Jüngling). Dazu gehört paideuo (erziehen, züchtigen), paideia (Erziehung, Unterweisung), paideutes (Erzieher), paidagogos (Erzieher, Zuchtmeister). Vgl dazu besonders 1Kor 11,32; 2Kor 6,9; Hebr 12,6-10; Offb 3,19.

Gott hat alles getan, um so viele Menschen wie möglich zu ihm zu ziehen. Das Werk Christi reicht aus für alle Menschen: "welcher sich selbst gab zum Lösegeld für alle" (1.Tim 2,6: griechisch hyper pantos: "für, zu jemandes Bestem", oder "im Interesse von" allen). Hier hat kein "Austausch des Lösegeldes stattgefunden, es liegt aber bereit für alle. Deswegen auch die Ermahnung, alle Menschen für das Heilsangebot im Blickfeld zu haben. Gott will alle erretten, wir sollen für alle beten, und Gott hat alles dazu getan, damit dies möglich wird: Er hat das Lösegeld für alle bereitgestellt. Aber es kann nur für diejenigen wirksam werden, die es hier und heute annehmen: "Der Sohn des Menschen ist gekommen,... um sein Leben zu geben als Lösegeld für viele" (Mk 10,45: ante pollon: "an Stelle von", "im Austausch gegen" viele [nicht alle]).

Das ganze Werk Christi ist nicht dazu geschaffen, Menschen jenseits, sondern diesseits des Todes zur Umkehr zu bringen. Welche Herausforderung ist dies für uns, Menschen diesseits des Todes das Evangelium zu verkündigen, um sie von dem ewigen Gericht zu erretten!

Nachtext

Quellenangaben