Zeitschrift-Artikel: Stimmen der Väter: ER fand sie wiederum schlafend

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Titel: Stimmen der Väter: ER fand sie wiederum schlafend
Typ: Artikel
Autor: Johann Jakob Rambach
Autor (Anmerkung):

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Titel

Stimmen der Väter: ER fand sie wiederum schlafend

Vortext

Text

Johann Jakob Rambach (1693-1735)

Geboren in Halle, als Sohn eines schlichten Tischlers. Schüler August Hermann Franckes und nach dessen Heimgang sein Nachfolger an der Theol. Fakultät in Halle. Nach acht Jahren reich gesegneten Dienstes in Halle Berufung nach Gießen als Prof. der Theologie und Direktor des Pädagogiums, wo er im Alter von erst 42 Jahren starb.

Rambach hat in seinem kurzen, aber rastlos tätigen Leben etwa 117 Bücher und Schriften geschrieben und ist der Verfasser vieler bekannter Lieder wie z.B. „Dein Erlösungswerk auf Er­den", „Wie herrlich ist's, ein Schäflein Christi werden", „Der Herr ist gut, in dessen Dienst wir stehn"

Die folgenden Gedanken sind aus seinen außerordentlich wertvollen „Betrachtungen der Leiden Christi", einem 840 Seiten starken Band, den er 1730 geschrieben hat, entnommen: 

„Er fand sie wiederum schlafend“ (Markus 14,40) 

1. Zu einer solchen Zeit seiner Gemächlichkeit
nachhängen, wenn Christus in seinen Gliedern leidet und kämpft, ist eine Sache, die einem Nachfolger Christi höchst unanständig ist.

Wie übel steht es, daß die Jünger schlafen, da ihr Herr und Meister weint und kämpft! Wenn das Haupt mit heftigen Schmerzen befallen ist, dann haben auch die Glieder weder Tag noch Nacht Ruhe.

Ständen wir also in einer recht innigen Glaubens- und Lebensgemeinschaft mit Jesus Christus, dann würden wir nicht unserer Gemächlichkeit nachhängen, wenn Er leidet.

Nun leidet Er zwar nicht mehr in seiner eigenen Person, aber wohl an seinem geistlichen Leib und in seinen Gliedern. Diese schläfrigen Jünger sind demnach Abbild solcher Personen, welche die Not der bedrängten Kirche nicht zu Herzen nehmen, welche es machen wie der Mundschenk, der nicht an den gefangenen Joseph dachte, sondern ihn vergaß (1. Mose 40,23).

Dagegen ruft uns der Hebräerbrief zu: „Gedenket der Gefangenen als Mitgefangene; derer, die Ungemach leiden, als solche, die auch selbst im Leibe sind" (Hebr. 12,3). Wohnst du, spricht ein gottseliger Lehrer, in einem Zedernhaus, so gedenke doch mit David, daß die Lade Gottes unter Teppichen wohnt (2. Sam. 7,2). Hast du Ruhe vor all deinen Feinden, dann ziehe im Geist mit dem übrigen Heerlager Gottes zu Felde und stehe wie ein Mann mit denen zusammen, welche von der Hölle andauernd bestürmt werden.

Tut die Welt schön, so denke, daß diese falsche Freundin deinen Brüdern umso weher tut. Will die Tochter Pharaos dich zu ihrem Sohn machen, so weigere dich dieser Ehre, und wähle lieber, mit dem Volke Gottes Ungemach zu leiden, als die zeitliche Ergötzung der Sünde zu haben (Hebr. 11,24).

Summa: Hüte dich auf alle Weise, daß du nicht zu denen gehörst, die in Amos 6,3-6 beschrieben werden: „… die auf Polstern von Elfenbein liegen und auf ihren Ruhebetten sich strecken, … und sich nicht grämen über die Wunde Josephs."

2. Je mehr man der geistlichen Trägheit nachhängt, desto mehr Gewalt pflegt sie über die Seele zu bekommen.

Da die Jünger sich nach der Ermahnung Christi nicht erwecken ließen, so sanken sie immer tiefer in die Schläfrigkeit hinein, so daß bald ihr armes Gemüt wurde wie ein leckes Schiff, in welches das Wasser durch unzählige Ritzen hineindringt. Ach, ist es bei einer Sünde nötig, sich ihrem An­fang zu widersetzen, so ist es nötig bei dem Laster der geistlichen Trägheit. Es geht damit, wie bei der geistlichen Schläfrigkeit. Wenn ein Müder denkt, er wolle sich nur ein wenig niederlegen, um einen Augenblick zu schlummern, so wird er oft derart vom Schlaf übermannt, daß er wohl einige Stunden nacheinander schläft.

Es hat die Trägheit ein bezauberndes Gift in sich und wenn man es einmal kostet, so stellt man fest, daß man einen Schlaftrunk eingenommen hat und aller Sinne beraubt wird. Wer klug ist, wird dem Anfang widerstehen.

3. In den Anfechtungen müssen die Wirkungen der Angst von den Wirkungen des natürlichen Verderbens wohl voneinander unterschieden werden.

Wir sehen, daß der Heilige Geist den elenden Zustand der Jünger mit großem Mitleid beschreibt: „ihre Augen waren beschwert". Dergleichen hohepriesterliche Entschuldigung findet sich auch in Joh. 16,6: „Traurigkeit hat euer Herz erfüllt." Da macht also Christus die Traurigkeit zum Täter und hat mit seinen Jüngern Mitleid „Er kennt unser Gebilde, ist eingedenk, daß wir Staub sind" Ps. 103,14). Er kann die Wirkungen der Angst von den Wirkungen der Bosheit unterschei­den. Aber der Teufel und der Verkläger wirft alles durcheinander und bildet einem bestürzten Gemüt andere Ursachen ein, welche umso leichter haften, wenn angefochtene und traurige Ge­müter sehen, daß es den Weltmenschen viel besser geht und daß sie fröhlich und lustig sein kön­nen. „Ach," denken sie dann, „haben diese denn ein reineres und leichteres Gewissen als wir? Mit uns scheint es nicht recht beschaffen zu sein!" Das sind schwere Anfechtungen, in welchen der barmherzige Hohepriester herzutreten und retten muß. Von Ihm muß auch ein Lehrer die Weisheit lernen, wie er mit solchen Seelen umgehen soll, damit er sie nicht mit der Keule vor den Kopf schlage, sondern sie durch einen wohlgegründeten Trost aufrichte.

Gebet:

„0 Du barmherziger und treuer Hoherpriester, der Du mit elenden Patienten so große Geduld und Mitleid haben kannst, Dir sei es geklagt, daß unsere verderbte Natur so geneigt und munter zum Bösen, aber so träge zum Guten ist, daß wir Dich so oft allein beten und kämpfen lassen, während wir liegen und schlafen. Du wollest uns aus Gnaden vergeben, aber auch durch den großen Ernst, den Du im Gebet bewiesen, unser träges Herz zu gleichem Ernst erwecken, durch Deine anhaltende Beständigkeit auch uns Beständigkeit im Gebet schenken, und durch die wiederholte Aufopferung Deines Willens unseren starken Willen kräftig zum Gehorsam beugen, um Deiner Leiden willen. Amen!"

Ermuntre dich, verzagter Geist,
und laß dein langes Klagen,
das dir nun Mut und Kraft entreißt!
Du sollst es einmal wagen,
dich wie 
ein Adler aufzuschwingen
und in des Himmels Glanz zu dringen,
weit über Sterne, Sonn' und Mond,
wo Jesus, dein Versöhner, wohnt.
Willst du dein traurig' Angesicht
nur auf dein Elend heften?
Was Wunder, daß es dir gebricht
an Freudigkeit und Kräften!
Weg mit den Augen von den Sachen,
die deinen Kampf nur schwerer machen,
und da voll Glauben hingeschaut,
wo dir dein Herr das Heim gebaut.
Ist dir das Kleinod noch zu klein,
bis auf das Blut zu streiten?
Du sollst ein Erbe Gottes sein
und seiner Herrlichkeiten.
Du sollst nicht nut von ferne stehen,
nach Kanaan wie Mose sehen;
du wohnst darinnen für und für:
was Jesus hat, das gibt Er dir.
Auf, auf, mein Geist, entschließe dich 
bis in den Tod zu kämpfen!
Ja, töte was dir hinderlich
und deinen Mut will dämpfen!
Willst du den Kranz der Ehren tragen,
so mußt du was für Jesus wagen.
Es wird die Krone, die so schön,
nur auf dem Haupt der Sieger stehn.

Nachtext

Quellenangaben