Zeitschrift-Artikel: Ein Brief aus einer Jugendstrafanstalt

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Titel: Ein Brief aus einer Jugendstrafanstalt
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Titel

Ein Brief aus einer Jugendstrafanstalt

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Text

Nach einigen Monaten bekamen wir letztens mal wieder ein Lebenszeichen von Bernd (Beatle), der vielen von Euch als ehemaliger Hausbewohner von Schoppen und Teilnehmer vieler Frei­zeiten in den Jahren 70-75 sicher noch unvergeßlich ist.

Da er sich sicher über Briefe von alten Bekannten freuen wird, haben wir unten seine jetzige Adresse veröffentlicht.

Hövelhof, 14.2.80

Lieber Wolfgang, liebe Ursula!

Du wirst Dich sicherlich über diesen Brief von mir wundern und zum anderen auch über die Schrift. Diese Zeilen schreibt für mich jemand anderes, da ich einen Arbeitsunfall hatte und mein rechter Arm verbunden ist.

Da ich nun krank bin, habe ich viel Zeit, um auch persönlichen Dingen einmal den Vorrang zu geben. Wie Du wahrscheinlich nicht weißt, befinde ich mich z.Zt. in einer Jugendstrafanstalt, in der Nähe von Paderborn (Hövelhof).

Der Grund, weshalb ich mich in dieser mißlichen Situation befinde, ist der, daß ich mich laut StGB wegen Beförderungserschleichung zu verantworten hatte. Damit Du es besser verstehst: ich bin für DM 2.40 mit dem Bus „schwarz" gefahren.

Ich war sehr überrascht, daß die CVJM-Gruppe und der hiesige Anstaltspfarrer Dich und Deinen Aufgabenbereich kennen. Wie läuft es denn mit den Freizeiten? Ich hoffe, Ihr habt Erfolg.

Ich bin sogar schon mit jemand in der Kirche aufgetreten und habe christliche Lieder vorgetra­gen: „Er spricht zu uns", „Laß mich an Dich glauben" und andere. Frage mich nicht, warum ich es tat, - wahrscheinlich habe ich immer noch einen kleinen Schlag davon. Ich beteilige mich hier - aus was für Gründen auch immer - mittwochs an einer Bibelstunde, bin in zwei Inter­aktionsgruppen und beim CVJM. Sonst hat man ja hier nichts und die Abwechslung tut ganz gut.

Zu dem CVJM habe ich gesagt, weil sie die Sache ganz falsch anfangen: „Salz sollt ihr sein, doch mit euch ist nichts los!" Sie reden immer um den heißen Brei herum. Ich finde, wenn man da­hintersteht, dann wird es auch für Außenstehende verständlich.

Jetzt zu etwas anderem. Ich werde voraussichtlich am 12.5. dieses Jahres entlassen. Dann hätte ich 6 Monate, was hier unter Mindeststrafe läuft, hinter mich gebracht. Ansonsten müßte ich hier bis zum 6. Juli verweilen. Aber den Umständen entsprechend kann ich davon ausgehen, daß ich im Mai entlassen werde.

Ich hoffe, Du hast meine Schallplatten noch, denn ich brauche sie. So wie ich Dich kenne, weißt Du wahrscheinlich gar nicht mehr, wo sie liegen, - stimmt's? Wohnt Harald eigentlich noch bei Euch oder hat er jetzt eine eigene Wohnung?

Möchte nun enden.

Grüß mir die Kinder und alle die mich kennen ganz lieb.

„Wir harren auf Recht, doch es ist nicht da, auf Heil und es ist ferne von uns" (aus Jes. 59,1-15).

Euer Bernd

 

Adresse z.Zt: Bernd Dehnert
Theodor-Fliedner-Platz 2
4791 Hövelhof

Nachtext

Quellenangaben