Zeitschrift-Artikel: Anatomie der Jüngerschaft (2. Teil)

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Titel: Anatomie der Jüngerschaft (2. Teil)
Typ: Artikel
Autor: Michael Herzog
Autor (Anmerkung):

online gelesen: 2025

Titel

Anatomie der Jüngerschaft (2. Teil)

Vortext

Text

 


„Darum gehet hin und machet alle Völker zu Jüngern!"
(Matth. 28,19)
Als der Herr Jesus seinen Jüngern und uns den Auftrag gab, alle Völker zu Jüngern zu machen, praktizierte er die in Israel damals übliche Metho­de, Interessierte in das geistliche Leben einzufüh­ren. Meistens kamen die Schüler als 12 bis 14—jäh­rige zu einem Rabbi, bei dem sie bis zu 7 Jahre lernten. Sie gehörten für diese Zeit zur Familie des Rabbi. Der Rabbi war jetzt ihr Vater geworden. Ihre Familie hatte jedes Anrecht auf sie verloren. Auch Jesus Christus hat als Rabbi drei Jahre lang so mit seinen Jüngern gelebt. Er hat mit ihnen gegessen, ist mit ihnen durch die Dörfer und Städte gezogen und hat ihnen die Schrift erklärt. Sein eigenes Verhalten war der beste Unterricht. Jesus von Nazareth hat seine Jünger nicht einfach zur wöchentlichen Bibelstunde und zum Gottesdienst zusammengerufen, sondern ER hat sein Leben mit ihnen geteilt.
Damit haben wir die beste Erklärung von dem, was unser Herr unter „Jüngermachen" versteht. Wir werden deshalb die Evangelien, die Taten und die Briefe seiner Apostel daraufhin durch­lesen müssen. Eines fällt uns sofort auf: Jünger­schaft ist nicht dasselbe wie Bekehrung. Jünger­schaft und „Jüngermachen" beschreibt mehr: Ich eigne mir ein neues Lebensziel und eine neue Lebensweise durch ein enges Verhältnis zu einer anderen Person an. Das Wort Jüngerschaft bein­haltet also einen Lernprozeß, eine Hingabe an den Herrn Jesus selbst. Sein Jünger werden heißt, Sein Nachfolger werden.

„Jüngermachen" - dieser Auftrag steht im Missionsbefehl in Matth. 28,19-20 im Mittel­punkt. Hingehen zu den Menschen ist dabei nur  die Einleitung, Taufen und Lehren die beigeord­neten Tätigkeiten, die das „Jüngermachen" ein­schließt.
„Jüngermachen" müssen wir abgrenzen vom Bibelunterricht für Neubekehrte oder der Anlei­tung zu persönlicher Evangelisation. „Jünger-machen" heißt mehr als nur einer Gemeinde als Pastor (=Flirte) vorzustehen und unterscheidet sich von jeder unpersönlichen, gruppenstruktu­rierten, theologischen Ausbildung.
„Jüngermachen" ist auch kein neuer „mo­derner" Ausdruck für Zweierschaft, obwohl dieses persönliche seelsorgerliche Umgehen miteinander für unser geistliches Wachstum sehr wichtig ist.
Was will also „Jüngermachen" und „Jünger­schaft" aussagen? Ich will die fortschreitende Entwicklung des Lebens Jesu im Leben des Bru­ders bzw. der Schwester fördern. Ich möchte den anderen in seiner geistlichen Entwicklung unter­stützen und begleiten.

Aus den Schriften des Neuen Testamentes möchte ich uns nun einige Prinzipien der Jünger­schaft erläutern:

1.  Jüngerschaft beruht auf einer engen persön­lichen Beziehung.
Unser Ziel dabei ist es, in unserem Denken, Fühlen und Verhalten dem Herrn Jesus ähnlicher zu werden. Ich teile dem anderen mein Leben mit. ,Und er kann sein Leben mit dem meinen ver­gleichen, so wie ich mein Leben mit dem Leben Jesu vergleiche. Das setzt bei mir ein intensives Leben mit dem Herrn Jesus Christus voraus.
Das Verhältnis zueinander ist daher nicht durch den Gegensatz Lehrer — Schüler bestimmt, sondern durch LIEBE. Es ist eine Beziehung zwischen mehreren Personen, die gemeinsam dem Herrn Jesus nachfolgen wollen.

2.  Jüngerschaft ist nur mit einer begrenzten An­zahl von Christen möglich, mit denen ich enge persönliche Gemeinschaft praktizieren kann.
Luis Palau z.B. war jeweils drei Stunden an je drei Tagen in der Woche drei Jahre lang mit einem Missionar zusammen, der ihn in die Jünger­schaft Jesu einwies. Er hat kein theologisches Studium.
Der Herr Jesus
„ging auf einen Berg und rief zu sich, wen er wollte . . . Und er setzte zwölf ein, . . . die sollten bei ihm sein . . . " Mk. 3,13-14.

 

3.  „Jüngermachen" beinhaltet auch, daß ich andere an meiner Aufgabe im Reich Gottes teilhaben lasse.
Zu oft behalten wir unsere Angelegenheiten, unsere Aufgaben und Probleme für uns. Vorschläge unterbreiten wir meist erst dann, wenn wir über­zeugende Argumente für unsere Anliegen vorbringen können. Unser persönlicher Entscheidungsprozeß ist dann fast immer schon abgeschlossen. Erastus, Trophimus und andere; genau so, wie Paulus selbst für einen guten Rat offen blieb. Paulus hat uns ein anderes Vorbild gegeben. Er hat andere an seiner Aufgabe beteiligt. Er hat sie aber dann mit ihren Aufträgen nicht alleinge­lassen, sondern sich persönlich für ihre Aufgaben verantwortlich gefühlt. Er hat ihnen auch noch später, als sie schon selbständig Verantwortung wahrnahmen, Ratschläge erteilt. Und sie nahmen diese Hilfe an: Silas, Lukas, Markus, Timotheus, Titus, Demas, Crescens, Artemas, Tychikus,Jüngerschaft verhindert so, daß wir und auch andere zu Einzelgängern werden. Jüngerschaft stellt uns in ein Team, schenkt uns das Bewußt­sein, von anderen geachtet und angenommen zu werden. Jüngerschaft läßt uns geistlich wachsen. Niemand wird allein gelassen. Niemand wird zur Seite geschoben. Jüngerschaft gibt uns und auch dem anderen die Chance, Jesus Christus ähn­licher zu werden.

Nachtext

Quellenangaben