Georg von Viebahn
1840 – 1915
"Ein Soldat Jesu Christi, ein wirkungskräftiger Evangelist des deutschen Offizierstandes und des deutschen Heeres in Schrift und Rede, ein Christ mit großer geistlicher Vollmacht, ein Mann des allgemeinen Priestertums und in seiner kompromißlosen Art ein evangelischer Christ ohne Konfession, für sich ganz eng, für andere weitherzig", - so charakterisiert F. Hauss diesen Mann in "Väter der Christenheit".
Von Viebahn erlebte als 15jähriger seine Bekehrung und war von diesem Zeitpunkt an ein entschiedener Zeuge seines Herrn. Daran änderte auch seine Karriere als Soldat nichts. Es war ihm ein besonderes Anliegen, das Evangelium unter den Soldaten zu verbreiten, und so begann er 1895 damit, Traktate unter dem Titel "Zeugnisse eines alten Soldaten an seine Kameraden" zu schreiben. In den folgenden 21 Jahren sind von ihm 1.100 solcher Traktate verfaßt worden, die eine Auflagenhöhe bis zu 170.000 erreichten und zu den weitverbreitetsten Traktaten im deutschen Sprachraum gehörten. Trotz seiner hohen sozialen Stellung blieb er Bruder unter Brüdern und wies jede Ehrung im Blick auf seine Position zurück. "Lassen sie den 'General' beiseite und den 'Bruder' voranmarschieren" (zit. aus G. Jordy "Die Brüderbewegung", Bd. 2). 1896 nahm Georg von Viebahn seinen Abschied als Generalleutnant um nun mit ungeteilter Kraft das Evangelium zu verkündigen und wurde bald als begabter und gesegneter Evangelist im In- und Ausland bekannt. Ab 1899 gab er zusätzlich das Vierteljahresblatt "Schwert und Schild" heraus und verfaßte eine Anzahl Broschüren, um dem Volk Gottes zu dienen. Aus einer dieser Schriften mit dem Titel "Bruderliebe" stammt der folgende Aufsatz, der für unsere Situation sehr aktuell ist.
DIE WAHRHEIT FESTHALTEND IN LIEBE Das Wort Gottes betrachtet die Gemeinschaft der Gläubigen als eine geschlossene Einheit, bei welcher es ein ebenso klares "Drinnen" oder "Draußen" gibt, wie es in ,Noahs Tagen ein Geborgensein in der Arche 'und ein Verlorensein außerhalb derselben gab. Drinnen soll die Anbetung und Verherrlichung Gottes, die Gemeinschaft, der Heiligen sein, draußen die Welt und der Dienst der Vergänglichkeit. Innerhalb soll Zucht geübt, das Böse ferngehalten werden (vgl. 1. Kor. 5,9-13). Die Gläubigen "drinnen" tragen Verantwortung sowohl für die Reinheit und Treue des Wandels als für die Reinheit der Lehre und die Bewahrung des Wortes Gottes (1. Tim. 4,16; 2. Tim. 3,13-17; Tit. 3,10.11). Diese klare Scheidung zwischen Kindern Gottes und Kindern der Welt ist vielen gläubigen Christen der Gegenwart unbekannt. Die Begriffe über diese wichtige Wahrheit sind verwirrt, seit man in der Namenchristenheit Gläubige und Ungläubige vermischt hat. Jedoch in unseren Tagen scheidet sich wieder - Gott sei dafür gepriesen! - wahres und falsches Christentum. Je mehr dies geschieht, desto mehr tritt auch bei den Gläubigen das Bedürfnis nach brüderlicher Einheit und Gemeinschaft hervor. Da aber unter denen, die dem Worte Gottes glauben, große Verschiedenheiten bestehen betreffs wichtiger Punkte der Lehre und der Gemeinschaft, so kann man nicht mit allen bibelgläubigen Christen, auch wenn man sie als Brüder liebt, in jedem christlichen Werke dauernd gemeinsam arbeiten. Die Wege sind zu verschieden. Diese Meinungsverschiedenheiten kann man auch nicht durch Aussprachen wegschaffen. Wohl sollte jeder Bruder bereit sein, zu helfen und mit dem Wort zu dienen, wenn er von treuen Geschwistern darum gebeten wird; es gibt auch mancherlei Gelegenheiten zum gemeinsamen Dienst und Zeugnis. Aber für dauernde gemeinsame Arbeit z.B. in einem Werke der Mission findet doch das Wort Anwendung: "Wandeln wohl zwei miteinander, es sei denn, daß sie übereingekommen sind?" (A m o s3,3.) Das Wort Gottes weist uns deshalb an, damit die erkannte Wahrheit nicht preisgegeben und damit die Bruderliebe nicht verletzt werde: "die Wahrheit festzuhalten in Liebe" (Eph. 4,15). Dies ist ein überaus wichtiges und ernstes Wort. "Halte fest, was du hast, auf daß niemand deine Krone nehme!" (Off b. 3,11.) Was meint das Wort mit dem: "Was du hast"?Sicherlich doch dies: Was du besitzest an Gewißheit der Gnade, an persönlichem Umgang mit dem Herrn, an Gründung in das göttliche Wort, an biblischer Darstellung der Gemeinde Gottes, an klarer Stellung gegenüber der Welt, an Kraft des Zeugnisses, an lebendiger Hoffnung auf die nahe Wiederkehr des Herrn -halte es fest! Mache keine Zugeständnisse betreffs der erkannten Wahrheit - aber halte es fest in Liebe gegen die Brüder! Sobald die Einheit des Geistes gefährdet wird durch Gegensätze der Lehre oder des Weges, und man will sich nun befleißigen, sie im Bande des Friedens zu bewahren, indem man die Wahrheit in Liebe festhält, ist das erste Bedürfnis:eine wahre, vor dem gegenwärtigen Herrn in den Staub gebeugte Demut. Wenn ich wirklich den anderen höher achte als mich selbst, so werde ich vor der Gefahr eines anmaßenden Auftretens bewahrt sein.
Wenn ich in dem Bruder, welcher einen anderen Weg geht, einen Geliebten und Begnadigten meines Herrn erkenne, kann ich die erkannte Wahrheit festhalten in Liebe, ohne Streit, ohne Erregung, ohne erhobene Stimme, ganz still, ganz schlicht und doch ganz fest. Petrus ermahnt: "Alle aber seid gegeneinander mit Demut fest umhüllt; denn Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er Gnade" (1. Petr. 5,5). Wir kommen so leicht dazu, uns auf Grund unserer vermeintlichen Erkenntnis oder Bewährung über andere Gläubige zu erheben. Paulus ermahnte:"Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben worden, jedem, der unter euch ist, nicht höher von sich zu denken, als zu denken sich gebührt, sondern so zu denken, daß er besonnen sei, wie Gott einem jeden das Maß des Glaubens zugeteilt hat" (R öm. 12,3). Alle Gläubigen sind dazu berufen, zu wachsen in Jesu Bild. (2. Kor. 3,18.) Christus ist das Haupt,"aus welchem der ganze Leib, wohl zusammengefügt, und verbunden durch jedes Gelenk der Darreichung, nach der Wirksamkeit in dem Maße jedes einzelnen Teiles, für sich das Wachstum des Leibes bewirkt zu seiner Selbstauferbauung in Liebe" (Eph. 4,16). Je länger man diese kostbaren Worte betrachtet, desto wichtiger werden dieselben für die gegenwärtige Zeit. Wenn überall die bibelgläubigen Christen für ihr Teil bestrebt sind, zu wachsen und ihre Lebenskräfte vom Haupt her zu empfangen, bewahrt in Liebe gegen alle Geschwister, so wird der Herr verherrlicht werden. Die Welt wird ein Zeugnis empfangen von der Einheit unseres Glaubens auch dann, wenn die Gläubigen nicht in der Lage sind, in einheitlicher Erkenntnis und einheitlicher Darstellung der biblischen Wahrheit zu wandeln. Auch wird sich sowohl durch den mündlichen als durch den schriftlichen Dienst manches "Gelenk der Darreichung" zeigen, durch welches Gott den Seinigen Gaben zur Auf erbauung des Leibes schenkt. Wenn man gedenkt, wie viele und große Segnungen der Herr Seiner ganzen Gemeinde ohne Rücksicht auf menschliche Benennungen und Sonderstellungen durch einzelne Seiner gesegneten Knechte gegeben hat und gibt, so versteht man dies Wort; es gilt heute ebenso völlig, wie in den Tagen der Apostel. Kein treues Kind Gottes kann Wege, mitgehen, sich an Arbeiten beteiligen oder sich Zeremonien unterwerfen, welche im Widerspruch stehen mit der eigenen Erkenntnis des göttlichen Wortes und Willens. Aber das schließt doch nicht aus, daß wir teuren Kindern Gottes, die auf einem anderen Boden der Erkenntnis stehen, dienen und helfen, sie als liebe Gäste in unser Haus aufnehmen. So können wir treuen Brüdern dienen und selbst von ihnen Gewinn, Ermutigung und Freude haben. Auch können wir manches gute Werk, das jene für den Herrn tun, mit unseren Gaben stützen. Wie viele teure Kinder Gottes bedürfen heute der Ermutigung und Tröstung! Das Herz und das Haus jeden wahren Kindes Gottes sollte nach dem Willen des Herrn allen denen offen stehen, welche als Zeugen der Wahrheit und der Gnade diese arge Welt durchschreiten. Je mehr dies geschieht, um so mehr wird das Wort und der Wille des Herrn erfüllt werden: "Auf daß sie alle eins seien, gleich wie du, Vater, in mir und ich in dir, auf daß auch sie in uns eins seien, auf daß die Welt glaube, daß du mich gesandt hast" (Joh. 17,21). Dies ist das Begehren unseres hochgelobten Herrn. Dasselbe soll nicht dadurch erfüllt werden, daß man Zugeständnisse macht auf Kosten der erkannten Wahrheit; sondern nur dadurch, daß man die Wahrheit festhält in Liebe. Zu dem Worte "in Liebe" gehört auch dies, daß man den Kindern Gottes gegen über die Gelegenheiten sucht und benützt, um ihnen Beweise der Liebe und Teilnahme zu geben, z.B. in Krankheit, Not, Trauer. Das Vorstehende empfängt eine helle Beleuchtung, sobald man sich vorstellt, daß alle Bekenner Jesu in einer schweren Verfolgung mit dem Tode bedroht würden. In diesem Augenblick würden alle Gläubigen als Brüder und Schwestern sich verbunden wissen und demgemäß füreinander, einstehen. Diese Verfolgung findet augenblicklich nicht statt; der Herr gestattet sie dem Feinde nicht. Trotzdem aber sind wir alle von diesem haßerfüllten Feinde bedroht, der, wenn er es vermöchte, das Zeugnis des Glaubens völlig auslöschen würde. Wir gehen alle durch das Reich des Todfeindes Jesu und der Gläubigen. Alle sind in Gefahr, alle bedürfen göttliche Bewahrung und Hilfe. "Wir werden durch Gottes Macht durch Glauben bewahrt zur Errettung" (1. Petr. 1,5).
Möchten wir in dieser ernsten Zeit die brüderliche Liebe nicht versäumen noch verletzen!
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