Zeitschrift-Artikel: Gehörlose - ein vergessenes Missionsfeld?

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Titel: Gehörlose - ein vergessenes Missionsfeld?
Typ: Artikel
Autor: J. Reich
Autor (Anmerkung):

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Titel

Gehörlose - ein vergessenes Missionsfeld?

Vortext

Text

Es gibt kein Land der Erde, in dem es keine Gehörlosen (Taubstumme, wie man früher sagte) gibt.
Aber heute wollen wir nicht über weit entfernte Länder sprechen.

Allein in der Bundesrepublik Deutschland gibt es ca. 50.000 Gehörlose und Schwerhörige. Diese Gehörlosen haben kaum Möglichkeiten, das Evangelium zu "hören". Gehörlose können nicht in einen Gottesdienst oder zu einer Evangelisation gehen.
Auch die Kinder können nicht an einer Kinderstunde teilnehmen. Sie würden von der ganzen Predigt vielleicht zwei bis zehn Worte verstehen, mehr nicht. Gehörlose können auch nicht einfach das Radio einschalten und den Evangeliumsrundfunk hören.

Christliche Bücher und die Bibel sind für Gehörlose schwer zu lesen, da die meisten einen viel kleineren Wortschatz haben als Hörende. Gehörlose müssen jedes Wort und die Bedeutung der Worte auswendig lernen. Wie schnell man Auswendiggelerntes wieder vergißt, weiß jeder von uns.
Natürlich lernen Gehörlose in der Schule lesen und schreiben, vom Mund ablesen und sprechen.
Trotzdem bleibt der Wortschatz der meisten Gehörlosen klein, weil sie sich auch nur sehr schwer mit Hörenden unterhalten können.
Gehörlose müssen jedes Wort vom Mund ablesen; das ist sehr schwer, weil wir Hörenden meist sehr schnell sprechen und die Worte nicht deutlich genug mit den Lippen formen.

Wie schwer es ist, vom Munde abzulesen, kann jeder selbst prüfen. Dazu stellt man sich am besten vor einen Spiegel und versucht, nur an der Mundstellung den Unterschied zwischen den Worten Heide und Seide oder Elle und alle zu SEHEN. Der Gehörlose muß nicht nur Worte, sondern ganze Sätze vom Mund ablesen.
Andererseits ist es für Hörende oft schwer, Gehörlose zu verstehen, da viele Gehörlose unartikuliert sprechen, weil sie sich selbst nicht akustisch kontrollieren können.

Ein gutes Beispiel von den Problemen der Gehörlosen gibt folgende kleine Geschichte:
Ein neunjähriges Mädchen fragte seine Eltern: "Werde ich gleichzeitig mit Euch in den Himmel kommen?" Die Eltern fragten zurück: "Warum willst du das wissen?"
Das Kind antwortete: "Ich habe Angst, zuerst in den Himmel zu kommen; vielleicht versteht Jesus meine Gebärdensprache nicht, oder ich verstehe Jesus nicht."
Hier können wir ein anderes Problem der Gehörlosen sehen. Sie sind oft einsam. Sie haben wenig Kontakte, weil sie ihre Gefühle und Gedanken nur schwer ausdrücken können.
Wenn Gehörlose unter sich sind, unterhalten sie sich in der Gebärdensprache, d.h., jedes Wort wird mit den Lippen geformt und von einer Gebärde begleitet.
Aber trotz der Gebärden gibt es viele Mißverständnisse zwischen Gehörlosen. Besonders abstrakte Begriffe und Dinge über das geistliche Leben sind für sie
schwer zu verstehen. Auch übertragene Bilder können sie nur sehr schwer einordnen. Ein Beispiel: Ein gehörloser Junge hatte etwas angestellt. Die Erzieherin sagte zu ihm: "Du bist ein Lausbub!"
Erschrocken fragte er zurück: "Habe ich Läuse?" - Wir lachen über diese Geschichte. Aber sie zeigt, wie schwer es für Gehörlose ist, Abstraktes oder übertragene Bilder zu verstehen.

Wir haben jetzt etwas von den Problemen Gehörloser gesehen. Aber auch sie müssen das Evangelium "hören".
Es ist sehr interessant zu sehen, daß Gehörlose in der Bibel eine besondere Verheißung haben: "Zu der Zeit werden die Tauben (Gehörlosen) hören die Worte des Buches." (Jesaja 29,18).
Diese Verheißung erfüllt sich heute. Seit langem schon hat die Evangelische Kirche Gottesdienste für Gehörlose. Aber dort haben sie wenig Möglichkeiten die Bibel wirklich kennenzulernen und das Evangelium zu hören.
Der Gottesdienst findet ein- oder zweimal im Monat statt, und Bibelstunden gibt es nur selten. Doch Gott führt wunderbar. Seit einigen Jahren gibt es für Gehörlose in Deutschland auch die Möglichkeit, die Bibel besser kennenzulernen.

Im Jahr 1964 fing in Stuttgart die Arbeit der Christlichen Gehörosengemeinschaft an. Gehörlose selbst fingen an, Bibelstunden zu halten. Heute gibt es in verschiedenen Städten in Deutschland Christliche Gehörlosengemeinschaften: in Hamburg, Hannover, Lüdenscheid, Mülheim-Ruhr, Rottweil und Stuttgart. In der Christlichen Gehörlosengemeinschaft halten Gehörlose selbst Bibelstunden und Gottesdienste.

Gehörlose können am besten anderen Gehörlosen das Evangelium bringen. Durch die Arbeit der Christlichen Gehörlosengemeinschaft lernen sie die Bibel besser kennen. Wir halten Bibelstunden, Gottesdienste, Kinderstunden, Bibelfreizeiten und Mit-arbeiterschulungen für Gehörlose.

Das Ziel der Christlichen Gehörlosengemeinschaft ist: Gehörlose zu Jesus zu führen, sie im Wort Gottes zu schulen und ihnen zu helfen, mehr und mehr selbst die Verantwortung in der Gemeinde zu übernehmen.
Es ist wunderbar, daß Gehörlose selbst die Bibel studieren und dann auch das tun, was sie in der Bibel als Gottes Willen erkannt haben.
Neue Gehörlose zu den Bibelstunden oder Gottesdiensten einzuladen, ist nicht einfach. Sie haben große Angst vor Sekten, weil sie wenig von der Bibel wissen und deshalb nicht genau prüfen können, was biblisch ist.

Aber es gibt noch einen anderen Grund, warum Gehörlose schwer zu den Gottesdiensten kommen. Die meisten gehen zum Gehörlosen-Sportverein und haben deshalb wenig Zeit, zum Gottesdienst zu kommen.
Manchmal denken wir, der Teufel versucht besonders die Gehörlosen durch alles mögliche vom Gottesdienst wegzuhalten. Aber es ist ermunternd, zu sehen, wie Gott die Arbeit unter ihnen segnet, auch wenn die Ge-meinschaften nur sehr sehr langsam wachsen.

Bitte betet für die große Not unter den Gehörlosen. Betet, daß noch viele zum lebendigen Glauben an Jesus kommen. In Hes. 22,30 sagt Gott: "Ich suchte unter ihnen, ob jemand sich zur Mauer machte und wider den Riß stünde vor mir für das Land (für die Gehörlosen), daß ich's nicht verderbe."

Wollen wir uns zur Mauer machen und für die Gehörlosen im Gebet vor Gott stehen?

Rückfragen bitte an Jutta Reich

Christliche Gehörlosengemeinschaft Sievekingsallee 147 a, 2000 Hamburg 74

Nachtext

Quellenangaben