Zeitschrift-Artikel: Die Gaben an die Gemeinde (Schluß)

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Titel: Die Gaben an die Gemeinde (Schluß)
Typ: Artikel
Autor: Ralf Müller
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Titel

Die Gaben an die Gemeinde (Schluß)

Vortext

Text

In den ersten beiden Teilen dieser Artikelreihe lag der Schwerpunkt auf den in Epheser 4,11 genannten Personen-Gaben. Dabei ging es um Personen, deren Lebenswerk durch das Ausüben bestimmter Aufgaben gekennzeichnet ist. Die Bibel spricht aber nicht nur über die Gaben, die bestimmte einzelne Personen charakterisieren, sondern auch über Fähigkeiten, die alle Gläubigen haben und die in bestimmten Situationen als Tätigkeiten ausgeübt werden. In 1Korinther 12 und Römer 12 werden sie beschrieben. Die dritte Folge dieser Artikelreihe enthielt dazu einige allgemeine Anmerkungen - besonders zur zeitlichen Einordnung und der Stoßrichtung der Gaben. Bei den "Zeichengaben" wie Sprachenreden und Heilungen glaube ich von der Bibel her, daß sie heute im Normalfall nicht auftauchen. Das massive Auftauchen von vergleichbaren Erscheinungen wird m.E. von der Bibel nicht gedeckt. Die "Zeichengaben" halte ich grundsätzlich für Gaben in der Anfangszeit der Gemeinde. Wegen weiterer Fragen verweise ich auf Heft 4/94; in dieser Folge gehe ich darauf nicht weiter ein. Dieses Mal sollen kurze Hilfestellungen zu einzelnen Gnadengaben oder Wirkungen des Heiligen Geistes gegeben werden.

"Welche Gnadengabe habe ich?"

Ein Patentrezept dazu kann wohl niemand geben. Wir sollten es uns jedoch nicht unnötig schwer machen. Eine Möglichkeit ist sicher, daß wir in der Praxis versuchen, unsere Fähigkeiten für den Herrn einzusetzen. Im Lauf der Zeit werden wir sehen, ob wir bleibende Freude daran behalten, ob Nutzen für andere daraus entsteht und ob der Herr diese Fähigkeit unter Seinem Segen "kultivieren" möchte. Das Prinzip "Learning by doing" hat sich in Bereichen, in denen der Praxisbezug wichtig ist, bewährt. Mein Eindruck ist, daß man so auch im Hinblick auf die Gaben lernt. Wenn wir also das, was wir dabei als von Gott geschenkte Fähigkeit entdecken, in Abhängigkeit von Ihm tun und ganz in Seinen Dienst stellen, dann entspricht unser Tun dem, was die Bibel als das Ausüben von Gnadengaben beschreibt.

Die Gnadengaben werden uns von Gott gegeben. Ein wichtiger Gedanke ist deshalb, ob wir sie auch entsprechend Seinem Willen einsetzen. Nur: Wie soll das geschehen? Wer von uns hat Ihn je gesehen? Wer von uns hat mit Ihm von Angesicht zu Angesicht gesprochen? Wie sollen wir das, was Er uns geschenkt hat, denn eigentlich richtig einsetzen? Wie sollen wir wissen, was wir wann wo wie einsetzen sollen? Eine Menge Fragen - und die Antwort darauf scheint mir in dem zu liegen, was in Röm 12,3b "Maß des Glaubens" genannt wird.

Maß des Glaubens

Unser Glaube wird durch das geformt, was wir vom Wesen und Willen Gottes erkennen. Wie das geschieht und welche Bereiche unseres Lebens das umfaßt, hatte ich schon in der letzten Folge angesprochen. Wir zeigen Ergebenheit unter Gottes Willen, indem wir nach Gottes Reich trachten (Mt 6,33). Durch Gebet erfragen wir Seinen Willen (vgl Apg 22,10; Jk 1,5f; Philp 4,6t). Und in der Bibel haben wir alles, was nötig ist, um von Gott unterwiesen zu werden (Ps 119,105). Darüber hinaus kann Er uns auch mit Menschen zusammenführen, die uns Seinen Willen näher erläutern (Apg 18,26; Spr 11,14; 15,22 24,6). Er spricht zu uns - wir müssen es nur wahrnehmen. Glaube hinsichtlich dessen, was wir tun sollen, ist das Ergebnis davon. Daraus entsteht Vertrauen auf den Herrn, der uns etwas zuteilt.

Das Maß des Glaubens beschreibt auch die Grenzen des Ausübens von Gnadengaben. Eine Gefahr ist, daß wir den uns gesteckten Rahmen überschreiten. Dabei müssen wir immer bedenken, daß unser Glaube nur für den uns anvertrauten Tätigkeitsbereich ausreicht. Überschreiten wir diese Grenze, wird Versagen früher oder später die Folge sein. Eine andere Gefahr ist, daß wir etwas, von dem wir wissen, daß wir es tun sollen, eben nicht tun.

Ein Über- bzw. Unterschreiten des uns zugeteilten Maßes des Glaubens ist Sünde. Röm 14,23 zeigt das im Hinblick auf Bereiche, für die wir keinen Glauben haben. Und in Jak 4,17 finden wir den Fall, daß wir uns zugeteilte Aufgaben nicht wahrnehmen. Als Beispiel sei hier der Bericht des Auftrags Gottes an Mose in bezug auf den Pharao erwähnt. Gott wurde bei den Einwänden Moses, er könne nicht reden, zornig (2Mo 4,14ff). Wer könnte unsere Fähigkeiten besser beurteilen als unser Schöpfer und Herr? Wenn wir also um einen Auftrag von Ihm an uns wissen, dann ist es unsere Aufgabe und Verantwortung, ihn auch auszuführen.

Die Gnadengaben im einzelnen

Bei den im Folgenden genannten Gnadengaben handelt es sich - wie schon im vorigen Teil erwähnt wurde - nach meiner Überzeugung überhaupt nicht um eine vollständige Aufzählung.

Eine eindeutige Abgrenzung der einzelnen Tätigkeiten ist nicht möglich.       Als Beispiel möchte ich die Hilfeleistungen nehmen. Eine Hilfe für andere kann in vielem bestehen: Einmal kann sie ein Wort der Tröstung oder Ermahnung sein, dann eine materielle Hilfe oder auch ein Wort der Weisheit. Überschneidungen und ins Detail gehende Abgrenzungen können hier jedoch nicht sehr vertieft werden. Der Platz reicht nur für einen kurzen Abriß mit der Hoffnung, daß er als Hilfestellung für das tägliche Leben nützlich ist. Auch das wäre Hilfeleistung.

Der Ausdruck "Gaben" zeigt auf, daß es sich um Geschenke des Gottes handelt, der durch Fähigkeiten und Taten von Gläubigen andere segnen will. Man könnte diese Gaben auch als Befähigungen bzw. als Aufgabe für bestimmte Situationen bezeichnen. Ein Studium der Aussagen der beiden Abschnitte soll aber Anleitung geben, Befähigungen und Aufträge herauszufinden, die der Herr Jesus jedem persönlich zum Nutzen und Segen für die Gemeinde gegeben hat. Beim weiteren Lesen der Bibel kann man die Erwähnung weiterer derartiger Fähigkeiten entdecken.

Offenbarung des Geistes

Sie wird in 1Kor 12,7 genannt. Die Bedeutung des Wortes für "Offenbarung" ist "etwas sichtbar machen, was sonst verborgen bliebe." Dasselbe griechische Hauptwort wird auch in 2Kor 4,2 verwendet. In Röm 1,18ff zeigt das entsprechende Verb an, daß ohne die sichtbare Schöpfung Gottes bestimmte Aspekte von Weisheit und Kraft verborgen geblieben wären. In 1Kor 14,25 wird das, was im Herzen eines Menschen verborgen ist, durch prophetisches Reden offenbar. Allgemein kann man aber sagen, daß Offenbarung des Geistes das beschreibt, was der Heilige Geist ans Licht bringen will. Das ist in der Hauptsache die Herrlichkeit des Herrn Jesus Christus (vgl Joh 16,14), das Evangelium (2Kor 4,20, die Rechtfertigung durch Glauben (Röm 3,21) - insgesamt gesehen die Offenbarung des Geheimnisses der Verbindung von Christus mit den Gläubigen (Kol 1,25f0.

Wort der Weisheit

Das Wort der Weisheit wird in 1Kor 12,8 erwähnt. Göttliche Weisheit, wie sie in der Bibel beschrieben wird (vgl besonders 1Kor 2,5ff), steht im Gegensatz zur Weisheit dieser Welt - der Philosophie (1Kor 1,17ff). Göttliche Weisheit folgt aus der Offenbarung des Willens und des Ratschlusses Gottes (vgl dazu Röm 11, 32f0 allgemein und im Besonderen (Röm 12,1ff; Kol 1,9ff), um ihn dann auf konkrete Situationen anzuwenden. Sie hat ihren Ursprung von Gott her (Jak 3,17) und steht im Gegensatz zu dämonischer Weisheit, deren Konsequenz Neid, Streit, Zerrüttung und jede schlechte Tat ist. Ein praktisches Beispiel für ein solches Wort göttlicher Weisheit ist die Rede von Jakobus in Apg 15,13ff. Jakobus löste dadurch die Anspannung, die durch die Frage aufgekommen war, inwieweit das Gesetz Anwendung auf die Gläubigen aus den Völkern haben sollte.

Wort der Erkenntnis

Ebenso wie bei der Weisheit ist hier die Gefahr, Erkenntnis mit theoretischer Kenntnis zu verwechseln. Die Korinther taten dies wohl; dagegen bezog Paulus dann auch Stellung (1Kor 8,1ff). Die Unvollkommenheit menschlicher Erkenntnis wird in 1Kor 13,12 deutlich gemacht, wo auch gesagt wird, daß sie abgelöst werden wird durch die vollkommene Erkenntnis. Die beschränkte Erkenntnisfähigkeit des Menschen ist also kein Grund des Rühmens. Wirkliche Erkenntnis, die als Inhalt den Herrn Jesus und den großen Gott hat, wird etwas von der Herrlichkeit Gottes weitergeben, die man im Angesicht des Herrn Jesus gefunden hat (2Kor 3,18). Derart ist wohl das Wort der Erkenntnis in 1Kor 12,8b gemeint.

Glaube

Der in 1Kor 12,9a genannte Glaube ist weniger der rettende Glaube, durch den wir einmal zu Gott gekommen sind (vgl Eph 2,8; Röm 3,22). Die Verbindung mit 1Kor 13,2 scheint mehr auf Glauben hinzudeuten, der in besonderen Situationen sozusagen Berge versetzt. Das meint Situationen, die uns vor schier unlösbare Probleme stellen, für deren Lösung ein besonderes Glaubensvertrauen nötig ist. Die Jünger hatten einmal ein solches Problem hinsichtlich des Feigenbaums und der Tatsache, daß Israel für eine gewisse Zeit zur Seite gesetzt werden sollte (Mt 21,21). Die Konsequenz aus dieser Art Glauben ist Gebet, das im Glauben von Gott etwas ganz Konkretes erbittet - ein Gebet mit Verheißung (Mt 21,22)!

Gnadengaben der Heilungen

Das ist die Gnadengabe, anderen direkt (sozusagen "auf Zuruf") körperliche Heilung zu vermitteln (1Kor 12,9.28.30). Paulus hatte diese Gnadengabe in bestimmten Situationen (Apg 14,9f; 19,11ff). Auch von Petrus und Johannes ist es bekannt (Apg 3,6). Meines Wissens wurde sie in der beschriebenen Form nicht innerhalb der Gemeinde angewandt. Die Auferweckung der Tabitha in Apg 9,40, die in Verbindung mit Gebet zu Gott und als Handlung nicht öffentlich geschah, trägt m.E. einen anderen Charakter. Auch die Genesung eines Kranken auf das Gebet des Glaubens hin (Jk 5,15f) hat andere Züge. Gnadengabe der Heilung scheint jedoch spontan zu geschehen und ist nach meinem Eindruck eine Zeugnisgabe der Anfangszeit der Gemeinde nach außen hin.

Wunderkräfte

Diese in 1Kor 12,10.28 erwähnte Gnadengabe bedeutet, daß bei Gelegenheit ein Handeln in der Kraft des Heiligen Geistes möglich ist, das die durch Naturgesetze und körperliche und geistige Möglichkeiten gesteckten Grenzen auf übernatürliche Weise überschreitet (Röm 15,19; 2Kor 12,12; Heb 2,4). Die Gnadengabe der Wunderkräfte scheint mir ein Oberbegriff für die in diesem Abschnitt genannten Wundergaben (wie z.B. Heilungen) zu sein.

Weissagung nach dem Maß des Glaubens

Ich fasse hier die Erwähnungen der Weissagung in Röm 12,6 und 1Kor 12,10 zusammen und verweise auf das, was ich schon weiter oben zu dem Thema Weissagung geschrieben habe. Es ist das Reden im Namen Gottes, durch das Gottes Geheimnisse offenbart (vgl 1Kor 13,2 und Röm 16,25) und Herzenshaltungen ans Licht gebracht werden (1Kor 14,24f). Dafür ist nach Röm 12 konkreter Glaube in dem jeweils persönlich zugeteilten Umfang erforderlich, der Gewißheit über das gibt, was in welchem Umfang wie gesagt werden soll.

Unterscheidung der Geister

Die direkt danach in 1Kor 12,10 erwähnte Gabe scheint darauf hinzudeuten, daß ein Sprechen mit dem Anspruch der prophetischen Rede überprüft werden kann. Auch 1Kor 14,29 zeigt eine solche Möglichkeit auf. In 1Joh 4,1ff wird aufgefordert, die Geister zu unterscheiden. Es reden ja nicht Geister direkt, sondern wir sind mit menschlichen Aussprüchen konfrontiert. Die Unterscheidung der Geister macht offenbar, ob der Heilige Geist oder ein anderer Geist, ob lautere oder üble Motive hinter einem konkreten Ausspruch stehen. Wenn also prophetisch gesprochen wird, gibt die Gnadengabe der Geisterunterscheidung darüber Gewißheit und eröffnet damit den Weg, das Gute festzuhalten (1Thess 5,21).

Arten von Sprachen

Dazu habe ich weiter oben in der vorherigen Ausgabe von Fest und Treu ausführlich geschrieben. Diese in 1Kor 1210.30 erwähnte Gabe besteht im Reden einer vorher nicht erlernten Sprache (="anderen" Sprachen in Apg 2,4) um darin Gott zu loben und Seine Taten zu preisen (vgl Apg 2,11). Dieses Sprachenreden ist nach dem biblischen Bericht für die Zuhörer verständlich (Apg 2,8). Es ist ebenfalls eine Zeugnisgabe nach außen hin.

Auslegung von Sprachen

Diese Gabe wird in 1Kor 12,10.30 genannt. Auslegen ist nicht lediglich ein Übersetzen der Sprachenrede, sondern auch noch ein "verständlich machen" derselben. Der Begriff "Hermeneutik" ist von diesem Wort abgeleitet. Sie besteht also im Deuten und Erklären dessen, was zuvor in einer Sprachenrede gesagt worden ist. Dadurch wurde das in einer Sprache Geredete für die Gemeinde nützlich gemacht.

Dienen und Hilfeleistungen

Diese in Röm 12,7 und 1Kor 12,28 genannte Gnadengabe ist von ihrem Inhalt her schlecht bestimmbar. Hilfeleistung bedeutet, anderen in wirklicher Liebe dienen, sich ihrer Bedürfnisse in geistlicher oder materieller Hinsicht anzunehmen. In Apg 20,35 wird es mit "sich der Schwachen annehmen" übersetzt. Das bedeutet, sie zu nehmen, wie sie sind, und ihnen in ihrer Schwachheit behilflich zu sein. Wenn man sich selbst als stark einschätzt, dann ist das ein Weg, Selbstverleugnung ganz praktisch zu lernen. Von dem Wort Dienen in Röm 12,7 ist das Wort "Diakonie" abgeleitet. Es ist nicht Dienst am Wort, denn in 1Pe tr 4,11 wird Reden und Dienen unterschieden, sondern ein inhaltlich weit gefaßter allgemeiner Bereich, in dem man schnell ermüden kann, wenn man fortwährend anderen dienen soll. Die Aufforderung "im Dienst zu bleiben" (Röm 12,7), ist deshalb angebracht. In 1Tim 3,7-13 werden die Anforderungen beschrieben, die ein Diener (Diakon) erfüllen muß, wobei dort kein kirchliches Amt gemeint ist. Ein Beispiel von Diakonen sind die sieben Männer aus Apg 6,5. Es ist eine Ermutigung, daß Gott dazu die Befähigung schenkt (1Petr 4,11).

Regierungen und Vorstehen mit Fleiß

In 1Kor 12,28 und Röm 128 werden zwei Gnadengaben genannt, die für die Leitung in der Gemeinde bestimmt sind. Die Ältesten bzw. Aufseher (zwei Bezeichnungen für ein und denselben Personenkreis, vgl 1Tim 3,1ff; Tit 1,5ff), die immer in der Mehrzahl in einer örtlichen Gemeinde vorkommen (Apg 20,17; Tit 1,5) und für die Leitung in der Gemeinde besondere Verantwortung tragen, müssen in besonderem Maß über diese Gnadengaben verfügen. Daneben sind hier diese Gnadengaben genannt, die auch in der Hand aller Gläubigen-ich meine damit auch solche, die nicht Älteste sind - richtungweisend im Gemeindeleben sind. Die Gnadengabe der

Regierung in 1Kor 12,28 leitet sich von einem Wort her, das an anderer Stelle mit "Steuermann" übersetzt wird (Apg 27,11). Welchen Kurs die örtliche Gemeinde nimmt, das liegt in der Verantwortung aller. Und wenn Gott in der Gemeinde jemandem die Befähigung zur Leitung gibt, dann muß sie auch ausgeübt werden. Sonst läuft das Gemeindeschiff auf Grund oder wird zum Zeugnis in dieser Welt untauglich.

Vorstehen (Röm 12,8) bedeutet in der Verantwortung zu stehen. Das kann in der Gemeinde sein (1Thess 5,12; 1Tim 5,17) oder in der Familie (1Tim 3,4.5.12). Es kann bedeuten, daß man praktisch jemandem beisteht (Röm 16,2 - siehe Fußnote der unrev. Elberfelder Übersetzung) oder daß man etwas verantwortlich verwaltet. Und wenn dann fortwährend Rechenschaft abgelegt werden muß, man sich immer wieder verantworten muß, kann man es schnell leid werden. Deshalb der Ansporn zum Vorstehen mit Fleiß.

Lehren

Auch zum Lehren (Röm 12,7) habe ich schon in einem der vorigen Hefte etwas gesagt. Deshalb hier nur kurz die Anmerkung, daß der Lehrende die lernenden Schüler oder Jünger hinsichtlich der Gedanken Gottes und des Gesamtzusammenhangs, in dem sie stehen, unterweist (vgl 2Tim 1,13; Röm 6,17). Ziel dieser Unterweisung ist, den Hörenden Ausrichtung auf den Herrn Jesus, der Gott ist, zu geben und sie für die Lebenspraxis anzuleiten. Ein solches Beispiel von Lehre ist die sogenannte "Bergpredigt". Daß es sich dabei um Lehre handelt, wird z.B. durch das Verhalten des Herrn Jesus in Mt 5,1 deutlich: Er setzte sich. Ein Beispiel für die praktische Zielsetzung dieser "Bergrede" ist Matthäus 6,33: "Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, und dies alles wird euch hinzugefügt werden."

Den Blick für die Zusammenhänge der Lehre bekommt man nicht punktuell, etwa durch "einen Zettel aus dem Himmel". Dazu ist nötig, daß man in der Lehre bleibt, die Bibel liest und sie besser zu verstehen sucht.

Ermahnen

Das Wort, das in Röm 12,8 für "ermahnen" steht, hat denselben Wortstamm wie das Wort "Tröster" oder "Fürsprecher" in 1Joh 2,1 und Joh 14,26. Wörtlich übersetzt müßte es "herbeigerufen" heißen. Man könnte auch sagen, daß jemand, der in diesem Sinn ermahnt, "herbeigerufen" ist und das rechte Wort zur rechten Zeit hat. Ist Trost nötig, dann muß ein Wort des Trostes gesagt werden. Ist Ermahnung nötig, dann ein Wort der Ermahnung. Dazu gehört Übung und Ausdauer. Oft fällt es einem ja schwer, in einer Situation das Angemessene und richti-ge als vom Herrn Herbeigerufener auszurichten. Wenn der Herr das jeweilige Wort gibt gilt deshalb: Wem Ermahnung gegeben ist, der ermahne.

Geben mit lauterem Sinn

Die Worte "Geben ist seliger als nehmen" (Apg 20,35) und "Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb" (2Kor 9,7) sind uns allen sicher sehr vertraut. Und viele von uns geben auch gerne und wissen auch etwas von den Schwierigkeiten des Gebens. Die Worte in Röm 12,8 dienen da der Korrektur. Im Zeitalter der Spendenbescheinigungen weiß die Linke nur allzu oft, was die Rechte tut (Mt 6,3). Nicht daß ich solche Bescheinigungen vollständig ablehne, keinesfalls. Sie erschweren aber doch das unbeschwerte Geben. Vor wessen Auge geben wir? Vor dem Auge des Empfängers, der den Betrag als Einnahme verbuchen muß und dem er daher nicht un-bekannt ist. Oder vor dem Auge Gottes, der nicht nur den Betrag, sondern auch die Be weggründe und das Herz dessen anschaut, der gibt (vgl Mal 1,13). Wie weit Geben und Aufrichtigkeit auseinanderklaffen können, zeigt das Beispiel von Ananias und Saphira in Apg 5. Sie erweckten den Eindruck, daß sie den Erlös eines Ackers spendeten, hatten aber einen Teil davon zurückbehalten. Tatbestandsmäßig war das vor den Augen Gottes Betrug an der Gemeinde, der unmittelbar geahndet wurde. Von der Ahndung her sicher ein nicht häufig vorkommender Fall. Aber vom Tatbestand her wohl weniger selten. Wie sieht es da bei uns aus? Wie machen wir es - einmal ganz persönlich gefragt? Ab heute wieder neu mit lauterem Sinn (vgl 2Kor 11,3)? Der Herr schenke uns diese Gnadengabe. Und dann ans Werk, entsprechend unserem individuellen Vermögen (vgl 1Kor 16,2).

Barmherzigkeit üben mit Freuden

Diese in Röm 12,8 erwähnte Gnadengabe ist wieder etwas, was allgemein gefaßt ist und woran man auch schnell die Freude verlieren kann. Barmherzig sein ist, jemandem in Not entsprechend seinem Bedürfnis helfen. Das kann Kleidung (1Joh 3,17) oder einfach Gastfreiheit (Hebr 13,1ff) oder eine sonstige materielle und/oder geistliche Hilfestellung sein. Man kann dabei Undankbarkeit erfahren, bekommt vielleicht nicht den Lohn, den man erwartet. Oder man bekommt Angst, nicht mehr genügend für andere oder für sich selbst zu behalten. Da kann es mit der Freude schnell vorbei sein. Deshalb möchte Gott zum Ausüben der Barmherzigkeit auch die Freude mitgeben, die wiederum Ausdauer darin gibt, weiterhin Barmherzigkeit zu üben. "Ein fröhliches Herz tut dem Leibe wohl; aber ein betrübtes Gemüt läßt das Gebein verdorren" (Spr 17,22). Das ist etwas, was auch unsere Umgebung wahrnimmt.

Und jetzt?

Nachdem wir jetzt einige Gnadengaben, die durch den Heiligen Geist gewirkt werden, etwas näher angeschaut haben, ist eine persönliche "Standortbestimmung" angebracht. Die Bibel ist randvoll mit Berichten von Menschen, die ihre Gnadengaben eingesetzt haben. Wie ist es jetzt mit uns, mit mir ganz persönlich? Lassen wir Gott durch das Anschauen biblischer Vorbilder den Finger auf brachliegende Gnadengaben in uns, unserem Leben legen? Und sind wir dann auch bereit, das Erkannte in die Tat umzusetzen? Ich bin mir da sicher: Die Folge wäre Segen - nicht nur für den, der durch die Gnadengabe Nutzen empfängt, sondern auch für den Ausübenden! Deshalb: An die Arbeit!

Nachtext

Quellenangaben